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Alt 14-02-2005, 14:23   #47
621Paul
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Montag, den 14.02.2005

Die ultimative Provokation

Was ist die größte Provokation, die man heutzutage überhaupt begehen kann? Gibt es aktuell überhaupt noch einen Weg, so richtig zu provozieren? Lange Haare, Glatzenschnitt, Death Metal Musik, Brustimplantate – alles langweiliges Zeug. Gähn, haben wir gehabt, war schon gewesen. Es scheint nur noch eine echte Provokation zu geben – und dass ist, für die gegenwärtige US-Regierung zu sein und das augenblickliche Wirtschaftsverhalten in den USA zu loben. Doch muss eine gute Provokation natürlich fachlich solide untermauert sein.

Also los:

Die Sparquote in den USA ist auf 1 Prozent abgesunken, lautet der Kanon aller „Wirtschaftsexperten“ hierzulande. Die USA sparen nicht mehr, sondern konsumieren nur noch und leben unsäglich über ihre Verhältnisse. Lange kann das nicht gut gehen.

Das klingt zwar plausibel, ist jedoch völlig falsch. Denn die wirklichen Ersparnisse in den USA liegen gegenwärtig bei 18 % des BIP. Sie setzen sich nur anders zusammen als in unserem Lande, wo sie ebenfalls bei 18 % liegen. In den USA betragen die privaten Ersparnisse tatsächlich bei nur etwa 1 % des BIP, wohingegen wir etwa 10 % ausweisen. Doch daraus eine Überlegenheit des Deutschen Modells zu folgern, könnte falscher nicht sein.

Dazu folgende Überschlagsrechnung: Die Ersparnisse in jeder Volkswirtschaft müssen immer der Höhe der Investitionen entsprechen und setzen sich aus den Ersparnissen der privaten Haushalte, der Unternehmen, des Staates und (in Höhe des Außenbeitrages) des Auslandes zusammen.

In den USA ergibt sich dabei: Haushalt + 1%, Staat – 4%, Ausland +4%. Daraus folgt, dass in etwa 17 % des BIP im Unternehmenssektor gespart werden, hauptsächlich durch Lagerinvestitionen und nicht ausgeschüttete Gewinne, Rückstellungen und sonstige Eigenkapitalaufstockungen.

In Deutschland sparen die privaten Haushalte ungefähr 10 %, der Staat entspart 4 % und in das Ausland werden netto etwa 4 % exportiert, so dass auf das Unternehmenslager etwa 8 % entfallen.

In der Quintessenz bedeutet das: Während hierzulande die Unternehmen für ihre Investitionen etwa die Hälfte ihrer Mittel als Fremdmittel einwerben müssen, stehen den US-Unternehmen praktisch die gesamten Finanzierungsmittel als Eigenmittel zur Verfügung. Die Investitionen in den USA können daher viel unproblematischer durchgeführt werden als bei uns, wo alle Investmittel erst aufwändig und problembehaftet über Bankkredite und Ähnliches beschafft werden müssen.

Im Gegensatz zur öffentlichen Meinung zeigt eine niedrige Sparquote der privaten Haushalte in Verbindung mit einer hohen Gewinnquote der Unternehmen also keine Schwäche, sondern die Stärke einer Volkswirtschaft an. Die Unternehmen müssen viel verdienen; nicht die Haushalte müssen viel sparen. Dann flutscht es auch in der Wirtschaft. Ginge es nach unseren deutschen Vorstellungen, dann wären die Amis bald ebenso lahme Enten wie wir. Doch glücklicherweise geht es danach ja nicht.

berndniquet@t-online.de
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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