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Alt 09-03-2006, 18:00   #437
Starlight
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Über den Wolken wird abgezockt

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein… von wegen. Die amerikanischen Fluggesellschaften, die schon seit langem in einer schweren Krise stecken, wollen in diesem Sommer richtig Kasse machen. Nicht nur mit Flugtickets, sondern vor allem mit dem Service an Bord, eben, über den Wolken.

Zugegeben, die Fluggesellschaften hatten es in den letzten fünf Jahren nicht leicht. Spätestens seit im dritten Quartal 2001 der Beginn einer Rezession die Wirtschaft und die Terrorangriffe auf das World Trade Center kurz darauf den Tourismus belasteten, stecken die Unternehmen fest. Hohe Kosten ließen sich nicht einfach so senken: Zunächst waren da die Gewerkschaften, mit denen sich Gehalts- und Rentenkürzungen nicht so einfach durchsetzen ließen, und dann war da der dauernd steigende Ölpreis, so dass jede Kosteneinsparung bei Organisation und Personal gleich Mehrausgaben für Treibstoff gegenüberstanden.

Dann waren da auch noch die Billig-Anbieter, die den alt eingessesenen Unternehmen Marktanteile wegnahmen. Manches Unternehmen hat sich nun in jahrekangen Umstrukturierungen auf einen Neustart vorbereitet. Doch wer auch immer sich dieser Tage aus dem Gläubigerschutz erhebt, für den Kunden ist bei den Airlinesnichts mehr wie es einmal war.

Wie verzeifelt die Gesellschaften um Einnahmen kämpfen, sieht man an einer ganzen Reihe neuer Einnahmequellen, die die Branche in diesem Sommer durchsetzen will. Steigende Ticketpreise sind da noch am wenigsten überraschend, obwohl das Ausmaß fast skandalös ist: Transatlantische Strecken werden im Sommer bis zu 25 Prozent teurer sein als im Vorjahr, wie Branchen-Analysten errechnet haben. Für die Standardstrecke New York – London zahlen Kunden heuer 148 Dollar mehr als im Vorjahr, der Flug von Detrit nach Paris soll um 237 Dollar teurer werden.

Doch damit nicht genug: Wer erst einmal ein noch so teures Ticket hat, der wird in Zukunft weiter gemolken. Nach Informationen aus der Branche wollen die Fluggesellschaften die Gewichtsgrenzen für eingechecktes Gepäck von 31 auf nur noch 22 Kilogramm herunterfahren, für jedes Gramm zuviel wird dann ein Aufpreis verlangt. Manche Gesellschaften sollen auch überlegen, das Bord-Gepäck extra in Rechnung zu stellen.

Teurer wird aber nicht nur, was der Kunde mitbringt, sondern auch was er verzehrt. Northwest Airlines hat einen ersten Test abgeschlossen, in dem auch die bisher gratis verteilten Getränkedosen verkauft werden sollen. Das Management beurteilt den Versuch als gelungen und will künftig auf dem ganzen Streckennetz nur noch gegen Aufpreis servieren.

Noch einen Schritt weiter geht das Konzept mehrerer Gesellschaften, die künftig einen Aufpreis verlangen wollen, je nachdem wo der Kunde zu sitzen wünscht. Für Sitze am Gang gibt es einen Zuschlag, ein Sitz in der Notausgangsreihe – mit mehr Beinfreiheit – soll bis zu 75 Dollar extra kosten, weiß Terry Trippler, Flugzeug-Analyst von Cheapseats.com.

Der Erfolg eines solchen Konzeptes ist natürlich umstritten. In einer ersten Umfrage beim Börsensender CNBC haben fast 80 Prozent der Zuschauer erklärt, für einen bestimmten Sitz keinen Pfennig draufzahlen zu wollen. Das könnte bedeuten, dass immer mehr Kunden zu den Billig-Linien wechseln, die zunehmend auch transatlantisch fliegen.

Für die Airlines hieße das wiederum, dass man aus der Branchenkrise nicht so einfach herausfliegen könnte.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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