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Alt 28-03-2006, 00:06   #447
Starlight
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Was macht Ben Bernanke?

Am Anfang schien alles so einfach. Wenn Ben Bernanke erst einmal am Ruder wäre, würden die Zinsanhebungen sogleich stoppen, hatte die Wall Street lange geglaubt. Schließlich könnte sich der neue Fed-Chef so am eindrucksvollsten aus dem Schatten seines Vorgängers Greenspan lösen. Jüngste Konjunkturdaten haben dem obersten US-Notenbanker einen Kurswechsel nun aber erschwert.

Zumindest für diesen Dienstag rechnet man nicht mehr damit, dass Bernanke das Ruder herumreißen könnte. Die Zins-Futures lassen nur einen Schluss zu: Der Leitzins wird noch einmal angehoben, und zwar mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um weitere 25 Basispunkte auf 4,75 Prozent. Das wäre dann die fünfzehnte Anhebung in Folge, seit die Fed vor zwei Jahren bei 1,0 Prozent gestartet war.

Anders als noch vor wenigen Monaten rechnen einige Experten an der Wall Street sogar damit, dass Bernanke den Leitzins um ganze 50 Basispunkte anheben könnte – wahrscheinlicher als eine Zinspause findet man das allemal.

Woher kommt´s? – Für die Fed, so sind sich Beobachter einig, ist eben die Inflationsgefahr noch immer stärker als zu rasches Wachstum. Die rasant steigenden Verbraucherpreise, deren Trend natürlich vor allem auf den hohen Energiekosten fußt, haben das zuletzt unterstrichen, ebenso die steigende Kapazitätsauslastung und die Entwicklung am Arbeitsmarkt, wo man zumindest auf dem Papier die niedrigste Arbeitslosenquote seit fünf Jahren misst.

Den Leitzins weiter anzuheben hat noch einen weiteren Vorteil für Bernanke: Der neue Mann könnte sich am Rentenmarkt beliebt machen. Insider fürchten seit geraumer Zeit, dass der Führungswechsel von einem Zins-Signal begleitet werden müsste, um Anlegern klar zu machen, dass Bernanke ein würdiger Nachfolger für den legendären Greenspan sei. Bernanke dürfte das wissen und schon allein um der Stabilität und Vertrauensbildung willen gar nicht darüber nachdenken, die Zinsen unverändert zu lassen.

Von enormer Wichtigkeit ist allerdings die Presseerklärung, mit der die Fed die Zinsentscheidung begleiten wird. Wenn schon die Politik der Notenbank gleich bleiben dürfte, so muss sich Bernanke zumindest in der Wortwahl ein wenig von seinem Vorgänger unterscheiden, nicht zuletzt um eine eigene Persönlichket zu etablieren. Dazu kommt natürlich, dass sich die Fed unabhängig von der direkten Zinsentscheidung am Dienstag generell einem Ende der Anhebungen nähert – das muss im Pressetext deutlich werden.

Traditionell handelt die Börse vor Bekanntgabe einer Zinsentscheidung schwach und unmotiviert. Das ist an diesem Montag angesichts des Generationswechsel nicht anders.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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