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Alt 20-01-2006, 21:20   #403
Starlight
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Bush sucht, Google wehrt sich

In der Euphorie nach Neujahr hat die Aktie von Google in wenigen Tagen um satte 15 Prozent zugelegt – und dann wieder abgegeben. Am Freitag handelt die Suchmaschine schon den dritten Tag in Folge recht deutlich im Minus. Schuld sind erste kritische Stimmen und ein aktueller Streit mit der Bush-Regierung.

Sich gegen Washington aufzulehnen hat noch keiner Aktie gut getan. Da ist Google keine Ausnahme. Dafür ist es aber wenigstens löblich, wie sich das Management der Suchmaschine der Zusammenarbeit mit der Regierung in einem höchst umstrittenen Projekt widersetzt.

Bush & Co. haben jüngst von Google verlangt, eine elektronische Datei herauszugeben, die sämtliche bei der Suchmaschine eingetippten Suchbegriffe auflisten würde. Man benötige die Daten im Kampf um Internet-Pornografie. Die Regierung will beweisen, dass Filter-Software keinen ausreichenden Schutz vor Sex-Seiten im Internet biete, und dass Kinder trotz entsprechender Computer-Einstellungen seitens der Eltern Gefahr liefen, auf Porno-Seiten zu stoßen.

Der Supreme Court als höchstes amerikanisches Gericht hat vor zwei Jahren beschlossen, dass Software einen ausreichenden Schutz biete. Daran zweifeln die Republikaner, die an einem Gesetz zum Schutz der Kinder arbeiten.

So weit, so gut. Dass die Regierung auf dem Weg zu dem Gesetz jedoch sämtliche Suchbegriffe der Amerikaner bei Suchmaschinen durchlesen will, geht Verbraucherschützern und Bürgerrechtlern zu weit. Auch dass die Anfrage jüngst eingeschränkt wurde und das Weiße Haus nur noch ein Dokument über sämtliche Anfragen einer einzigen Woche anfordert, macht die Situation nicht besser.

„Die Bedeutung von Suchmaschinen im Alltag wird immer größer. Viele User haben wohl mehr Kontakt zu Google und zu ähnlichen Seiten als zu ihrer eigenen Mutter“, meint der auf Datenschutz spezialisierte Rechtsanwalt Thomas Burke. „Die meisten Leute würden es wohl ablehnen, wenn die Regierung bei den Telefonaten mit der Mutter mithören wollte, und gegen den Einblick auf die Suchmaschinen würde man sich ebenso wehren.“

Google sieht das genauso. Selbst wenn man alle persönlichen Daten aus den Suchanfragen lösche, so ein Unternehmenssprecher, sehe man einen Betrug am Kunden, der sich seiner Privatsphäre beim Online-Surfen sicher wähnt. Man sieht das Firmenmotto in Gefahr: „Do no evil“, hatte Google gelobt, als das Unternehmen vor anderthalb Jahren an die Börse ging. „Tue nichts Böses.“

Zudem will das Unternehmen natürlich eigene Geheimnisse schützen. Ein Einblick in die Zahl und Art der Suchanfragen und dazugehörige Daten könnte der Regierung – und im schlimmsten Fall Konkurrenten – Details zur Google-Suche, zum Netz und zu der Anzahl und Art der Großrechner verraten.

Wie lange sich der Streit zwischen Google und Bush hinzieht, ist unklar. Die Regierung dürfte es aber schwer haben, ihre Daten-Forderung gegen Googles Widerstand durchzusetzen. In einem Prozess, auf den sich das Weiße Haus in seiner Untersuchung beruft, ist Google nicht beteiligt und kann folglich auch nicht beliebig vorgeladen werden.

Wenn Google standhaft bleibt, dürfte das dem Unternehmen einen gewaltigen Image-Gewinn einbringen – was angesichts des ohnehin exorbitant starken Images von Unternehmen und Aktie schwer ist. Für die Bush-Regierung wäre eine Niederlage gegen Google indes ein schwerer Schlag. Umso mehr, als Googles mangelnde Kooperation die Geschichte an die Öffentlichkeit brachte und das Weiße Haus nun erneut im Verdacht steht, regelwidrig in die Privatsphäre amerikanischer Bürger einzugreifen. Der letzte ähnliche Fall, als Bush seinen Nachrichtendienst ohne richterliche Erlaubnis Telefonate mithören ließ, ist in der Hauptstadt noch lange nicht ausgestanden.

Ärgern wird man sich im Bush-Camp wohl auch darüber, sich überhaupt an Google gewandt zu haben. Immerhin hat das Unternehmen den Ruf, sich der Regierung nicht ganz so willfährig zu beugen wie andere Firmen. In der Sache selbst hätte es wohl keinen Unterschied gemacht, ob analysierte Suchanfragen von Google oder von den Konkurrenten gestammt hätten. Mit denen hatte man keine Probleme: Yahoo und die Time-Warner-Tochter AOL haben dem Weißen Haus anstandslos alle angefragten Dokumente ausgehändigt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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