Thema: Krankenkassen
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Alt 31-03-2006, 19:44   #5
PIK AS
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Hallo,

hier kommt der angekündigte Zeitungsbericht, denke Worte dazu kann ich mir sparen.
Veröffentlicht wurde er am 23.03.2006 in der Neue Westfälische



BIELEFELD: Um 17.000 Euro verrechnet
Krankenhaus lenkt nach Widerspruch ein
VON PETER STUCKHARD

Bielefeld. Ein Blick auf die Abrechnung des Krankenhauses machte Rainer H. stutzig. 499 Stunden waren für die künstliche Beatmung seiner Frau aufgelistet. Ein Wert, der dem Privatpatienten unmöglich erschien. Rainer H. hakte nach.

Rainer H. ist ein trauriger Mann. Im Januar verlor er seine Ehefrau, die im Bielefelder Franziskus-Hospital einer schweren Krankheit erlag. Rainer H. ist aber auch ein ärgerlicher Mann. Denn die Rechnung, die das Krankenhaus anschließend ausstellte, war aus seiner Sicht pietätlos und falsch. Er bekam Recht, das Krankenhaus korrigierte die Rechnung um knapp 17.000 Euro nach unten.

Eine, wie Krankenhausgeschäftsführer Georg Rüter gegenüber dieser Zeitung einräumt, "sicher erklärungsbedürftige Differenz". Das hat Privatpatient Rainer H. von Anfang an genauso gesehen. Zunächst empfand er die Rechnung nur als pietätlos. Das Krankenhaus hatte sie nicht nur an seine verstorbene Frau adressierst, sondern deren Todestag als "Entl.-Dat." bürokratisch festgehalten.


Noch mehr störte H. allerdings die Tatsache, dass die Rechnung nur verschlüsselte Diagnosen wie "C16.8", "C15.8" oder "ICPM: 1-632" enthielt. Auch bei den einzelnen Rechnungsposten fand er wenig aussagekräftige Bezeichnungen wie "AIP- und Arbeitsz. Zuschlag".

Viel gravierender war für ihn aber die Tatsache, dass das Krankenhaus die künstliche Beatmung der Patientin über mehr als 499 Stunden in Rechnung stellte. Rainer H.: "Das war unmöglich, meine Frau war an mehreren Tagen überhaupt nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen, an manchen Tagen stand es nicht einmal im Zimmer. Das weiß ich, weil man sich doch an jeden Hoffnungsschimmer klammert."

Ein Freund riet ihm, es so zu halten, wie die meisten Versicherten: "Gib die Rechnung einfach weiter, du bekommst das Geld doch sowieso erstattet." Nicht so Rainer H. Er hakte nach und wollte Belege für die Nutzungsdauer des Beatmungsgerätes sehen. Das allerdings klappte nicht, weil, so H., "ein Verwaltungsmitarbeiter erklärte, die Unterlagen seien bei Dr. K., der aber gerade operiert."

Rainer H. ließ nicht locker und widersprach schriftlich. Seinen Wunsch nach einer nachvollziehbaren Rechnung relativierte Geschäftsführer Georg Rüter. Es sei zwar zutreffend, dass ein Privatpatient einen persönlichen Vertrag mit Krankenhaus und Chefarzt abschließe. Man müsse aber auch den "finanzwirtschaftlichen Aspekt berücksichtigen", dass letztlich eine private oder gesetzliche Krankenversicherung Adressat von Rechnungen sei. Dort würden die Rechnungen schon verstanden. Rüter: "Interpretationsspielräume bestehen (. . .) nicht."
"Entwöhnung" habe zur Differenz geführt

Was die "Interpretationsspielräume" angeht, musste der Krankenhauschef allerdings zurückrudern, nachdem er sich noch einmal mit seinen verantwortlichen Mitarbeitern kurzgeschlossen hatte. Denn, so Rüter in einer Stellungnahme für diese Zeitung, "bei der monierten Rechnung handelt es sich um einen Grenzfall" des neuen Fallpauschalensystems – "mit Interpretationsspielraum".

Bei einer lang währenden Beatmung werde immer wieder versucht, den Patienten davon zu "entwöhnen". In der Tat steht in den Kodierrichtlinien für Krankenhäuser: "Die Dauer der Entwöhnung wird bei der Berechnung der Beatmungsdauer hinzugezählt." Ob und wie die Entwöhnung noch zur Beatmung zähle oder nicht, sei im vorliegenden Fall "unterschiedlich interpretiert" worden. Dieser Unterschied habe eine Differenz von 157 Stunden oder 16.600 Euro ausgemacht. Rüter: "Das System der Fallpauschalen ist noch nicht frei von Unklarheiten." Zumindest darin dürften sich Geschäftsführer und Privatpatient jetzt einig sein.

Quelle: Neue Westfälische 2006
Erscheinungsdatum 23.03.2006
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