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Alt 10-06-2004, 03:08   #2
Jay de Vee
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(zum anfang noch schnell die erklärung, warum ich das alles hier im thread "allgemeine finanzthemen" schreibe und nicht in "devisen": die auswirkungen von starken währungsveränderungen greifen auf die gesamtwirtschaft durch, dazu komme ich hier am schluss auch. diese breite wirkung ist der grund!)


rückschau

das in meinem alten beitrag skizzierte szenario hat sich mittlerweile weitgehend erfüllt. der dollar hatte sein bisheriges hoch im bereich von 1,2800. damit hat er den bereich meiner erwartungen von zwischen 1,3800 und (abzüglich der erläuterten fehlertoleranz) 1,2000 erreicht, und den mittelpunkt der beiden werte um nur einen cent verfehlt.

aus heutiger sicht ist 1,2500 kalter kaffee, anfang 2003 konnte sich kaum jemand das überspringen von 1,1000 vorstellen.


status quo

wie geht es aber jetzt weiter mit dem dollar? dazu müsste ich einen absatz aus einem anderen beitrag von mir bei arando zitieren, aber leider habe ich diesen nicht archiviert. deswegen hole ich nun ein wenig weiter aus, um zu einer prognose zu kommen.

"das amerikanische problem", also die nicht konkurrenzfähige industrie der sogenannten supermacht, hat ein handelsdefizit ungeheuren ausmasses angehäuft.

zB der vergebliche versuch amerikas, europäische stahlimporte durch strafzölle zu verhindern, ist nach hinten losgegangen. die us-verarbeiter haben einfach ihre produktion gesenkt und nicht minderwertigen amerikanischen stahl als ersatz verwendet. schon ein paar wochen später war der spuk vorbei, damit nicht ein verarbeitungseinbruch im inland-usa folgt.
dieses beispiel zeigt mir die selbstüberschätzung amerikas am deutlichsten auf.

diese selbstüberschätzung (oder genauer: die arroganz der corporate-america) ist aber auch einer der faktoren, die mich glauben lassen, dass amerika dieses handelsdefizit nicht in den griff bekommen wird.

auf der anderen seite steht das staatsdefizit. die schon unvorstellbaren zahlen aus meinem beitrag oben sind in den letzten 1,5 jahren noch katastrophaler geworden. federal america ist de facto bankrott. (und um dem absehbaren einwurf zuvorzukommen, bei uns wäre das nicht viel anders: die staatsdefizite von usa und deutschland sind wirklich nicht miteinander vergleichbar)
und der kapitalhunger amerikas wird nicht kleiner, er wächst von quartal zu quartal. aber der anreiz, sein geld in us dollar anzulegen ist im moment einfach zu gering.

genau daraus leite ich meine aktuelle mittelfristige dollarprognose ab:


der ausblick

amerika wird den dollar inflationieren!

meiner meinung nach zeigen erste tendenzen in diese richtung. ich glaube auch, dass das der einzige weg ist, in dem amerika sein system retten kann, nämlich durch drastische zinserhöhungen!

nur höhere zinsen machen anlagen in fedbonds wieder attraktiv. und um die fröhlich wachsende zinslast bedienen zu können, werden die dollar druckerpressen sonderschichten einlegen - und voila - die inflationierung beginnt.

viele anleger machen hier aber den entscheidenden fehler, der zur zeit auch gerne im wirtschaftsboulevard transportiert wird: sie meinen inflationierung heisst fallender wert, also steigender euro.

DAS IST FALSCH!

in wahrheit bedeutet eine solche inflationierung zwar durchaus einen fallenden wert, aber eben nur den einer schwindenden kaufkraft im inland!
für devisenanleger dagegen ist klar, dass eine solches szenario einen stark steigenden dollar sehen wird. denn, sobald die amerikanischen zinsen höher sind als die euopäischen (von yen nicht zu reden), wird es einen mächtigen kapitalstrom in den dollar geben. das führt zu einer signifikanten aufwärtsbewegung!

aus der breiten wirkung einer solchen dollaraufwertung ergibt sich noch meine warnung vor den folgen dieser aufwertung:
der dow jones und die nasdaq werden massive verluste erleiden, sollten sie ihre (echten oder typischerweise fingierten) gewinnwachstumsraten dadurch nicht halten können. und genau das steht zu befürchten.
vor allem die hoch verschuldeten hightechs, biotechs etc werden hohe kurseinbrüche haben. weiter werden konsum und bankwerte leiden und nicht zuletzt die autoindustrie. das wird auch uns hier stark betreffen.


die prognose

meine prognose für den dollar ende 2005 lautet daher: 1,0000 für einen euro, also quasi parität.
der dow und die nasdaq könnten um ca 25% abwerten, also dow ca 7500, nasdaq 1500. das würde aber früher eintreten als ende 2005 und könnte bis dahin schon wieder etwas relativiert sein.

ich weiss, es sind keine schönen aussichten, aber ich halte es aus heutiger sicht für das wahscheinlichste szenario.

gibt es andere meinungen oder zustimmung?

grüsse, jay
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Das Ende der Welt ist nahe.
Keilschrift aus Ur um 2000 v. Chr.
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