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Alt 24-08-2004, 13:12   #4
Morillo
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Mindestlohngesetz gibt es längst


Angesichts der Zumutbarkeitsregelungen fuer kuenftige ALG-II-Empfaenger und der Debatten ueber einen "Niedriglohnsektor" hat eine neue Diskussion ueber gesetzliche Mindestloehne begonnen und es wird die Einfuehrung eines Mindestlohngesetzes gefordert.

Auf einer Veranstaltung von "Gewerkschaftsgruen" hatte nicht nur ich kuezlich ein "Aha-Erlebnis". Ein solches Gesetz gibt es schon seit 1952 (!!!). Es heisst:

Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (vom 11.01.1952, BGBl. I S. 17) und ist in jeder Arbeitsrechtssammlung enthalten. Im Netz habe ich es nur auszugsweise gefunden bei

www.boeckler.de

Dies Gesetz ist noch nie angewandt worden. Zu seiner Entstehungszeit herrschte einerseits noch große Arbeitslosigkeit, andererseits sollten auch angesichts der "Sozialismusgefahr" soziale Mindeststandards festgelegt werden können. Durch das "Wirtschaftswunder", die starke Verhandlungsmacht der Gewerkschaften und dem Interesse der Arbeitgeber an einer Vermeidung ruinoeser Konkurrenz konnten aber alle wesentlichen Bereiche durch Tarifvertraege abgesichert werden. Fuer den einzigen relevanten Bereich mit geringem Organisationsgrad auf beiden Seiten, dem Heimarbeitsbereich, gab es ein Extra-Gesetz.

Gerade im Osten sinkt das Interesse der Arbeitgeber an tarifvertraglichen Mindeststandards und die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften ist oft sehr schwach. Daher ist insbesondere hier ein klassischer Anwendungsbereich des "MindArbBedG" gegeben. Gewerkschaftliche Vorbehalte gegen die Anwendung des Gesetzes kann ich nicht nachvollziehen, da die Mindestloehne und anderen Mindestarbeitsbedingungen durch paritaetisch besetzte Ausschuesse festgelegt werden unter Vorsitz eines Vertreters des Bundesarbeits- und -wirtschaftsministeriums (das dessen Chef z.Z. Clement heisst, sagt ja nichts grundsaetzlich gegen das Modell).

Ich halte diese gesetzliche Regelung fuer ein sehr gutes Handwerkszeug. Allein die Einrichtung der Ausschuesse und damit die oeffentliche Befassung mit dem Thema wird schon Druck in Richtung Festlegung von Mindestloehnen ausueben. Was dann im Detail rauskommt, ist natuerlich eine politische Machtfrage ...

Vielleicht ist die Qualitaet dieses Gesetzes als Handwerkszeug ja auch ein wesentlicher Grund dafuer, dass es so lange aus dem oeffentlichen Bewusstsein verdraengt worden ist??? Gegen diese Verdraengung sollten wir angehen.
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