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Alt 22-11-2004, 19:26   #85
Starlight
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Bushs Wahlsieg macht der Wall Street keine Freude

Ende November sollten die jüngsten Präsidentschaftswahlen eigentlich schon Geschichte sein, zumal an der stets nach vorne blickenden Wall Street. Das Gegenteil ist der Fall: Eine neue Studie vom Gallup-Institut sorgt dafür, dass auch zu Beginn der neuen Woche wieder über Bush und Kerry und die Wahl vor drei Wochen diskutiert wird.

Anlass zu einer näheren Untersuchung der Umstände war ein Blick auf das Anlegervertrauen, das in den letzten Wochen deutlich unter den Erwartungen notiert. Der interne Stimmungsindex der Wall Street notiert nach der Wahl nur minimal über dem Stand der Vormonate und deutlich unter den Vorjahreswerten. Dabei, so sollte man annehmen, hat die mehrheitlich pro Bush gestimmte Börse doch ihren Willen bekommen.

Auf den zweiten Blick stellt sich die Situation nicht so klar dar. Unter den politisch interessierten Wall-Street’lern – neun von zehn haben gewählt – haben sich 52 Prozent für George W. Bush entschieden und 41 Prozent für John F. Kerry. Im Nachhinein bereut man das vielleicht, wie die Umfragen von Gallup zeigen:

Danach glauben nur 47 Prozent der Befragten an der Wall Street, dass der Wahlsieg der Republikaner einen positiven Effekt auf die konjunkturelle Entwicklung habe. 35 Prozent glauben, dass sich das ganze negativ, 17 Prozent glauben, dass es sich gar nicht auswirken werde. Auch in Bezug auf das Anlageklima glauben nur 49 Prozent und damit weniger als die Hälfte an positive Auswirkungen des Bush-Sieges.

Ganz und gar nicht überraschend sind die fünf wichtigsten Punkte, die man an der Wall Street für „schlecht für Konjunktur und Aktien“ hält. Da steht allem voran der hohe Ölpreis, den 62 Prozent als gravierend bezeichnen. 57 Prozent sorgen sich um die Arbeitsmarktpolitik und deren Auswirkungen auf die Konjunktur, und jeweils knapp unter 50 Prozent sorgen sich um das Defizit, den Irakkrieg und den fast vergessenen Dauerbrenner der Finanz- und Bilanzskandale.

Die Studie lässt sich nun wie folgt zusammenfassen und interpretieren: Die Wall Street hat Bush gewählt, da dessen Steuerpolitik den Unternehmen – und damit den Aktien – hilft. Darüber hinaus hat die Mehrheit alles ausgeblendet, was eine konjunkturelle Erholung und einen wirtschaftlich gesunden Staat auszeichnen würde.

Dass die Bush-Doktrin mit Steuersenkungen für die Oberschicht und anderen Maßnahmen zugunsten der Konzerne und zu Lasten der Allgemeinheit die Schwierigkeiten erhöht, in denen man zurzeit steckt, scheinen viele erst jetzt zu realisieren. Den Arbeitsmarkt erwartet man auch künftig schwach, die Durchschnittsgehälter niedrig – damit ist das zuletzt häufig beschworene Problem offensichtlich: Der Markt kann dauerhaft nur gesunden, wenn es auch dem Verbraucher gut geht. Denn der steht letztlich hinter der Nachfrage nach US-Gütern und -Dienstleistungen.

Die Bush-Rallye der letzten Wochen dürfte man damit ad acta legen, sie ist Geschichte.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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