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Alt 11-11-2004, 19:16   #77
Starlight
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Gute und schlechte Auswirkungen des schwachen Dollars

Die Amerikaner sind ein recht kurzsichtiges Volk. Viele haben ihr eigenes Land nie verlassen, und entsprechend wissen nur wenige um die Relevanz einer starken oder schwachen Währung. Zurzeit handelt der Dollar auf dem schwächsten Niveau seit neun Jahren, und Amerikaner müssen mit den Folgen leben.

Woher der schwache Dollar kommt, ist unter Experten unumstritten. Präsident Bushs Haushaltspolitik hat zu einem hohen Handelsdefizit geführt. Während dies in früheren Jahren kein Problem war, da sich einerseits Staatsanleihen gut verkaufen ließen und andererseits Ausländer immer an Investitionen in den USA interessiert waren, hat sich die Lage heute geändert.

Die niedrigen Zinsen – auch nach der vierten Zinsanhebung durch die Fed in dieser Woche notiert der inflationsbereinigte Realzins nur bei null Prozent – vergraulen ausländische Anleger zunehmens, und US-Staatsanleihen sind eigentlich nur noch in Japan gefragt. Und auch dort lässt der Trend nach.

Langfristig folgt aus einem schwachen Kurs nun, dass die Zinsen wieder steigen müssen. Das könnte einer sich nur schwach erholenden amerikanischen Konjunktur schaden, denn die hatte sich zuletzt gut an die unterstützende Haltung der Notenbank gewöhnt. Man wird aber in den sauren Apfel beißen müssen, denn die Folgen eines anhaltend schwachen Dollar dürften viel schwerer wiegen:

Amerikanische Hersteller leiden nicht nur unter hohen Rohstoffpreisen auf einem wankelmütigen Ölmarkt. Vielmehr ist im letzten Jahr alles teurer geworden, was aus dem Ausland kommt, und dazu gehören Computerteile und Unterhaltungselektronik genauso wie Autos, Spielzeug und Kleidung. Amerikanische Importeure – ob Verkäufer oder die weiter verarbeitende Industrie – haben die Wahl: Sie können höhere Preise an den Verbraucher weitergeben und Umsatzeinbußen provozieren, oder sie schlucken die höheren Preise und sehen die Margen sinken.

Natürlich hat jede Medaille zwei Seiten, und der schwache Dollar wird von einigen Unternehmen sehr geschätzt. Das sind vor allem die Export-Firmen, deren Produkte im Ausland erschwinglicher werden und an Marktanteil international zulegen können. Zu den größten Profiteuren eines schwachen Dollars gehört der Dow-notierte Konsumriese Procter & Gamble, der für das abgelaufene Quartal ein Auslandswachstum von 3 Prozent sah, das man ausschließlich auf die Wechselkursschwankungen schiebt.

Der Verbraucher kann Kursschwankungen vor allem im Urlaub im Ausland nachvollziehen, und während die Amerikaner – aufgrund ihrer erwähnten Auslands-Scheu – kaum Nachteile im Reiseverkehr sehen, profitiert die heimische Toursimus-Branche. Urlaub in den USA war selten so billig, vor allem aus Europa dürften zu Weihnachten und dann wieder im Sommer 2005 riesige Scharen strömen.

Nun wird zwar Geldpolitik nicht mit Rücksicht auf den Tourismus und die Rasiererverkäufe von P&G gemacht, doch scheint der Dollar auf absehbare Zeit erst einmal schwach zu bleiben. Experten sehen keine Anzeichen für eine Trendwende, und Währungshändler wie Ashraf Laidi von der MG Financial Group rechnet zum Jahresende mit einem Wechselkurs von 1,31 bis 1,32 Dollar für den Euro.

Es gibt auch nur wenige Szenarien, die dem Dollar kurzfristig helfen könnten. Dazu gehört ein sinkender Ölpreis, der das Handelsdefizit einschränken könnte. Auch ein Signal aus Wahsington, das auf künftige Haushaltsdiziplin schließen ließe, würde die Lage entspannen. Vor allem letzteres ist nach der Wiederwahl von George W. Bush aber nicht gegenen: Der Präsident hat in seiner ersten Amtszeit keine einzige Kosten verursachende Initiative mit dem ihm zustehenden Veto gestoppt.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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