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Auf Wunsch gelöscht 20-12-2007 11:19

Putin Mann des Jahres
 
Die US-Zeitschrift "Time" hat Wladimir Putin zur Person des Jahres 2007 gekürt: weil er sich große Verdienste um Russlands Stabilität erworben hat, lautet die Begründung. Tatsächlich ist diese These ein modernes Märchen - im Kreml erfunden, wird es im Westen gern geglaubt.

Berlin - "Time" vergibt jährlich den Titel der "Person des Jahres". Das sei keine Ehrung, unterstreicht die US-Zeitschrift, keine Billigung oder Anerkennung einer weltweiten Popularität. Vielmehr zeichnet "Time" die besonders mächtigen Persönlichkeiten und Mächte aus, die unsere Welt verändern – zum Besseren oder zum Schlechten.

Nun ist es das gute Recht der traditionsreichen Zeitung, einen wertefreien Blick auf das Weltgeschehen zu werfen. Nichts Moralisches also: 1938 wurde in "Time" Hitler zur Person des Jahres gekürt, ein Jahr später war es Stalin, dem 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, sogar zum zweiten Mal der Titel zuerkannt wurde.

Dieses Jahr ist der russischen Präsident Wladimir Putin dran.

Er ist kein Demokrat, argumentiert die Zeitung, und kein Liebhaber der Redefreiheit. In erster Linie stünde er für Stabilität – jene Stabilität, die wichtiger sei als alle Freiheiten in dem Land, das seit einem Jahrhundert keine Stabilität kannte. Weder Reformer noch Autokrat, sei es ihm gelungen, eine außerordentliche Stabilisierung Russlands zu erreichen und es zurück in den Kreis der Großmächte zu führen. Just für diese Leistung hat "Time" ihm den Titel verliehen.

Allerdings trügt das Mantra der russischen Stabilität, das die westlichen Regierungen unisono beschwören. In den acht Jahren seiner unangefochtenen Macht hat Putin alle staatlichen Institutionen geschwächt oder zerschlagen. Im Namen angeblicher Stabilität hat er seinen Geheimdienstlern erlaubt, den Ölkonzern Jukos zu zerschlagen und sich andere wertvolle Aktivposten unter den Nagel zu reißen, zumeist im Energiesektor. Das Zusammenwachsen der unkontrollierbaren Macht und des milliardenschweren Privatvermögens in den Händen seiner Peterburger Freunde und Kollegen schuf eine mächtige Korporation der informellen Akteure, die das Land mit Hilfe geheimdienstlicher Maßnahmen kontrollieren. Bei den jetzigen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geht es der Clique um das Ganze.

Putin verliert die Kontrolle

Wer glaubt, Putin halte seine Umgebung unter Kontrolle, ist deshalb naiv. Es gibt allzu viele Indizien, dass das Gegenteil zutrifft. Der Westen hat die Ermordung der Schrifstellerin Anna Politkowskaja und des KGB-Dissidenten Litwinenko offenbar schnell vergessen. Wie instabil es selbst in Moskau zugeht, zeigt der Kleinkrieg mehrerer Geheimdienste, die gegenseitig ihre Mitglieder verhaften. Es geht um viel Geld dabei – aber vor allem wohl darum, dem Kreml-Chef zu zeigen, wer wirklich das Sagen hat im Land.

Kaum jemand zweifelt daran, dass die Verhaftungen einen politischen Charakter haben. Sie sollen Putin demonstrieren, wessen Interessen in der nächsten Wahlperiode im Vordergrund stehen sollten. Die Frage, ob Putin noch Herr im Hause ist oder eher ein Spielball rivalisierender Clans, stellt sich immer häufiger. Selbst seine vorzeitige Zusage, Ministerpräsident unter seinem Nachfolger Dmitrij Medwedew zu werden, zeugt von seiner Angst, die Politik ohne Gefahr für Leib und Leben zu verlassen. Mehrmals hatte Putin bestritten, dass er Ministerpräsident werden wolle. "Bleiben nicht gehen" - wer die Mantra der Stabilität im System Putin beschwört, soll nun korrekt Komma einfügen.

Russland hat ein üppiges Wirtschaftswachstum und einen steigenden Lebensstandard. Aber ohne Rechtsstaat, ohne einklagbare Rechte ist alles möglich - nur eben keine Stabilität.

Der Staat ohne Institutionen hat einen Herrscher, aber er kann nicht regieren. Die Anordnungen von oben bleiben im Dickicht der chaotischen Beamtenschar stecken, die Lösung dringendster Probleme wird sabotiert. Die Stabilität des Systems Putin ist nicht viel mehr als eine virtuelle Realität. Ein PR-Gag, der die Panik der Mächtigen und die Phobien der Unterschichten verbirgt.

Im Westen hält man ein solches skeptisches Bild für eine Übertreibung, zu der insbesondere die demokratischen Verlierer in Russland neigen. Es ist doch Putin, der Tschetschenien befriedet hat. Es ist doch Putin, der das Land zu einer der führenden Wirtschaftsmächte gemacht hat. Es ist doch Putin, der in Europa Arbeitsplätze für Exportbranchen schafft, den Konzernen milliardenschwere Investitionen ermöglicht und eine reibungslose Energieversorgung verspricht.

Inflation, Armut, Korruption

In Wahrheit gilt: Das ist nicht Putin - sondern ihro Majestät Zufall. Putin hatte ein unwahrscheinliches Glück. Seine Amtszeit fiel mit den wachsenden Energiepreisen zusammen.

Die Voraussetzungen für das Wirtschaftswachstum wurden jedoch unter Jelzin geschaffen. Bald wird man sehen, ob das Glücksrad, das aus einem unbekannten Mitarbeiter der unsichtbaren Front des Kalten Kriegs die Person des Jahres 2007 gemacht hat, sich für ihn weiter dreht.

Viele seiner Untertanen sind sich dessen nicht so sicher. Denn in Tschetschenien herrscht zwar ein stalinistischer Frieden, der Bürgerkrieg ist aber in andere Kaukasusrepubliken gezogen. Die Verhältnisse in Inguschetien und Dagestan sind den tschetschenischen sehr ähnlich. Der Kaukasus bleibt ein instabiler Krisenherd. Die Inflation wie die Kluft zwischen Reich und Arm schlägt neue Rekorde. Und die uferlose Korruption überschwemmt das Land.

Die Mär der Stabilität wird im Westen deshalb kultiviert, weil Putin sich unter dem Druck der Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen gänzlich von der wertebasierten Politik verabschiedet hat. Die vermeintliche Stabilität ist eine rhetorische Kulisse, die eine Rechtfertigung der erzwungenen Partnerschaft mit dem autoritären und unberechenbaren Staat ermöglicht.

Hoffentlich geht dem Westen vor lauter Realpolitik das Gefühl für Realität nicht ganz verloren.


PC-Oldie-Udo 20-12-2007 12:14

na ja, da kann man geteilter Meinung sein, sicherlich ist heute vieles anders als zu Stalins Zeiten aber von Demokratie kann man wohl noch nicht wirklich sprechen. :confused:

Auf Wunsch gelöscht 20-12-2007 13:39

Wir hatten schonmal davon gesprochen.
Aber erstmal sind solche Vergleiche zwischen Stalin und Putin völlig daneben.

Wir haben auf der einen Seite einen Diktator der massenweise Menschen getötet hat - soll heissen ethnische Säuberungen!

Dann haben wir Putin der da, der einen Staat unter Kontrolle bringen muss, der gerade mal im Begriff ist sich neu auszurichten. Man kann nicht von der Steinzeit in die Demokratie wechseln....so ist es natürlich ganz schwer diese beiden überhaupt zu vergleichen.
Step by Step wird Russland aber modernisiert und damit wird es auch zu mehr Rechten kommen. Ich habe letztens schon in einem Beitrag auf die Problematik der Demokratie hingewiesen - vor allem in der Verbindung mit inneren Faktoren.
Will das nun nicht alles nochmal wiederholen.....

Fakt bleibt aber das man zum einem Stalin nicht wirklich mit Putin vergleichen kann und das man Russland und seine politische Strukturen nicht nach westeuropäischen Masstäben vergleichen kann.

PC-Oldie-Udo 20-12-2007 14:31

Zitat:

Step by Step wird Russland aber modernisiert und damit wird es auch zu mehr Rechten kommen
gebe ich dir recht und auch zu deinen anderen Meinungen hierzu :top:


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