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Alt 07-02-2006, 20:52   #417
Starlight
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“Fair Play“ bei GM

General Motors galt lange als eines der übelsten Unternehmen in Corporate America. Nicht zuletzt Michael Moores Dokumentarfilm „Roger and Me“ über die sozialen Folgen von Outsourcing bei GM hatte den Ruf ruiniert. Nun aber löst man sich von der Vergangenheit. Für das aktuelle Restrukturierungskonzept gebührt dem Autobauer der „Fair Play“-Preis.

Dass Corporate America in den letzten Jahren immer mehr zum Sinnbild des puren Bösen geworden ist, hat man nur einer Handvoll Leuten zu verdanken. Sie sitzen in den Chef-Etagen der großen Konzerne, verstecken sich hinter Kürzeln wie CEO, CFO oder COO. Vielen ist ihr Aufstieg an die Konzernspitze über die Jahre zu Kopf gestiegen, vielen hat Hybris den Blick vernebelt – viele sind mittlerweile über ihre Gier gestolpert.

Beispiele gefällig? Den ehemaligen Tyco-Chef Dennis Koszlowski dürfte jahrelanger Exzess auf Firmenkosten für viele Jahre hinter Gitter bringen, den Chefs von Enron droht in einem aktuellen Prozess in Texas das gleiche Schicksal. Phil Purcell flog bei Morgan Stanley ebenso über seine Arroganz wie CEO Don Carty bei American Airlines, nachdem er seinen Mitarbeitern Gehälter und Renten drastisch kürzte, nur um sich selbst eine fette Gehaltserhöhung zu gönnen.

Manche CEOs aber scheinen aus den Fehlern ihrer Kollegen gelernt zu haben, nicht zuletzt Rick Wagoner bei General Motors. Dessen Unternehmen steckt in der tiefsten Krise seiner Geschichte, und einen großen Anteil daran haben die außergewöhnlich hohen Zahlungen in die Kranken- und Rentenversicherung für die Mitarbeiter. Obwohl nun Zyniker dem größten amerikanischen Autobauer seit Jahren raten, zur Verbesserung der Gewinnlage einfach bessere Autos zu bauen, kommt das Unternehmen um Kostensenkungen nicht herum.

Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen hat Wagoner aber eingesehen, dass sich Kostensenkungen leichter von vielen Schultern tragen lassen. So werden nicht nur den Männern am Fließband die Renten gekürzt. Wagoner selbst verdienst ab sofort nur noch die Hälfte, gleiches widerfährt den Direktoren. Das wiederum macht es Anlegern leichter, ihrerseits Opfer zu bringen. Dass die Dividende auf 25 Cent pro Aktie halbiert wird, löst daher keinen Verkaufsdruck aus. Im Gegenteil: Die Aktie klettert am Dienstag, weil Aktionäre erkennen, dass das Management mit Hochdruck und unter Aufbringung eigener Opfer an der Restrukturierung des Konzerns arbeitet.

Ganz neu ist Wagoners Idee übrigens nicht, ausgerechnet in der Autobranche hat sich das Modell bereits bewährt. Als Lee Iaccoca 1979 als Präsident und letzte Hoffnung zum krisengeschüttelten Konkurrenten Chrysler kam, setzte er sein eigenes Gehalt auf einen einzigen, symbolischen Dollar. Auch die übrigen Vorstandsgehälter fielen, die Moral stieg – und Chrysler fuhr wenig später vom Pannenstreifen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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