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Alt 06-02-2006, 19:33   #416
Starlight
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Schlechte Nachrichten aus Detroit

Aus Detroit ist man schlechte Nachrichten gewöhnt. Die jüngsten kamen am Sonntagabend, allerdings im schönen Gewand: In einem spannenden Super Bowl setzten sich die Pittburgh Steelers gegen die Seaatle Seahawks durch – und bescherten der Börse damit ein Börenjahr. Wenn man dem Super-Bowl-Indikator glaubt.

Die gute Nachricht: Kaum einer glaubt mehr an den Super-Bowl-Indikator. Das nicht ganz ernst gemeinte Börsen-Barometer, nachdem der Sieg eines Teams aus der NFC-Division die Kurse klettern lässt und ein Sieg des AFC-Teams die Aktien drückt, hat zwar eine Trefferquote von rund 80 Prozent. Ausgerechnet in den letzten Jahren lagen allzu Football-begeisterte Anleger aber stets daneben.

Dass der Super Bowl von allen amerikanischen TV-Events im ganzen Jahr die höchsten Einschaltquoten hat, liegt natürlich auch nicht an den prophetischen Qualitäten des Spiels in bezug auf den Aktienhandel. Vielmehr feiern Football-Fans im ganzen Land einfach das alljährliche Endspiel der beiden besten Teams, den Höhepunkt einer langen Saison. Und sie feiern immer doller und immer aufwendiger, in diesem Jahr sogar mit einem Auftritt der Rolling Stones in der Halbzeitpause.

Die britischen Rocker mögen in den letzten Jahrzehnten viel von ihrer einstigen Schockwirkung eingebüßt haben. Allein, den Verantwortlichen beim Super-Bowl-Sender ABC waren Jagger & Co. noch immer zu heiß. Zwei sexuelle Andeutungen mussten aus „Start me up“ und „Rough Justice“ verschwinden – immerhin ist das Football-Endspiel längst nicht mehr Rauhbeinen in Kneipen vorbehalten, sondern zum Familienereignis geworden.

Entsprechend hart waren die Auflagen an die Unternehmen, die während des Super Bowl Anzeigen schalten wollten. Ein Werbepreis von saftigen 2,5 Millionen Dollar für 30 Sekunden war letztlich nicht die schwerste Hürde, die P.R.-Experten aus Corporate America nehmen mussten. Vielmehr mussten sie sich überlegen: Wie falle ich auf, ohne negativ aufzufallen.

Wirklich gelungen ist das nur einer Handvoll von Unternehmen. Hauptkunde Anheuser-Busch hatte ein paar außergewöhnlich witzige Spots geschaltet, und auch die Spots von FedEx und vom Mobilfunkriesen Sprint kamen bei Zuschauern gut an. Zahlreiche andere Unternehmen müssen sich überlegen, ob sich die 2,5 Millionen Dollar (plus Produktionskosten) anderweitig nicht sinnvoller hätten einsetzen lassen.

Völlig daneben gingen Analysten zufolge die äußerst langweiligen Spots von Motorola und Procter & Gamble. Der Konsumriese warb für einen neuen Gilette-Rasierer mit fünf Klingen. „War das wirklich ein Produkt“, wird ein fassungsloser Werbe-Experte im Wall Street Journal zitiert. „Ich dachte, das wäre ein Witz. Wann kommt der erste Rasierer mit acht Klingen?“

Ebenfalls völlig daneben ging das Engagement der Automobilriesen. Am besten platziert war noch Ford, immerhin der Namenspatron des Stadions. Mit Werbespots für die neuen Modelle konnte man indes ebenso wenig beeindrucken wie der Konkurrent General Motors… Detroit tut sich eben schwer zur Zeit.

Dass GM am Tag nach dem großen Spiel die Dividende kürzen soll und Analysten weiter mit schwachen Absatzzahlen für die US-Hersteller rechnen, dürfte manchen Football-Enthusiasten schnell wieder auf den Boden der Tatsachen bringen. Super Bowl hin, Quaterback her, Detroit ist und bleibt die Stadt schlechter Nachrichten.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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