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Alt 19-01-2005, 19:09   #133
Starlight
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Die US-Firmen sind der Konjunktur davongeeilt

Am Ende landet man doch immer wieder bei Ford. Bei Henry Ford, wohlgemerkt. Vor etwa hundert Jahren stutzte dieser die Arbeitszeit seiner Angestellten auf fünf mal acht Stunden pro Woche und verdoppelte den Lohn. Das kurbelte den Auto-Absatz an – und ist in etwa das Gegenteil dessen, was die Märkte dieser Tage bewegt.

Der gute Henry Ford wäre wohl schockiert, wenn er die letzten paar Börsenjahre analysieren müsste. Kurzsichtig wurde da gedacht, und die Gier auf den schnellen Dollar hat jedem stabilen Wachstum die Basis entzogen. Die aktuelle Quartalssaison belegt das wieder einmal.

Abgesehen von ein paar guten Hightech-Zahlen – die Chip- und Internetwerte laufen wirklich stark, sind aber wenig konjunkturrelevant – fallen die Zahlen zum abgelaufenen vierten Quartal eher schwach aus. General Motors, um einmal branchennahe an Ford zu bleiben, hat zwar die Erwartungen geschlagen, blickt aber erneut auf dramatische Umsatz- und Gewinneinbrüche, und für das angebrochene erste Quartal stellt man gerade einmal einen Breakeven in Aussicht. Bei den Banken lassen die Geschäfte zu wünschen übrig, der Pharmasektor wankt… alles in allem ist die Lage in Corporate America flau.

Bei näherem Hinsehen indes ist das kein Wunder. Seit Beginn der aktuellen Erholungsphase vor immerhin drei Jahren ging es mit den Unternehmensgewinnen steil bergauf – viel steiler, als es das konjunkturelle Umfeld unter normalen Umständen zugelassen hätte. Mit Gewinnsteigerungen im zweistelligen Prozentbereich kam so mancher wirtschaftlich übergeordnete Indikator nicht mehr mit.

Was nutzt es beispielsweise, wenn Produktivitätssteigerungen vor allem auf Kosten der Arbeitnehmerschaft gehen. Den Produktausstoß zu halten und immer mehr Mitarbeiter zu entlassen mag einem Unternehmen – wie beispielsweise GM – eine Zeit lang starke Zahlen bescheren. Doch mehr und mehr Arbeitslose können sich weniger und weniger Autos leisten. Mittlerweile kann GM trotz gigantischer Rabatte kaum noch Wagen absetzen.

Zur Erinnerung: In den Achtziger- und Neunzigerjahren waren steile Produktivitätszuwächse vor allem auf technische Neuerungen zurückzuführen und nicht bloß auf radikale Kostensenkungen.

Auch andere Probleme belasten Corporate America: Die Produktionskosten steigen für zahlreiche Unternehmen. Der schwache Dollar wirkt sich auf den Import von Rohstoffen verheerend aus, und die steigenden Zinsen tragen zu der Tendenz ein Übriges bei.

Für die Wall Street kommt erschwerend dazu, dass die meisten Anleger recht einseitig auf Quartalszahlen blicken. Zahlreiche auch von Analysten oft herangezogene Vergleiche hinken und ergeben nicht gerade ein optimistisches Bild: Das Umsatz- und Gewinnwachstum beispielsweise, das in den vergangenen beiden Jahren recht stark war, kann nicht auf diesem Niveau bleiben. Denn die Vergleichszahlen werden immer schwerer zu schlagen sein. Ein Umsatzplus von zehn Prozent nach einem verheerenden Jahr 2000 mag für manchen Konzern ein Leichtes gewesen sein; ein Umsatzplus von zehn Prozent auf ein deutlich besseres Jahr 2004 ist eine andere Herausforderung.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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