Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 16-02-2006, 21:21   #423
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
Freiheit und Geschäft in China

Die Augen der Wall Street mögen am Mittwoch auf Ben Bernanke gelegen haben. Doch nur ein paar Zimmer neben dem Fed-Chef, ebenfalls im Capitol, fand eine nicht minder wichtige Anhörung statt. Yahoo, Google, Microsoft und Cisco mussten ihr Engagement in China rechtfertigen – und bekamen eine Schulstunde in Sachen bigotter Politik.

„Ich verstehe nicht, wie ihre Bosse nachts schlafen können“, entsetzte sich der demokratische Abgeordnete Tom Lantos aus Kalifornien. Dabei sind sich diese – fast – keiner Schuld bewusst. Google, beispielsweise, schämt sich zwar offen dafür, dass man die Suchmaschine für China zensiert hat und nur Informationen auffindbar macht, die von der Regierung abgesegnet sind. Doch, so Google-Anwalt Elliot Schrage, biete der Service des Unternehmens immer noch einen Netto-Gewinn für die Chinesen, die auch bisher nur limitierten Zugang zu Informationen gehabt hätten, nun aber schneller und einfacher arbeiten können.

Genauso sieht man das bei Yahoo. Und auch Cisco Systems, deren Hardware von der chinesischen Regierung unter anderem dazu benutzt wurde, Bürger festzunehmen, deren kritische Aussagen in Amerika unter freie Meinungsäußerung fallen würden, will keine Verantwortung übernehmen. Zu recht, und ganz nach amerikanischem Vorbild. Schließlich hat auch der US-Kongress eben erst bekräftigt, dass Schusswaffen-Hersteller für Morde mit ihren Waffen nicht belangt werden können.

Die Vorwürfe gegen Microsoft richten sich gegen die Schließung einer Website, die die chinesischen Behörden wegen unerwünscht kritischer Blogs erzwungen hatte. Abgesehen davon, dass sich das Unternehmen kaum gegen die Forderungen der Regierung hätte wehren können, besteht Microsoft-Rechtsbeistand Jack Krumholtz darauf, dass der Hightechriese zwar eine Website geschlossen, aber dafür 3,5 Millionen Usern erst zu einem Internet- und Blog-Forum verholfen habe.

In einem Punkt waren sich die Vertreter aller vier Unternehmen einig: Während man, wie der demokratische Abgeordnete Adam Smith aus Washington bekräftigte, kaum davon ausgehen könne, dass sich die Menschenrechtssituation in China verbessere, wenn Microsoft & Co. keine Geschäfte im Land hätten, sieht man den Handlungsbedarf ohnehin an anderer Stelle: beim Kongress.

Nicht von der Hand zu weisen sei immerhin die Tatsache, dass die US-Regierung China erst vor kurzem den Status eines „bevorzugten Handelspartners“ eingeräumt hat. Wenn sich die Unternehmen dafür schämen sollten, diesen Status zu nutzen, dann müsse sich doch vor allem der Kongress schämen, diesen überhaupt zugewiesen zu haben, schlug sich Robert Wechsler, Demokrat aus Florida, auf die Seite der Unternehmen.

Dana Rohrbacher wiederum, ein Republikaner aus Washington, wollte das nicht auf sich sitzen lassen. „Wer war denn die Lobby für den bevorzugten Status von China?“, fragte er verärgert. „Das waren doch wohl die Unternehmen.“ Das wahre Gewicht seiner Aussage, vor allem vor dem Hintergrund eines aktuell gewaltigen Lobby- und Bestechungsskandals, muss dem Abgeordneten erst später klar geworden sein.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten