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Alt 27-02-2004, 13:06   #4
gruengeist
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Ehevertrag darf kein Knebelvertrag sein

Mittwoch 11. Februar 2004, 15:44 Uhr
Ehevertrag darf kein Knebelvertrag sein

Frankfurt/Main (AP) In der Kurzfassung bedeutet das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Ehevertrag, dass der von manchem Mann erträumte Schutz vor nachehelicher «Ausbeutung» seine Grenzen haben muss. Vereinbarungen, die einer verdienst- und damit mittellosen Mutter im Falle der Scheidung jede Unterstützung durch den Ex-Mann verwehren, sind sittenwidrig und damit nichtig. Wie nach einem ähnlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor drei Jahren erwarten Familienrichter nun eine weitere Klagewelle.

Nicht jedem Ehepartner geht es so gut wie einst Jacqueline Kennedy, als sie 1967 den Tanker-König Aristoteles Onassis heiratete. Der Ehevertrag sah vor, dass die schöne Witwe den reichen Reeder regelmäßig lieben sollte und zwar für monatlich 30.000 Dollar und 20 Millionen Dollar je fünf Jahre Ehe. Dieselbe Summe stand Jacqueline auch beim Tod ihres zweiten Gatten zu.

Allerdings stehen der geschiedenen Frau nach deutschem Recht immerhin Unterhalt, Zugewinnausgleich aus gemeinsam erworbenem Vermögen und Versorgungsausgleich zu. Der Bundesgerichtshof urteilte nun, dass ein Ehevertrag den Kernbereich dieser Rechte nicht berühren darf. Dies gilt nach Auffassung der Richter in erster Linie für den Unterhalt wegen Kinderbetreuung. Verlangt ein Mann von seiner Frau im Vorhinein, im Scheidungsfall auf Kindesunterhalt zu verzichten, verstößt dies gegen die guten Sitten und ist daher nicht erlaubt.

Nur die übrigen, nach Meinung des BGH rechtlich nachrangigen Versorgungstatbestände dürfen die Eheleute für den Fall einer Scheidung notariell ausschließen, doch auch das nicht ohne Einschränkung. Der Schutzzweck des Scheidungsfolgenrechts dürfe «nicht beliebig unterlaufen» werden, und die Grenze müsse dort gezogen werden, wo einer der Partner unzumutbar belastet würde, sagen die Richter und fügen hinzu: «Das ist umso eher der Fall, je mehr der Ehevertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.»

Neben dem Unterhalt wegen Kinderbetreuung zählen die Richter auch den Krankheits- und Altersunterhalt des geschiedenen Partners zum Kernbereich der Versorgungspflicht. Doch nachrangig ist bereits der Ausbildungs- und Aufstockungsunterhalt. Abtretbar, aber je nach Fall eben auch nicht uneingeschränkt, ist der Versorgungsausgleich. Keiner Beschränkung unterliegt dagegen das Recht auf Gütertrennung, die im Falle einer Scheidung den Verzicht auf Zugewinnausgleich zur Folge hat.

In Richter- und Notarkreisen wird die abgestufte Schutzwürdigkeit der nachehelichen Versorgungspflichten des finanziell besser gestellten Partners erleichtert begrüßt. Denn nachdem bereits vor drei Jahren das Bundesverfassungsgericht in einem anders gelagerten Fall ähnlich geurteilt hatte, ist nun endgültig ein Paradigmenwechsel eingetreten: Die bisherige Rechtsprechung, nach der das Familiengericht auch bei einseitiger Lastenverteilung nicht in den Ehevertrag eingreifen durfte, ist mit dem BGH-Urteil Schnee von gestern.

Beratende Anwälte und Notare würdigen aber vor allem die Rechtssicherheit, die der BGH mit seinem Urteil wesentlich vergrößert habe. Nach Einschätzung der Juristen können Heiratswilligen, die einen Ehevertrag schließen wollen, nun besser die rechtlichen Grenzen der von ihnen gewünschten Vereinbarungen aufgezeigt werden.

Hatte schon die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2001 zu einer Flut von Klagen gegen vermeintliche oder tatsächliche Knebelverträge geführt, erwartet der Deutsche Familiengerichtstag nun eine weitere Klagewelle. «Wir befürchten aber keine Lawine, weil die Zahl der Eheverträge gemessen an der Vielzahl von Scheidungen doch eher gering ist», sagte Sprecherin Isabell Goetz.
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