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Alt 31-03-2005, 21:12   #188
Starlight
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Eine bittere Quartalsbilanz

Die Stimmung an der Wall Street ist gedrückt. In wenigen Stunden ist das erste Quartal zu Ende, und die Bilanz fällt alles andere als gut aus. Die großen Indizes notieren komplett im roten Bereich, Inflation droht, Manager fliegen, der Ölpreis steigt… und statistisch gesehen soll es für den Rest des Jahres auch noch bergab gehen.

Laut dem Börsen-Almanach ist zwar der April der beste Monat für die US-Börsen. In den letzten 55 Jahren hat der Dow im April durchschnittlich um 1,8 Prozent zugelegt, und im April 1999 war es, dass der Dow zum ersten und einzigen Mal überhaupt einen Monatszuwachs von mehr als tausend Punkten einfahren konnte.

Ob die nächste, gerade einmal 21 Tage lange Handelsetappe die Wall Street aber weit nach oben bringen dürfte, ist äußerst unklar. Vieles spricht dagegen, und gerade das bedrückt Anleger. Denn mit dem April geht statistisch die bessere Hälfte des Jahres zu Ende. Ebenfalls laut dem Börsen-Almanach hat sich über das letzte halbe Jahrhundert ein Aktieninvestment zwischen Oktober und April fett bezahlt gemacht, während es die Indizes zwischen Mai und September eher in den Keller zog.

Dass auf solcherlei Statistiken allgemein nicht viel zu geben ist, ist kritischen Beobachtern bekannt. Dass sie nicht als strategische Grundlage für die Portfolioverwaltung herangezogen werden sollten, sowieso. Allerdings ist auch bekannt, wie abergläubisch die Wall Street ist – immerhin vebeißen sich auch durchaus ernst zu nehmende Analysten alljährlich wieder in den statistisch belanglosen Januar-Indikator oder Witz-Barometer wie der Rocksaum- oder den Superbowl-Indikator.

Entprechend bangend wartet man nun auf den April, der nach einem schwachen ersten Quartal einiges wieder gut machen müsste, um die Börse einigermaßen auf die richtige Spur für den Sommer zu bringen. Klappen dürfte das nicht, denn selten war so viel Unsicherheit im Markt wie dieser Tage.

Ein steigender Ölpreis – und ein Horror-Szenario von Goldman Sachs mit einem Barrel-Preis von 105 Dollar – lastet schwer nicht nur auf den Fluggesellschaften, sondern auf der gesamten Börse. Transportkosten steigen und verteuern Konsumgüter, Verbraucher müssen an der Tankstelle tiefer in die Tasche greifen. Dazu kommt, dass der durchschnittliche Amerikaner ohnehin seit Monaten mehr ausgibt als er an Einkommen frei verfügbar hat. So steigt die Verbraucherverschuldung auf historische Höhen.

Die Notenbank beobachtet derweil inflationäre Tendenzen in einem Markt, der sich auf weiter steigenden Zinsen einstellen muss. Das könnte die Bau-Blase zum Platzen bringen, die in regelmäßigen Abständen immer wieder Kauflust an die Börse gebracht hatte.

Dass bei den größten Unternehmen in Corporate America die Köpfe rollen – im ersten Quartal gingen Carly Fiorina bei Hewlett-Packard, Harry Stonecipher bei Boeing, Hank Greenberg bei AIG, Michael Eisner bei Walt Disney, und Morgan Stanley stellt sich gegen Phil Purcell – bringt weitere Unsicherheit an die Börse, ebenso die Ermittlungen der SEC gegen den Versicherer AIG.

Die Aktie von AIG hat im ersten Quartal übrigens 13 Prozent an Wert verloren, getoppt wird dieser Verlust nur durch General Motors. Der Autobauer hat nach einer substanziellen Warnung 26 Prozent abgegeben. Gemeinsam sind die beiden Aktien für gut die Hälfte der Dow-Verluste im ersten Quartal verantwortlich, zu den weiteren großen Verlierern gehören aber Verizon, Home Depot, JP Morgan und Microsoft mit Einbrüchen im jeweils zweistelligen Prozentbereich.

Der Dow notiert am letzten Handelstag von Q1 nahe am Quartalstief, für Nasdaq und S&P 500 gilt dasselbe. Die Hoffnungen der Anleger ruhen auf dem April, der Startschuss – respektive: Glockenschlag – für die nächste Etappe fällt am frühen Freitagmorgen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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