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Alt 14-10-2004, 10:57   #776
OMI
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ich hoffe sehr, DU bist bis heute Long geblieben


[ Donnerstag, 14.10.2004, 10:06 ]

Forex-Report: Euro-Break und -Rebreak
Von Folker Hellmeyer


Der Euro eröffnet heute morgen bei 1.2350, nachdem gestern Tiefstkurse im Bereich von 1.2225 markiert wurden. Mit dem Unterschreiten der Unterstützung bei 1.2280 war der leicht positive Bias zunächst neutralisiert. Durch den dann einsetzenden Anstieg über 1.2340 wurde der leicht positive Bias erneut eingeleitet. Nennen wir die Aktion „Stop-Loss Hunting“ oder Volatilität und Nervosität. Der USD hat gegenüber dem JPY unwesentlich verloren und notiert aktuell bei 109.70, obwohl das japanische Verbrauchervertrauen mit einem Rückgang auf 46,1 Punkte nachhaltig enttäuschte.

Marktteilnehmer führten die Devisenmarktkapriolen auf die Entwicklungen an dem Ölmarkt zurück. Der Ölpreis kam zunächst deutlich unter Druck, was sich auf den USD positiv auswirkte. Diese Argumentation verfängt jedoch nicht, wenn man die bisherige Argumentationskette der Analysten unterstellt, dass steigende Ölpreise zu erhöhter USD- Nachfrage führen und die USWirtschaft weit weniger sensitiv auf Ölpreisschwankungen reagiert als die japanische oder europäische Wirtschaft (Wir teilen diese Meinung nicht! – Wir reden von dem Mainstream Konsensus!). Im Zuge des Nachmittags kam es dann erneut zu deutlichen Befestigungen des Ölpreises und daraus res ultierend zu USD-Schwäche.

Die harten Fakten des Ölmarkts belegen für die USA, dass der Verbrauch im Vorjahresvergleich im September um 3 % gestiegen ist und die Produktion um 15 % gefallen ist und damit den schwächsten Wert seit 50 Jahren markiert. Die Lagerhaltung ist in den USA für eine Vorwinterperiode auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Nachfrage in Asien ist unverändert nachhaltig und expandiert. Die Produktion bleibt belastet durch geopolitische Risiken (Nahost), ethnische Risiken (Nigeria), Tarifrisiken (Norwegen), Wetterrisiken (Golf von Mexiko) und politische Risiken (GUS-Staaten). Dieser Gesamtcocktail an Angebots - und Produktionsdaten bietet Phantasie für marktkonforme technische Korrekturen am Ölmarkt, er offeriert jedoch keinen Ansatz für eine Trendwende!

Laut ersten Meinungsumfragen hat Senator Kerry im letzten Fernsehduell gegen Präsident Bush die bessere Performance abgeliefert. In innenpolitischen Themen bot sich im Hinblick auf öffentliche Defizite, zunehmende Verarmung und die abnehmende Konjunkturdynamik für Kerry ein weites Feld, das er erfolgreich beackerte. Marktwirkung ging von dem Duell nicht aus.

Gestern standen lediglich der wöchentliche „Mortgage Application Survey“ in den USA auf der Agenda. Der Gesamtindex fiel von 724,8 auf 658,2, den tiefsten Stand seit dem 27. August. Der Refinanzierungsindex brach um 14,2 % ein und signalisiert damit weniger Subvention für den US-Verbraucher aus Extraktion der Substanz des Immobilienvermögens.

Heute stehen US- Daten im Mittelpunkt. Das Handelsbilanzdefizit per August wird mit einem leichten Anstieg gegenüber dem Vormonat von 50,1 Mrd. USD auf 51,4 Mrd. USD prognostiziert. Vertreter der Fed haben zuletzt darauf hingewiesen, dass sich das Defizit noch ausweiten könnte. Im Hinblick auf das Def izit erachten sie eine weitere Abwertung des USD für erforderlich, um eine Besserung der Gesamtsituation einzuleiten. Der Druck der Fed in Richtung eines schwächeren USD nimmt zu. Die Tatsache, dass G-7 vor kurzem in Washington keine neuen Akzente bei diesem Thema setzen konnte, belegt, dass die Interessenlage von G-7 nicht mehr homogen ausfällt, sondern zunehmend heterogener Natur ist. Damit nimmt die Fähigkeit der Steuerung der Finanzmärkte über Verbalakrobatik als auch die Bedeutung von G-7 ab.

Selbstredend ist die aktuelle Position der Fed angreifbar. Die Abwertung des USD von EUR-USD 0,82 auf in der Spitze 1,29 ging einher mit latent nachhaltig steigenden Handels- und Leistungsbilanzdefiziten auf historische Höchstwerte. Die Regel, dass eine Abwertung der Heimatwährung zu einer Normalisierung der Handelsbilanz führt gilt nur für ausgewogen aufgestellte Volkswirtschaften. Da seit Jahrzehnten die USA von Produktionsstätten entkernt werden, gilt diese Regel für die USA nicht. Hier bedeutet ein fallender USD, dass für stabile Importmengen mehr USD aufgewendet werden müssen und von daher die Handelsbilanzdefizite zunehmen. Lediglich eine Rückführung der Produktionsstätten in die USA kann diese Situation heilen. Eine derartige Entwicklung ist nicht im Ansatz erkennbar. Im Gegenteil findet latent weitere Auslagerung statt. Wir halten negative Überraschungen bei der Handelsbilanz für durchaus möglich!

Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe runden heute das Bild ab. In der Vorwoche gab es eine Verbesserung auf 335.000. War das lediglich ein Ausreißer? Die Ankündigungen von Unternehmen implizieren zunehmende Belastungen am US-Arbeitsmarkt. Diesbezüglich mag der Konsensus von 340.000 Anträgen durchaus als optimistisch eingestuft werden.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das erneut den Euro leicht favorisiert. Lediglich ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1.2250 neutralisiert den leicht positiven Bias. Ein Überwinden des Widerstands bei 1.2450 auf Tagesschlussbasis erhöht das Aufwärtsmomentum deutlich.


Folker Hellmeyer ist Chef-Volkswirt der Bremer Landesbank..

Quelle: instock
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