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Alt 11-10-2004, 13:19   #421
niemandweiss
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Dieter

erst 100 dann womöglich DAUSEND ?


Erdölhausse ohne Ende? Die Wette gilt!
Solange die Weltwirtschaft expandiert, steigt die Energienachfrage - Gastkommentar von Michael Margules


Michael Margules lebt als freier Journalist in Wien. Sein Gastkommentar "Börsenblick" erscheint wöchentlich auf derStandard.at. Anlageempfehlungen stellen die persönliche Meinung des Autors dar.




Spätestens seit das Fass Rohöl der Qualität West Texas Intermediate (WTI) in New York mehr als 53 Dollar kostet, stufen auch die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrieländer (G-7) die Energieverteuerung nicht mehr als vorübergehendes Phänomen ein.

Auf ihrem Halbjahrestreffen in Washington forderten sie zuletzt die Förderstaaten auf, ausreichend Rohöl anzubieten, damit sich die Preise beruhigen. Ob die Erzeuger sich daran halten werden und können, ist allerdings zu bezweifeln, produziert doch die Opec bereits an der Kapazitätsgrenze. Und auch etliche andere Gründe sprechen für einen weiter anziehenden Ölpreis, alleine vor allem die in Europa und in den USA von Konjunkturängsten geplagten Politiker sprechen nicht gerne davon.

Mehrere (Hinter-)Gründe

Rohöl wird immer teurer: An den Terminbörsen notierte das Fass der Sorte WTI am Freitag schon jenseits von 53 US-Dollar. Die gleiche Menge, also 159 Liter, der Qualität Brent kostete 48,15 Dollar.

Die Erklärungen für die Ölpreishausse sind zahlreich. Einer steigenden Nachfrage steht ein Angebot gegenüber, das sich nicht beliebig ausweiten lässt: Die Mitglieder des Ölkartells Opec und andere Förderer pumpen nahe oder an der Kapazitätsgrenze. Zudem haben die Ölgesellschaften in den letzten 20 Jahren zu wenig in Infrastrukturen investiert. Deshalb schlägt jede Angebotsstörung auf den Preis durch. So werden als Gründe für die Avance über 50 Dollar Ereignisse wie die Wirbelstürme im Golf von Mexiko, die Unruhen in Nigeria sowie die anhaltenden Kämpfe im Irak genannt. Viele Analysten erklären, Rohöl werde wegen der unsicheren geopolitischen Lage mit einer Risikoprämie von mindestens zehn Dollar gehandelt.

Expansive Wirtschafts- und Geldpolitik

Fall Sie es wie die meisten noch nicht bemerkt haben: Wir befinden uns mitten in einem Wirtschaftsboom, der seinesgleichen eigentlich sucht. Seit fast drei Jahrzehnten expandierte die Weltwirtschaft nicht mehr so kräftig wie dieses Jahr, rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Halbjahresbericht vor. Mit fünf Prozent Wachstum wurde die eigene Prognose vom Vorjahr deutlich übertroffen. Nach mehreren Jahren, in denen der IWF – und mit ihm die meisten Wirtschaftsforscher – das künftige Wachstum regelmäßig überschätzten, hatten sie auf einmal die Aussichten zu vorsichtig beurteilt. Erstmals behielten nicht Skeptiker, sondern Optimisten Recht. Daraus ist zu schließen, dass die Ölhausse vor allem in fundamentalen Daten begründet liegt. An diesen wird sich vorerst nichts ändern: Solange die Weltwirtschaft expandiert, steigt die Energienachfrage. Gemäß Lombard Street Research steigt sie etwa in China um ein Prozent, wenn das Bruttoinlandprodukt um ein Prozent wächst. In Europa und den USA, wo die Wirtschaft weniger energieintensiv ist, werden mit gleichem Wachstum 0,4 Prozent mehr Öl benötigt.

Konjunkturdrosselung

Fest steht, dass die Energieverteuerung kommendes Jahr die Nachfrage bremsen und damit das Tempo der Konjunktur drosseln wird. Doch selbst wenn der hohe Ölpreis in erster Linie Ausfluss der guten wirtschaftlichen Entwicklung ist, stellt sich die Frage, wann seine Verteuerung selbst zu einem Konjunkturrisiko wird. Das gilt auch für Unternehmen – es sei denn, sie können die Preiserhöhungen weiterreichen, wobei am Ende der Verbraucher mehr bezahlen wird. Hier spielt die Nachhaltigkeit der Verteuerung eine zentrale Rolle. Diese Nachhaltigkeit war bis vor nicht allzu langer Zeit in Frage gestellt worden.

Wächst die Gesamtwirtschaft und damit das Einkommen ausreichend, werden solche Preiserhöhungen akzeptiert. Die Nachfrage bricht deshalb nicht ein. Diese günstige Situation ist jedoch nur in Fernost und Ozeanien vorzufinden. West- und Osteuropa sind davon weit entfernt. Dort drohen die empfindlichsten Wachstumseinbußen. Zwischen diesen beiden Extremen befinden sich die USA. Die Wirtschaft expandiert beachtlich, Konsum, Investitionen, Produktion weisen allesamt nach oben. Allerdings helfen die Zentralbank, mit einer sehr expansiven Geldpolitik, und die Regierung, mit nicht weniger großzügigen Steuersenkungen, kräftig mit.

Ökonomen uneinig – der Ölpreis nicht!

Die Ökonomen der großen Banken hatten für das Jahr 2005 wieder einen kräftigen Preisverfall in Aussicht gestellt. Inzwischen scheint sich hier aber ein deutlicher Meinungswandel einzustellen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine namhafte Bank ihre Ölpreisprognose nach oben revidiert. Allerdings tut sich die Zunft extrem schwer damit, den wachstumsdämpfenden Effekt des steigenden Ölpreises zu quantifizieren. In den Analysen der Finanzinstitute kommt jedoch zumeist nicht mehr zutage als eine vorsichtige Standardformulierung à la "Mit einem deutlichen Rückgang des Preises ist vorerst nicht zu rechnen."

Dabei führen sämtliche Faktoren – Krise im Nahen Osten, politische Unsicherheit durch die Hydra Terrorismus, expansive Wirtschaftszahlen durch die Lokomotiven Indien und China, machtlose Opec und noch einige mehr – nüchtern betrachtet und pragmatisch nach der „1+1=2“-Methode nur zu einem einzigen Schluss: Der Ölpreis wird uns noch weitaus mehr Kopfzerbrechen bereiten als gemeinhin und von (Finanz-)Politikern angenommen. Deswegen müssen wir uns eher auf 100 Dollar je Fass Rohöl gefasst machen, als mit moderaten Preisen aus einer nicht nur in diesem Sinne gar nicht so üblen Vergangenheit!
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