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Alt 10-03-2006, 20:38   #438
Starlight
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Die Folgen des Hafenstreits

Eigentlich müsste der umstrittene Hafen-Deal zwischen Washington, London und den Vereinigten Arabischen Emiraten ja von Tisch sein. Doch seit der VAE-geführte Hafenbetreiber DP World erklärt hat, man werde die Kontrolle über US-Anlagen an ein amerikanisches Unternehmen abgeben, geht der Streit erst richtig los.

Zur Erinnerung: Die traditionsreiche britische Schiff- und Hafengesellschaft P&O wurde jüngst an DP World verkauft, ein Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, das größtenteils stattlich gelenkt wird. Das ganze hätte amerikanischen Politikern und Anlegern egal sein können, hätte P&O nicht seit Jahren einige der größten Frachthäfen der USA betrieben, darunter New York, New Jersey, Baltimore, Miami und Los Angeles.

Die Häfen wiederum gelten in den sicherheitspolitisch höchst sensiblen USA als größte Lücke im System, immerhin kommen bis zu 95 Prozent der Fracht aus Übersee unkontrolliert ins Land. Als wäre das nicht schlimm genug, stimmte die US-Regierung – ohne Einbezug des Kongresses – jüngst der Übernahme der Hafen-Operationen durch ein Land zu, das nachweislich einige der Attentäter des 11. September 2001 finanziert hatte und in Sachen Sicherheitspolitik nicht der naheliegendste Partner ist.

Nun ist zwar nicht davon auszugehen, dass die Häfen unter arabischem Management ein offenes Tor für Terror gewesen wären. Einerseits hätten ja amerikanische Behörden noch immer die Sicherheits-Hoheit gehabt, und andererseits wäre einem Unternehmen kaum daran gelegen, seine eigenen teuer erworbenen Anlagen zu gefährden. Doch hätte der Regierung klar sein müssen, dass sich ein Verkauf der Häfen an ein arabisches Land unmöglich erklären ließe – zumal Bush & Co. ihre zweite Amtszeit einzig und allein der Panikmache im Zusammenhang mit möglichen terroristiscen Anschlägen gegen das Land zu verdanken haben.

Der Streit um den Hafen-Deal war also schnell ein rein politischer – und der erste in fünf Jahren, den Präsident Bush spektakulär verlor. Nicht nur die Demokraten, sondern auch führende Männer seiner eigenen Partei sperrten sich mit aller Kraft gegen die Kooperation mit den Emiraten und ließen sich in Vorbereitung eines eilig beschlossenen Gesetzes gegen den Deal auch durch ein von Bush angedrohtes Veto nicht abschrecken.

Bush wiederum war schnell in der Zwickmühle: Den Deal abzusagen, hätte ihm vermutlich lukrative Beziehungen in die Emirate zerstört. Den Deal durchzudrücken, hätte seiner Partei endgültig die im Herbst anstehenden Kongresswahlen versaut. Zu seinem Glück standen die VAE dem Präsidenten zur Seite: Am Donnerstag erklärte DP World, man werde die US-Operationen an ein amerikanisches Unternehmen abtreten und auf die Kontrolle der Häfen verzichten.

Damit hätte die Geschichte eigentlich vom Tisch sein können, wäre es zuletzt nur um den Deal an sich und nicht um Politik und Propaganda gegangen. So aber geht der Streit zwischen Washington und Wall Street weiter. Radikale Unterstützer der Globalisierung reagieren geschockt auf das Eingeständnis aus Dubai und machen nun Stimmung gegen diejenigen, die DP World nicht mit offenen Armen empfangen wollten.

„Wir sind sehr besorgt darüber, was dieser fehlgeschlagene Deal noch für Folgen haben wird“, meint Bill Reinsch vom National Foreign Trade Council, einer von international agierenden Konzernen geführten Lobby-Gruppe. Die USA würden das falsche Signal in die arabische Welt senden und künftige Kooperationen, Joint Ventures und sogar den Export im allgemeinen gefährden.

Allein der Flugzeugbauer Boeing arbeite doch gerade an einem Multimillionen-Auftrag mit der Emirates-Airline aus den VAE. Diesen Deal sieht man ebenso in Gefahr wie bereits unterschriebene Aufträge mit Etihad Airways über 1 Milliarde Dollar und kleinere Bestellungen von Fluggesellschaften in Jordanien und Ägypten. „Der arabische Markt ist einer unser wichtigsten Wachstumsmärkte“, wirft Boeing-Sprecher John Dern ein – aber: „Wir sehen noch keine Auswirkungen des P&O-Streits und rechnen auch nicht damit.“

Eine solche Stellungnahme passt der amerikanischen Regierung nun nicht ins Konzept. Nachdem man den ganzen Hafen-Deal katastrophal schlecht gemanaget hat, konnten Bush & Co. nur noch auf eine Möglichkeit hoffen, den Spieß umzudrehen und den Demokraten Hysterie und einen eingeschränkten Blick auf wirtschaftliche Interessen nachzusagen.

Bis jetzt aber zeichnen sich keine wirtschaftlichen Folgen ab, die – ohnehin gewagte – Vision einer arabischen Freihandelszone, bleibt gewahrt. Amerika verliert nichts, wenn es eine staatlich geführte Organisation aus dem arabischen Raum aus der Sicherheitspolitik heraushält. Wer hingegen verliert, ist allein die US-Regierung, deren arrogante Umgehung von Kongress und anderen Kontrollgremien bei der Zustimmung eines bedeutenden Deals völlig daneben ging. Je länger Bush & Co. nun auf dem Thema herumreiten, desto mehr Schaden werden sie sich zufügen. Anscheinend weiß man das in Washington aber nicht, denn auch einen Tag nach dem Rückzug Dubais und vermutlich noch für einige Tage ist die Diskussion „Sicherheit gegen globalen Handel“ Tagesthema in sämtlichen Medien.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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