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Alt 25-03-2005, 10:05   #62
621Paul
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25.04.2005
Gegenwärtig diskutiere ich gerade mit dem Privatgelehrten Reinhard Deutsch die Situation des Weltwährungssystems. Deutsch hat in der vorletzten Ausgabe des „Smart Investors“ geschrieben, dass alle Experimente mit nicht metallgedecktem Geld in der Vergangenheit gescheitert sind. Ich habe dem entgegen gesetzt, dass alle Experiment mit metallgedecktem Geld ebenfalls gescheitert sind. Die gesamte Diskussion findet sich bei instock.de. Ich präsentiere hier ein paar Ausschnitte:

Deutsch:

„Bernd Niquet schreibt in seinem Statement: „Alle Experimente mit metallgedecktem Geld sind in der Vergangenheit ebenfalls gescheitert“ und veräppelt damit seine Leser. Amerika hat 1971 die Verpflichtung nicht erfüllt, seine Dollars jederzeit in Gold einzulösen. Wenn jemand seine Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt nennt man so etwas normalerweise Bankrott. Wenn ich mein Darlehen nicht zurückzahle, kann ich der Bank auch nicht erklären, es täte mir leid, ihr Geldexperiment sei halt gescheitert. Die Bank würde sich wohl ebenfalls veräppelt fühlen.“

Niquet:

„Ihr Ton ist harsch, Herr Deutsch. Ich veräppele also meine Leser. Doch ich bin ihnen nicht böse, ganz im Gegenteil, denn Sie bestätigen ganz trefflich das, was ich schon immer denke: Bei allen Auseinandersetzungen ums Gold geht es gar nicht primär um das Metall, sondern um irgendwelche tiefgreifenden Verletzungen. Ich sehe, dass wir seit dem II. Weltkrieg in der breiten Masse ein Wohlstandsniveau erreicht haben, das imposant und geschichtlich einmalig ist. Und wenn man hierzu einen Vertrag brechen musste, dann war das eine richtige Entscheidung. Wir haben auch viele andere Verträge mit der Tradition gebrochen, und das alles ist uns ziemlich gut bekommen.“

Deutsch:

„Da haben Sie die Sache mit der subjektiven Wahrnehmung sehr schön auf den Punkt lieber Herr Niquet. Sie sind also nicht verletzt, wenn man Ihnen durch Betrug und Vertragsbruch Ihre Lebensersparnisse nimmt. Etwa so, wie im Märchen vom Hans im Glück, der auch froh war, als er seinen Goldklumpen endlich los wurde. Eine solche Haltung ist vielleicht schön für Sie, aber normal ist das nicht. Nun wenden Sie ein, der Vertragsbruch sei gerechtfertigt, wenn dadurch für viele Menschen ein höheres Wohlstandsniveau erreicht würde. Aber diese Frage ist noch nicht entschieden.“

Niquet:

„Es ist doch nicht richtig, dass die Abkehr vom Metallstandard den Leuten durch Betrug und Vertragsbruch ihre Lebensersparnisse nimmt. Im Gegenteil: Die Abkehr vom Goldstandard hat erst (über den Wachstumsprozess) das Bild der ganzen Ersparnisse ermöglicht, über die wir jetzt reden. Lassen Sie es uns einmal ganz konkret auf den Punkt bringen: Stimmen Sie mir zu, dass der seit dem Krieg bei uns entstandene Wohlstand deutlich größer ist als er unter einer Goldwährung hätte entstehen können? Ja oder nein?“

Deutsch:

„Nun, die „ganzen Ersparnisse“, über die wir jetzt reden, bestehen ausschließlich aus Schulden (wenn wir Sachwerte, wie Immobilien und Aktien mal außen vor lassen). Es wurde in Schulden gespart. Geldvermögen kann heute nur noch ausschließlich in Form von Schulden aufgebaut werden. Jeder 500 Euro Schein, jede Anleihe, jeder Renten- und Pensionsanspruch, jedes Festgeldkonto und jedes Sparbuch ist ein undefinierter Schuldanspruch – ist lediglich ein Beleg, dass Ihnen irgendjemand etwas schuldet. Im Metallstandard konnten Sie Ihre Lebensersparnisse in Form von Gold sicher speichern. Gold ist keine Schuld sondern in Gramm klar definiertes Eigentum, ebenso wie ein Grundstück in Quadratmeter klar definiertes Eigentum ist. Wir können in unserem heutigen Geld nicht mehr sinnvoll sparen. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Natürlich hat erst die Abkehr vom Goldstandard diese riesigen Geldvermögen, über die wir reden, ermöglicht. In Gold hätte niemand solche Schuldversprechungen abgeben können. Um Ihre konkrete Frage zu beantworten, ob der seit dem Krieg bei uns entstandene Wohlstand nicht deutlich größer sei als er unter einer Goldwährung hätte entstehen können, so antworte ich klar mit NEIN. Unter einer Goldwährung wäre der Wohlstand wohl deutlich größer.“

Niquet:

„Es scheint mir, als wenn wir immer weiter auf den Kern der Dinge zusteuern. Aus meiner Sicht widersprechen Sie sich in ihrem letzten Beitrag heftig. Sie schreiben einerseits, dass erst die Abkehr vom Goldstandard die riesigen Vermögen, über die wir heute reden, ermöglicht haben. Und andererseits, dass unser Wohlstand nicht größer geworden ist, sondern vielmehr unter einem Goldstandard größer gewesen wäre. Wie das? Wir haben also größere Vermögen angehäuft, sind aber weniger wohlhabend. Das ist schon ein erstaunlicher Befund.

