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Alt 09-02-2006, 20:33   #419
Starlight
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Skepsis gegenüber „Bond“

Sein Name ist Bond, und die Wall Street grüßt ihn freundlich. Mehr aber auch nicht. Denn er kommt recht stillos daher, ohne Martini und Blondine, sehr wohl aber mit einer 30-jährigen Laufzeit. Die Rede ist nicht vom britischen Agenten 007, sondern der der neuen amerikanischen Staatsanleihe, einer Niederlage für die republikanische Regierung.

Recht selbstsicher hatten Präsident Bush und Co. die 30-jährigen Bonds nämlich 2001 abgeschafft. Damals hatten die USA einen dicken Haushaltsüberschuss, und man gab sich der Phantasie hin, dass das wohl für immer so bleiben würde. Entsprechend naheliegend schien es, die laufenden Zinskosten zu senken und keine weiteren Schuldverschreibungen auszugeben.

Doch dann kam alles anders. Fünf Jahre nach Abschaffung der 30-jährigen Bonds ist Amerika so verschuldet wie nie zuvor, und der jüngst vorgelegte Haushalt mit 2,8 Billionen Dollar auf der Ausgabenseite hat erneut auch die pessimistischsten Befürchtungen übertroffen. Hinzu kommt, dass Bush weiterhin die Steuersenkungen für Unternehmen und Oberschicht langfristig im Gesetz verankern will und dass die Kosten für die Kriege im Irak und Afghanistan weiter wachsen und schwer abzuschätzen sind.

„Es war Hybris vom ersten Moment an“, fasst Charles Dumas vom Lobard Street Research zusammen. „Man hatte sich auf einen ewigen Haushaltsüberschuss eingestellt und damit gerechnet, dass die gesamte Staatsverschuldung bald abgezahlt sei.“

Nun, so kam es nicht, und jetzt sind neue langfristige Anleihen auf dem Markt. Die Nachfrage war zuletzt groß, vor allem von Seiten der Versicherungen und Rentenfonds. Die kaufen nun die ersten Papiere über 14 Milliarden Dollar, bis Ende des Jahres sollen Dreißiger in einem Gesamtwert von 30 Milliarden Dollar ausgegeben werden.

Die weitere Ausgabe langfristiger Anleihen ist darüber hinaus geplant, was die Wall Street als einen Hinweis auf langfristige Defizite versteht.

Washington begibt sich damit auf dünnes Eis. Analysten glauben zwar nicht, dass das hohe Defizit kurzfristig Probleme schafft. Langfristig aber sind die Folgen nicht zu leugnen. Die USA werden als Investmentziel unattraktiver, wenn im Ausland der Eindruck entsteht, man könne die eigene Verschuldung nicht mehr in den Griff bekommen.

Der Verbraucher wäre direkt betroffen: Sinken die ausländischen Investments in den USA dürfte es bis zu weiteren Zinsanhebungen nämlich ein kleiner Schritt sein. So begrüßt man den 30-jährigen Bond an der Wall Street mit äußerster Skepsis.

Der rote Teppich bleibt seinem älteren, britischen Namensvetter vorbehalten.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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