Thema: Brent und WTI
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Alt 24-02-2009, 19:40   #1
Israel
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Brent und WTI

Ölpreis 2009 leichte Erholung erwartet

Die Analysten der Erste Bank sehen in 2009 eine Erholung des Ölpreises, jedoch keinen Eintritt in eine neuerliche, starke Trendphase.

Als wahrscheinlicher erscheine den Analysten ein Durchschnittskurs 2009 von rund USD 55/Barrel. Die OPEC-Förderkürzungen würden lediglich die massive Lagerhaltung ausgleichen und ein noch extremeres Überangebot verhindern. Solange keine merkliche Verbesserung der weltweiten Konjunkturausblicke bestehe, sei auch mit keiner signifikanten Erholung des Ölpreises zu rechnen.

Positiv am Rekordlauf des Ölpreises im Vorjahr sei sicherlich zu bemerken, dass die öffentliche Diskussion rund um Themen wie Versorgungssicherheit und Wandel hin zu erneuerbaren Energien entfacht worden sei. Ein Wandel hin zu Alternativenergien hätte eine friedensstiftende Wirkung, da die wachsende Gefahr von Ressourcen-Kriegen gebannt wäre, andererseits würde es der Umwelt zugute kommen. Die öffentliche Diskussion sei im Zuge des Preisverfalles jedoch wieder in den Hintergrund gerückt. Der Glaube an einen raschen Ersatz von fossilen Energieträgern durch Alternativenergien erscheine, bei den aktuellen Investitionsvolumina und politischen Willensbekundungen, illusorisch bzw. naiv. Aktuell scheine hier der Wille für eine langfristige Veränderung des Energiemix nicht gegeben zu sein.

Der weltweite Energiekonsum wachse derzeit (im langfristigen Median) um etwa 1% schneller als das BIP. Zwar sei das Wachstum alternativer Energien überdurchschnittlich dynamisch, dies sei jedoch trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Erdgas sollte ein großer Hoffnungsträger sein, zumindest einen Teil des Erdölbedarfs zu ersetzen. Auch aus dem Aspekt des Klimaschutzes, nachdem Erdgas von allen fossilen Energieträgern am wenigsten Kohlendioxid emittiere. Die unkonventionellen Ölvorkommen (hauptsächlich Ölsand, Flüssiggas, Ölschiefer) könnten zwar einen Teil der rückläufigen Produktion ersetzen, der Nachfrageüberhang bleibe jedoch bestehen. Auch die ökologischen Folgen und die geringe Energieeffizienz bzw. die hohen Kosten des Abbaus seien äußerst kritisch, insofern dürfte das Potenzial beschränkt sein.

Je länger der Ölpreis im Bereich USD 40 und darunter bleibe, desto höher und schneller werde sich das zukünftige Angebot verknappen, da Investitions- und Explorationsprogramme auf diesem Preisniveau aufgeschoben bzw. gestrichen würden. Jedenfalls dürften die geringen Investitionen in Exploration langfristig zu massiven Problemen führen. Aktuell würden sich die Investitionen auf nicht einmal 20% des empfohlenen Volumens belaufen, um die Produktion von aktuell 86 Mio. Barrels auf 125 Mio. Barrels bis 2030 anzukurbeln.

Der weitere Ölpreisverlauf werde stark von der OPEC beeinflusst sein. Die Analysten der Erste Bank rechnen mit einer weiteren Drosselung der Kapazitäten um den Preisverfall zu stoppen. Die OPEC werde vermutlich weitere Förderquotensenkungen anordnen, solange der Ölpreis unter USD 75/Barrel handle. Ein Großteil der Überschüsse am Weltmarkt sollte im Zuge der Kürzungen bis Mitte 2009 verschwinden. Besonders im Umfeld einer globalen Rezession dürften die Fördermengenkürzungen aber erst mit deutlicher Verzögerung am Markt ankommen. Zwar würden die Analysten von einem stark rückläufigen Nachfragewachstum innerhalb der OECD ausgehen, dies sollte jedoch durch weiter steigenden Konsum in China, dem Mittleren Osten, Lateinamerika und Indien größtenteils kompensiert werden.

Die Förderkürzungen der OPEC scheinen jedoch teilweise an der praktischen Umsetzung zu scheitern, so die Analysten der Erste Bank. Im Januar sei die Produktion aller elf OPEC-Mitglieder von 27,24 Mio. Barrels im Dezember auf nun 26,23 Mio. Barrels gefallen. Das eigentliche Ziel habe bei 24,84 Mio. gelegen, die mangelnde Disziplin einzelner Länder wie z. B. Venezuela dürfte für die Differenz verantwortlich sein. Saudi-Arabien habe den Output hingegen um 230.000 Barrels und damit deutlicher als geplant zurückgeschraubt.