Und was mich an ihrer Sichtweise am meisten erstaunt, ist, dass Sie anscheinend die Konsequenz ihres eigenen Denkens noch gar nicht gezogen haben: Vermögens- und Wohlstandsmehrungen sind in ihrem System nur durch Goldfunde möglich, da alles Vermögen und aller Wohlstand nur dann substanzhaltig sind, wenn sie durch Gold gedeckt sind. Doch können Sie sich im Ernst vorstellen, in einem System zu leben, in dem man sich täglich abrackert, der Wohlstand jedoch nicht von dem abhängt, was man erschafft, sondern nur von dem, was man aus dem Boden ausbuddelt? Goldpreisänderungen (Anhebungen) kann es in ihrem System ja nicht geben, da es gar keinen Goldpreis gibt, weil das Gold selbst das Geld ist und daher immer einen Preis von 1 hat. Und selbst wenn man theoretisch so etwas denken würde, dann würde eine Goldpreisanhebung ja eine Inflation bedeuten, was wiederum per definitionem ausgeschlossen ist.“

Deutsch:

„Was Sie schreiben, ist so schief, dass ich gar nicht weiß, wie ich es wieder gerade rücken soll. Ich will es trotzdem mal versuchen – also. Geld ist kein Wohlstand. Mehr Geld bedeutet nicht mehrt Wohlstand. Das ist ja der große Irrtum im aktuellen Geldsystem, dass man glaubt, man könne durch Erzeugen von zusätzlichem Geld zusätzlichen Wohlstand erzeugen. Wohlstand kann man nicht drucken. Auch durch das Ausbuddeln von zusätzlichem Gold wird kein zusätzlicher Wohlstand erzeugt. Wir haben genug Gold, um es als Geld zu nutzen. Es muss nicht ein einziges Gramm Gold zusätzlich ausgebuddelt werden. Die Geldmenge kann und sollte für immer konstant bleiben und sich nicht mehr verändern und trotzdem kann der Wohlstand ständig wachsen, nämlich durch Produktion und Sparen (Konsumverzicht). Aber sparen eben nicht in Form von Geld als Schuld, sondern in Form von Eigentum an Realkapital (Häuser, Fabriken, Maschinen, Straßen, Brücken etc.). Ich stelle fest, dass wir in diesen elementaren Dingen viel weiter auseinander sind, als ich dachte.“

Niquet:

„Also, so einfach kommen Sie aus dieser Sache jetzt nicht mehr heraus. Wer ein neues System der Wirtschaftserklärung liefern will, dessen Denken muss folgerichtig, widerspruchsfrei und in sich geschlossen sein. Das ist bei ihnen jedoch nicht der Fall. Ich werde ihnen jetzt aufzeigen, wo die Widersprüche liegen: Wohlstand entsteht für Sie durch Produktion und Konsumverzicht (Sparen). Gespart wird in Form von Eigentum an Realkapital. Und die Geldmenge bleibt konstant und ist durch Gold gedeckt. Das ist ihr Weltbild, wenn ich richtig verstehe, was Sie schreiben.

Doch das passt nicht zusammen. In einer Geldwirtschaft kann nicht in Realkapital gespart werden. Haushalte sparen nicht in Form von „... Häuser(n), Fabriken, Maschinen, Straßen, Brücken ...“, wie Sie es schreiben. Sie sparen in Geld. Doch wenn die Geldmenge an das Gold gebunden ist, dann ist sie nur durch Goldfunde oder durch Goldpreisaufwertungen ausdehnbar. Beides gibt es bei ihnen jedoch nicht – beziehungsweise kann es nicht geben. Die Geldmenge muss also konstant bleiben. Durch das angesammelte gesparte Vermögen wird jedoch immer mehr Geld in Ersparnissen gebunden, so dass die Geldmenge bald völlig durch Ersparnisse aufgebraucht ist, die nicht mehr ausgeliehen werden. Das System ist also bereits nach ein paar Runden am Ende.“


Die Antwort von Reinhard Deutsch steht hierzu noch aus. Ich bin gespannt, wie er sich aus der Schlinge windet. Ich werde Sie in der nächsten Woche dazu informieren, falls Sie nicht Lust haben, nach Ostern die Diskussion im Original mitzulesen.

Zunächst einmal wünsche ich: Ein frohes Osterfest!

berndniquet@t-online.de
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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