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Alt 03-01-2005, 21:06   #117
Starlight
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Wall Street: Der Januar hat's in sich

Von Anfang November bis Ende Januar regnet es an der Wall Street für gewöhnlich Geld, verspricht eine alte Börsenweisheit. Die drei Monate gelten in Sachen Perfomance als unschlagbar. So rosig insbesondere der Januar historisch betrachtet auch sein mag, birgt der erste Monat des neuen Jahres doch große Tücken.

Geht es in den ersten fünf Handelstagen des neuen Jahres an der Wall Street abwärts, bringt auch das Gesamtjahr den Börsianern keine Freude. Schliesst gleich der ganze Januar mit Kursverlusten ab, kündigt sich für den S&P-500-Index entweder die Fortsetzung oder der Beginn eines Bärenmarktes an. Einem schwachen Jahresauftakt folgte seit 1971 immer ein ebenso schwaches Gesamtjahr.

Der Bullenmarkt der vergangenen zwei Jahre ist mit den Boomjahren der End-90er sicher nicht zu vergleichen. Was das aktuelle Marktumfeld betrifft, gibt es trotzdem interessante Parallelen. Damals wie heute stehen insbesondere die HighTechs hoch im Kurs. Fast 400 Prozent legte der Internet HOLDRS Index in den letzten zwei Jahren zu.

So scheint es dann auch kaum erstaunlich, dass Google zum erfolgreichsten Börsengang des Jahres 2004 aufsteigt. Über 130 Prozent legten die Aktien seit dem Startschuss zu. Geht es nach Goldman Sachs, ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. Die Investment-Bank hebt die Gewinn- und Umsatzziele für das vierte Quartal an. Angefacht wird das Wachstum durch die erholten Werbeeinnahmen.

Dass sich Euphorie breit macht, zeigt nicht nur das auflebende Interesse an Börsengängen, auch die boomenden „Pfennig-Aktien“, die unter fünf Dollar notieren, signalisieren ein ungesundes Maß an Optimismus. Die Partylaune der Börsenbriefe kennt anscheinend keine Grenzen. Was die Stimmung der Herausgeber betrifft, werden selbst die hohen Niveaus von Anfang 2000 übertroffen.

Einer der Gründe, weshalb Byron Wien von Morgan Stanley zur Vorsicht mahnt. Übertrieben hoher Optimismus, steigende Zinsen und überhöhte Lagerbestände dürften dem Aktienmarkt in diesem Jahr schwer im Magen liegen.

Geht es nach dem Investment-Strategen, wird die Wall Street in 2005 auf der Stelle treten. Anhaltende internationale Spannungen, der schwache Dollar und die überschuldeten Verbraucher dürften das relativ robuste Konjunkturumfeld überschatten. Wer auf moderate Zinsanhebungen hofft und einen nur langsamen Rückgang des Dollars erwartet, setzt auf das falsche Pferd.

Auf Wiens Liste der zehn möglichen Überraschungen des Jahres 2005 steht die amerikanische Währung oben an. Obwohl die Bush Administration an der Politik eines festen Dollars festhält, sackt der Greenback gegenüber dem Euro auf 1,50 ab. Zur großen Überraschung der Börsianer weitet China die Handelsspanne des Yuan nicht aus.

Schlechte Karten werden auch Vladimir Putin prognostiziert. Der russische Präsident fügt sich dem Druck des Volkes und dankt ab. Ausgelöst durch einen schwachen Rubel und eine abrutschtende Konjunktur verliert der russische Aktienmarkt im Jahresverlauf 25 Prozent.

Byron Wien hängt sich mit all diesen düsteren Prognosen weit aus dem Fenster. Die Trefferquote der berüchtigten Liste liegt wohlgemerkt bei nur 33 Prozent. Warum sich also Sorgen machen? Schon seit 1885 schlossen Börsenjahre mit einer fünf am Ende immer freundlich.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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