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Alt 14-03-2006, 19:28   #440
Starlight
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Die „chinesische Mauer“ steht wieder

Die Wall Street hat eine neue Boom-Branche: Nach den Hausbauern und den Öl-Konzernen sind es nun die Investmentbanken, deren Ergebnisse in Rekordhöhen schießen. Die Zahlen von Goldman Sachs sind so fantastisch, dass mancher Witzbold an eine „Strafsteuer“ denkt, wie sie für die Öl-Branche diskutiert wird.

Die eigentlich spannende Geschichte hinter den Zahlen von Goldman Sachs ist aber eine andere. Sicher, man könnte sich – vor allem als Anleger – stundenlang über den historischen Umsatz und den großartigen Gewinn freuen. Vor allem aber muss man sich darüber wundern, wie weit die Analysten mit ihren Schätzungen daneben lagen.

Das Problem in Zahlen: Goldman Sachs blickt auf einen Gewinn von 5,41 Dollar pro Aktie, während Analysten mit 3,29 Dollar gerechnet hatten. Damit werden die Erwartungen um 65 Prozent geschlagen. Auch beim Umsatz hatten sich die Experten deutlich verkalkuliert: Die gemeldeten 10,3 Milliarden Dollar liegen um dicke 43 Prozent über den Erwartungen.

Zum Vergleich: In den vier Quartalen des Vorjahres hatten die Analysten die Ergebnisse der Investmentbanken nur um jeweils etwa 12 Prozent unterschätzt.

Doch so sehr man sich fragen möchte, inwiefern die „Experten“ immer ihr Geld wert sind, ist es doch ausnahmsweise einmal ein gutes Zeichen, dass sie so weit daneben liegen. Immerhin ist es erst ein paar Jahre her, dass die Analysten zu nahe bei den umsatz- und gewinnorientierten Bankern im eigenen Haus saßen. Um an lukrative Deals mit Unternehmen zu kommen, ließen letztere schon mal den Analysten nebenan eine positive Aktienempfehlung schreiben. Die einst etablierte „chinesische Mauer“, die den Informationsfluss zwischen Investmentbank und Research verhindern sollte, war eingefallen. Als der Betrug auffiel, hatten Anleger bereits Milliarden verloren.

Mittlerweile scheint man den Brokerhäusern wieder zu trauen, wie sich am Handel an den New Yorker Börsen leicht erkennen lässt – und zwar zu recht, wie ein Blick auf die jüngsten Quartalszahlen zeigt. Offensichtlich ist die „chinesische Mauer“ höher und breiter und unüberwindbarer denn je zuvor. Nicht nur, dass die Analysten Umsatz und Gewinn der Banken nicht mehr beeinflussen. Nein, sie wissen nicht einmal, wie gut es in der Branche läuft.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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