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Alt 27-01-2006, 21:30   #406
Starlight
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Rückblick: Dumm und dümmer

Die Zeit der Jahresrückblicke ist eigentlich vorbei. Doch lohnt es sich, auch Ende Januar noch eine Ausnahme zu machen. Ein amerikanisches Wirtschaftsmagazin zieht nämlich eine ganz besondere Bilanz: Die 100 dümmsten Business-Momente.

Ein Blick in die seitenlange Liste von „Business 2.0“ zeigt, dass sich amerikanische Unternehmen und Unternehmer eine ganze Reihe enormer Dummheiten erlaubt haben. Mancher lag mit einer ganzen Produkt- oder Marketingstrategie gehörig daneben, andere wiederum ließen sich in rufschädigenden Situationen erwischen… am Ende gilt für alle: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Amerika lacht über:

Conrad Black, den ehemaligen CEO von Hollinger. Der sah sich einer Betrugsklage gegenüber und soll der Firma zig Millionen unterschlagen haben. Um die Anklage zu schwächen, schlich sich Black in die Firmenzentrale und klaute kurzerhand mehrere Boxen mit Dokumenten. Zu dumm: Die Überwachungskamera sah zu und lieferte dem Gericht Bilder, die Black wirklich nicht mehr rechtfertigen konnte.

Ein anderer CEO of Abwegen war Harry Stonecipher. Der Flugzeugriese Boeing hatte ihn angeheuert, um nach dem Pentagon-Skandal wieder Moral in das Unternehmen zu bringen. Stonecipher selbst war indes eine schlechte Wahl. Kaum im Chefsessel angelangt, begann er eine Affäre mit einer Mitarbeiterin – und verstoß so gegen den Kodex der Firma, den er selbst eingeführt hatte. Stonecipher musste gehen.

Kürzer waren die Abenteuer des Robert McCormick. Der CEO des Internet-Providers soll sich im New Yorker Strip-Club Scores für 241 000 Dollar vergnügt haben – zahlen wollte er nicht. Nach einer Klage von American Express gestand er, wenigstens 20 000 Dollar in Drinks und erotische Tänze investiert zu haben. Das reichte allerdings für eine Kündigung.

Doch nicht alle Pannen sind den Chefs anzulasten. Bei manchen Unternehmen ging die ganze Strategie daneben. Der Cornflakes-Riese General Mills sprang auf den Gesundheits- und Fitnesszug auf, ohne allzu sehr über sein eigenes Produkt nachgedacht zu haben. So warb man für „gesunde“ Flocken wie „Cocoa Puffs“ und „Count Chocula“ und ließ in TV-Spots sogar den „Lucky-Charms“-Wichtel Hanteln stemmen – den sportlichen Dreh nahm den Zuckerbomben allerdings kein Kunde ab.

Einen Werbe-Fauxpas historischer Güte leistete sich Wal-Mart. Nachdem ein lokales Gremium in Arizona gegen den Bau eines neuen Super-Centers gestimmt hatte, schaltete der Einzelhändler doppelseitige Anzeigen mit dem Bild einer Bücherverbrennung unter den Nazis. Bildunterschrift: „Wollen wir uns von der Regierung vorschreiben lassen, was wir lesen sollen? Nein. Also sollen wir uns auch nicht vorschreiben lassen, wo wir einkaufen können.“ Die Proteste ließen nicht lange auf sich warten, Wal-Mart plädierte auf Ignoranz: Man habe die historische Bedeutung des Fotos verkannt.

Apropos Werbung: American Airlines hatte bei einem Preisausschreiben 24 Freiflüge als ersten Preis ausgelobt, wollte dem Gewinner aber die anfallenden Steuern und Gebühren nicht erstatten. Der hätte somit auf seinen Gewinn 19 000 Dollar zahlen müssen – 800 Dollar pro Flug – und lehnte dankend ab.

Ein weitere Werbefeldzug ging dem New Yorker Radiosender WQHT97 daneben. Bei Live-Veranstaltungen hatten die Moderatoren Konzertkarten an Frauen vergeben, die sich in Ohrfeigen-Wettbewerben beweisen wollten – diese Gewaltaktion ging dem Staatsanwalt zu weit. Eine Strafe von 240 000 Dollar dürfte dem Sender wie eine gewaltige Ohrfeige erschienen sein.

Ein anderer Radiosender scheiterte derweil an einem Porträt über Bob Marley. Eine qualitativ hochwertige Dokumentation, so der Sender in einem Brief an die Stiftung des Reggae-Stars, könne nur gelingen, wenn man mit ihm ein persönliches Interview bekäme. In der Zeitplanung sei man flexibel. Nun, Bob Marley ist weniger flexibel, schließlich ist er seit einem Vierteljahrhundert tot.

Wir fassen zusammen: Ganz schön verrückt, was manchem Unternehmen passierte. Und wo wir bei „verrückt“ sind. Die Firma Vermont Teddy Bear steckte zum Valentinstag einen Plüschbären in eine Zwangsjacke und verkaufte ihn samt Anstaltsdokument mit der Diagnose: Verrückt nach Dir! Der Verband der geisitg Behinderten beschwerte sich und hatte Erfolg: Vermont nahm den Bären vom Markt – was direkt zum cleversten Geschäfts-Moment des Jahres führte. Sammler verkaufen den verrückten Bären nun auf Ebay – für 300 Dollar.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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