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Alt 07-12-2004, 07:14   #95
Starlight
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Das Geschäft mit dem Weihnachtsmann

Vor Weihnachten rieselt nicht nur leise der Schnee, auch größere Batzen Geld scheinen Jahr für Jahr vom Himmel zu fallen – manche Unternehmen machen Millionen, und zwar völlig unabhängig davon, ob das Fest der Feste in einen guten oder schlechten Konjunkturzyklus fällt.

Das liegt zumindest zu einem guten Teil an dem typisch amerikanischen Hang zur Selbstdarstellung. Da mag es der christlichen Tradition widersprechen, doch rüsten Nachbarn in den ganzen USA jedes Jahr nach Thanksgiving zu einem fast schon unheimlichen Wettbewerb. Kaum steht in einem Neubaugebiet ein drei Meter hoher aufblasbarer Schneemann, setzt der Nachbar einen vier Meter hohen Weihnachtsmann dagegen. Dann kommt ein sechs Meter hoher Kollege flankiert von zwei Rentieren, letztere blinken aus hunderten kleiner Lichter und wackeln mit dem Kopf.

Unter den weiteren Weihnachtsgästen in amerikanischen Vorgängen: Der allseits beliebte Pinguin – schließlich wohnt Santa am Nordpol! – oder Pooh-Bär als Weihnachtsmann, Minnie Maus als Elfe und natürlich Rudolf, das Rentier mit der roten Nase, das mal alleine im Garten leuchtet und mal von den acht Kollegen (Donner, Blitzen, Cupid…) begleitet wird.

An den Häusern hängen dazu hunderte und tausender kleiner Lichter, und die Weihnachtsschmuck-Industrie lacht sich ins Fäustchen. Die Wachstumsraten für die Industrie lassen sich höchstens mit dem einstigen Erfolg der Internet-Startups vergleichen. Wenngleich Weihnachten ein sehr altes Fest ist, so ist der Drang zum Lichterprotz nämlich eher neu. Der kleine Weihnachtsschmuck-Hersteller Christmas Decor aus Texas hat seinen Kundenstamm zuletzt von 300 vor acht Jahren auf mittlerweile 32 000 anwachsen sehen. Christmas Done Bright, ein Unternehmen aus Tennessee, schätzt den diesjährigen Umsatz auf mehr als eine Million Dollar, vor zehn Jahren kamen gerade einmal 42 000 Dollar rein.

Über solche Zahlen vergisst der Unternehmer gerne einmal, dass die aufwändigen Dekorationen US-weit für mehr Streit als Weihnachtsfreude sorgen: In Kalifornien musste ein Ehepaar seine 150 000 Dollar teure Deko auf Drängen der Nachbarn abstellen, denen der Touri-Verkehr zuviel wurde. In Arkansas setzte sich sogar der Supreme Court dafür ein, dass ein Weihnachts-Fan eine Beleuchtung mit mehr als drei Millionen kleinen Lichtern entfernen musste – auch hier hatten Nachbarn geklagt, die in tagheller Nacht keinen Schlaf mehr finden konnten.

Weihnachtsgeld lässt sich indes nicht nur mit beleuchteten Weihnachtsmännern machen, der echte Santa bringt ja viel mehr. Zwischen neun und dreißig Dollar nämlich zahlen stolze Eltern, um ihre Kids auf dem Schoß des Bärtigen fotografiert zu haben – keine Einkaufsmeile in Amerika lässt sich diesen lukrativen Spaß entgehen. Anhand von Zahlen aus dem letzten Jahr schätzt der Einzelhandelsverband ISCS, dass in 1800 Malls in den USA jeweils 7720 Kinder den Weihnachtsmann besuchen – satte 35 Millionen Dollar kommen so pro Saison zusammen.

Auswirkungen hat das natürlich auch auf den Arbeitsmarkt. Cherry Hill, einer der größten Santa-Vermittler im Land, hält 75 ganzjährig angestellte und hat in dieser Saison mehr als tausend Zeitarbeiter in den roten Anzug gesteckt. Die machen jeweils zwischen 15 000 und 20 000 Dollar – und wo sie schon den ganzen Tag in der Mall sitzen, werden sie auch ein wenig davon wieder in den Einzelhandel pumpen.

Darüber freuen sich Mall-Betreiber ebenso wie die eingemieteten Einzelhändler von Macy’s über Best Buy bis hin zu Victoria’s Secret, dem Walt-Disney-Store und Barnes & Noble. Deren Wunsch nach einem starken Geschäft in den nächsten drei Wochen kann ihnen indes auch der fotogenste Weihnachtsmann nicht erfüllen.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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