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Alt 10-03-2005, 12:41   #517
Benjamin
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Hallo Goldfisch,

die Leute von der EIA sollten es wissen - aber die Daten erstaunen mich doch. Wer soll denn diese enormen und weiter steigenden Ölmengen zu den dann künftig herrschenden höheren Preisen noch bezahlen? Denn es wird ja beides gleichzeitig steigen: Menge und Preis. Das wäre ein Teufelskreis für die Gesellschaft, der hier gezeichnet wird. Mein Gegenargument: Komplexe und freie Wirtschaften tendieren dazu, so einen Teufelskreis auch komplex zu lösen.

Also, ich bin kein Ölexperte, aber rein von der Logik her kann ich mir eher vorstellen, dass der langfristig immer weiter steigende Preis/Barrel von den Abnehmern dadurch kompensiert werden wird - und muss, dass immer mehr Technologie (Energie-Effizienz) eingesetzt werden wird. Das müßte aber wiederum dazu führen, dass die Mengen langfristig eher abnehmen, als nach dieser Darstellung zu erwarten wäre - die ja wohl eine reine Datenfortschreibung ist.

Mit anderen Worten: Wenn die durchschnittlichen Jahresenergiekosten je 1 Mio Bewohner sich langfristig nicht dramatisch nach oben entwickeln können (da sind die Grenzen wohl auch global schneller erreicht als die Jahresfördergrenzen beim Öl), und wenn gleichzeitig der Preis/Barrel aber langfristig steigen wird (sagt Elliott ), dann MUSS die Jahresmenge runter, sonst wird bei mir da kein Schuh draus.

Die tatsächlich erschreckende Kurve nach diesem EIA-Szenario wird in der Grafik ja nicht einmal dargestellt: Wie nämlich dann die entstehende Kurve der Jahresenergiekosten je 1 Mio Einwohner der jeweiligen Region aussehen würde, insbesondere wenn man diese Kosten dann noch ins Verhältnis setzt zum (auf 1 Mio Bewohner normierten) Bruttojahresinlandsprodukt der jeweiligen Region. Die Message der Grafik + dieser hier nur beschriebenen Kurve muss für jeden Volkswirtschaftler mit Vorstellungskraft und Phantasie doch unerträglich sein - vermute ich - und daher auch über kurz oder lang Politiker + Unternehmer immer stärker auf den Plan rufen, einen Prozess der Ablösung fossiler Energieträger durch nachhaltige Energieerzeugungsweisen + Energieeffizienz immer stärker zu bearbeiten.

Das bedeutet ja nicht, dass die Leute weniger Energie später bekommen werden, aber diese muss aus preiswerteren Quellen kommen - oder am besten gar nicht benötigt werden - weil es sonst gar nicht mehr bezahlbar würde.

Die im oberen Chart nicht dargestellte Kurve der Jahresenergiekosten je 1 Mio Bewohner einer gegebenen Region wird vermutlich über die kommenden Jahre nicht dramatisch steigen, jedenfalls sollte der relative Anteil am Bruttoinlandsprodukt sich nicht dramatisch verändern - sonst würde es zu gesellschaftlich nicht mehr akzeptablen Spannungen kommen. Aber der Energiequellenmix wird sich ändern, aus dem diese Energie stammt. Evtl. fällt diese Kurve künftig sogar ab, indem Technologieänderungen den Energieverbrauch schneller kompensieren als die relativen Jahreskosten fossiler Energieträger steigen würden. Vor allem nachhaltige Energiequellen sehe ich genau wegen dieser Grafik viel schneller im Aufwind, als so manche sich das vorstellen können, siehe dieses Posting von mir:
http://www.traderboersenboard.de/sho...284#post182284

Diese Leute von der EIA hätten sich dann mit ihrer sicherlich sehr teuren Studie geirrt (wenn es gut ausgeht). Falls sie sich nicht irren sollten, werden wir noch weitere Kriege um Öl + Gas sehen, der Irak wird dann kein Einzelfall bleiben. Letzteres wäre allerdings auch ein Zeugnis dafür, dass manche Paradigmen wie das der Energieerzeugung selbst durch Marktkräfte nicht so leicht zu verändern wären.

Aber noch bin ich zuversichtlich: Wenn die maximal gesellschaftlich akzeptablen und überhaupt finanzierbaren Jahresenergiekosten je 1 Mio Einwohner erreicht sein werden, wenn das erreicht sein würde, dann dürften auch 1 Mio kleine Wege gefunden werden, damit umzugehen und neue Pfade zu beschreiten. Da bin ich noch recht zuversichtlich. Was wäre auch die Alternative?

Unternehmen, die die ersten Jahre dieses Prozesses maßgeblich mit gestalten können, sollten für jeden Anleger mit Langfristperspektive interessant sein. Ob die Öl- und Explorationsunternehmen + Energieversorgungsunternehmen dazu zählen werden - das wird man abwarten müssen. Die großen der Branche schwimmen ja schon seit Jahren im Geld und kümmern sich in ihren Nebenaktivitäten auch um Nachhaltigkeitsthemen. Evtl. kaufen die dann, wenn die Zeit dafür reif ist, mit ihrem vielen Cash diese kleinen Nachhaltigkeitsenergiefirmen einfach auf ? Das wäre wohl kaum zum Nachteil der Aktionäre dieser Übernahmekandidaten. Aber das ist Spekulation. Fest steht, dass entlang dieses Prozesses sich Technologie ändern wird, und Technologieänderungen bringen immer auch gute Profitmöglichkeiten. Das Ende des Zeitalters der fossilen Brennstoffe wird nicht kommen, weil kein Öl mehr da ist, sondern weil es zu teuer ist und durch billigere Alternativen ersetzt werden oder durch Technologie ganz vermieden werden kann. Es wird daher wohl auch in 100 Jahren und noch viel länger immer noch Öl geben - aber es dürfte dann ein Roherzeugnis ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung sein, ein ausgelaufenes Modell, etwas für's Museum und die Geschichtsbücher.

Ich meine daher, die Gemeinde der Ölfirmenfans sollte sich so allmählich (jedenfalls früher als in 100 Jahren ) ein zweites Standbein ins Depot holen - sicher ist sicher - denn schon lange vor Ablauf dieser 100 Jahre wird der Börsenwert von reinrassigen Ölfirmen beginnen zu sinken. Am Ende wäre er gleich Null. Unter dem oberen Link findet man dazu einige Ideen, was man vorher machen kann.

Geändert von Benjamin (10-03-2005 um 14:27 Uhr)
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