Die OPEC werde die Förderziele bei ihrer nächsten Sitzung im März vermutlich um zumindest 1 Mio. Barrels/Tag senken. Damit hätte man insgesamt bereits 5,2 Mio. Barrels gesenkt, dies entspreche knapp 6% der gesamten Nachfrage. In 2001 seien in vier Schritten 5 Mio. Barrels gekürzt worden (19% der gesamten OPEC-Produktion), was einen sechsjährigen Aufwärtstrend zur Folge gehabt habe. Aktuell belaufen sich die Kürzungen auf 14,5% der gesamten OPEC-Produktion, jedoch scheinen die konjunkturellen Verwerfungen wesentlich dramatischer als 2001 zu sein, so die Analysten der Erste Bank.

Summa summarum würden die Analysten mit einer rückläufigen Nachfrage von ca. 1% für 2009 rechnen. Das Angebot außerhalb der OPEC sollte aufgrund rückläufiger Produktion in Russland, Mexiko und der Nordsee um knapp 0,6% zurückgehen, die OPEC werde die Fördermengen nach Meinung der Analysten zumindest um weitere 2 bis 3 Mio. Barrels/Tag senken. Das Angebot werde im laufenden Jahr vermutlich mehr als ausreichend sein, aufgrund der Förderquotensenkungen sollten genügend Restkapazitäten zur Verfügung stehen.

Wenn sich die monetären Schleusen öffnen würden und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wieder zunehme, könnte in einem stark inflationären Umfeld eine Flucht in Sachwerte stattfinden. In einem solchen Szenario würden Commodities, insbesondere aber Öl und Gold, stark profitieren.

Die Futures für Lieferung in 2013 stünden bei dem Doppelten der aktuellen Preise. Insofern scheine auch die Analogie zu 1998 interessant, als das Contango zur Forward-Kurve ähnlich extrem gewesen sei. Damals sei kurze Zeit später das absolute Tief bei USD 10,35 markiert worden, anschließend sei der Ölpreis innerhalb von 15 Monaten auf USD 35/Barrel gestiegen. Auf die aktuelle Situation umgelegt könnte dies bedeuten, dass Öl zuerst auf einen Tief von USD 25 falle und anschließend in einen dynamischen Aufwärtstrend eintrete.

Die Ära von "Cheap Oil" dürfte in jedem Falle zu Ende gehen, nachdem die einfach und kostengünstig abzubauenden Reserven langsam ausgebeutet seien. Die stark gestiegene Abhängigkeit von staatlichen Ölkonzernen und der mittlerweile extrem geringe Anteil der privaten Ölkonzerne an der Produktion und den Reserven, würden ebenso für langfristig steigende Ölpreisnotierungen sprechen.

Die strukturellen Probleme der Ölindustrie würden auf langfristigen Versäumnissen beruhen, deren Auswirkungen man erst zunehmend zu spüren bekommen werde. Das genaue Erreichen bzw. Überschreiten des weltweiten Fördermaximums könne nicht prognostiziert werden. Die Abhängigkeit von Giant Oil Fields, die rückläufige Produktion in zahlreichen größeren Fördernationen wie Mexiko, Norwegen, USA etc. scheinen jedoch ein eindeutiges Signal zu geben, so die Analysten der Erste Bank. Die Tatsache, dass die Förderleistungen der internationalen Ölkonzerne innerhalb der letzten zehn Jahre - bei stark gestiegenen Preisen - insgesamt rückläufig gewesen seien, spreche Bände.

Der Ölpreis werde langfristig nicht mehr nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage funktionieren, sondern von oligopolistischen Grundsätzen einiger weniger großer Fördernationen abhängen. Nachdem auch die Förderung zunehmend kostenintensiver werde, die benötigten massiven Investitionen nur zu einem Bruchteil getätigt würden und zahlreiche Ölfelder aber auch Fördernationen ihre Peak-Produktion bereits überschritten hätten, seien langfristig wieder deutlich höhere Ölpreise zu erwarten. Insofern seien Preise in Höhe von USD 200/Barrel auf Sicht von drei bis fünf Jahren durchaus möglich.

Da sich die Nachfrageseite aufgrund der aktuellen Verwerfungen und deren Auswirkungen und Dauer schwer einschätzen lasse, würden die Analysten von einer langsameren Aufwärtsbewegung ausgehen, auf aktuellem Preisniveau jedoch ein äußerst attraktives Chance/Risikoverhältnis sehen. In 2009 würden sie deshalb mit einem durchschnittlichen Preis von USD 55/Barrel rechnen, sobald eine nachhaltige konjunkturelle Erholung einsetze, würden sie ein baldiges Überschreiten der Marke von USD 70 sehen. (17.02.2009/ac/a/m)
Marktbericht-Datum: 17.02.2009

Quelle: Finanzen.net / Aktiencheck.de AG
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