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Alt 14-06-2006, 08:21   #143
Benjamin
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Gold in Euros ausgedrückt:


Gold fällt, obwohl alle Notenbänker weltweit das Thema Inflationsgefahr im Munde führen. Das gibt einem doch zu denken, oder?

Gold steigt immer dann, wenn Inflation ein größeres Thema ist oder zu werden droht. Dann sollte Gold jetzt steigen und nicht so einen rasanten Fall hinlegen, allenfalls eine gemächliche technische Korrektur zeigen. Das sehen wir aber nicht. Gold fällt hart, so hart wie noch nie in jüngster Zeit, da findet eine Flucht statt - und das bei ebenfalls rasant fallenden Aktienmärkten, wo sich doch eine "Fluchtburg Gold" anbieten würde - wenn Gold denn eine wäre. Damals in der Zeit des letzten Aktienbärenmarktes (Januar 2000 - März 2003) stieg Gold. Jetzt fällt es. Das ist doch seltsam, oder?

Aber evtl. ist Gold keine Fluchtburg mehr. Das träfe dann zu, wenn Inflation mittel- bis langfristig eben kein relevantes Thema mehr sein würde, sprich: Deflation . Bei der Deflation fallen die Preise, dann wird Gold eher uninteressant als Anlageobjekt. Käme mittel bis langfristig Deflation, dann wäre der Goldchart mit seinem jüngsten rasanten Kursverfall verständlich.

Eine charttechnische Möglichkeit wäre in dem Falle die Fertigstellung einer SKS-Formation im Monats-Goldchart ganz oben. In dem Falle würde es von den 550 Dollar erst einmal vorübergehend wieder etwas raufgehen, um dann später wieder einzubrechen - unter die 550. Dann müßte für die Folgejahre ein Kursziel von knapp 400 US-Dollar abgeleitet werden: Unvorstellbar zum jetzigen Zeitpunkt (auch weil die Produktionskapazität von Gold sinkt und die Produktionskosten steigen)! Um eine SKS-Formation im Cahrt zu vermeiden müßte Gold von ca. 550 aus wieder steigen, diesen Wert jedenfalls nicht mehr nachhaltig unterschreiten. Sinkt Gold jedoch unter die zentrale Unterstützung bei ca. 540 Dollar, dann brechen die charttechnischen Dämme! 543 wurde heute erreicht! Zumindest technisch sollte jetzt eine Gegenreaktion erfolgen.

Deflation und Rezession gehören zusammen. Für eine Rezession gibt es nun bereits zwei handfeste Signale:

1. Die Zinskurve ist invers, sprich: Die kurzfristigen US-Anleihen rentieren tendentiell höher als die langlaufenden US-Anleihen. Das war in der Vergangenheit ein ziemlich verläßlicher Rezessionsindikator.

2. Die sog. vorausschauenden US-Indikatoren weisen seit 4 Monaten nach unten, am 22. Juni kommt die 5. Monatszahl heraus, voraussichtlich ebenfalls negativ. Schon 3 negative Werte hintereinander sind ein ziemlich verläßlicher Indikator für eine anstehende Rezession.

Mein Verdacht: Der Goldpreis könnte sich eben gerade NICHT wie von so vielen erwartet in einer rein technischen Korrektur befinden, sondern eine langfristige Trendwende bereits vollzogen haben. Er wäre damit ein 3. Rezessionsindikator , weil hier Deflation angekündigt wird, die mit Rezession einhergeht.

Der Kupfer-Chart mit seinen jüngsten rasanten Kursverlusten bietet ein Beispiel dafür, was den Metall-Märkten insgesamt blühen könnte, siehe Kupfer Open End Zertifikat, NL0000212934 / ABN0GK, 6 Monate:


Klar: Wenn die Konjunktur auch in den bisherigen Spitzenverbrauchsländern abflacht (Indien, China, USA), dann fallen Rohstoffpreise, vor allem dann, wenn sie vorher in einer Übertreibungsrally so hoch geschossen sind. Um die Übertreibung zu reduzieren wenden die Notenbanken im ersten Schritt höhere Zinsen an. Wenn der gewünschte Effekt dann allmählich eintritt, ist man für eine kurze Zeit zufrieden. Aber dann wird man die Geister nicht mehr los, die man rief: Die Konjunkturverlangsamung und Inflationsabsenkung gehen weiter, viel stärker als mit den Zinserhöhungen beabsichtigt. Dann wird das Ruder herumgerissen, man möchte gegensteuern, die Zinsen werden wieder gesenkt, Geld wird wieder billiger. Und trotzdem kaufen die Leute nicht mehr so viel wie früher, weil Konjunktur und Konsum nicht wie erhofft wieder hochgehen: Man hat bereits sehr viele Kapazitäten geschaffen, die wollen jetzt ausgelastet werden. Da werden zur Not auch Zugeständnisse bei den Preisen für Produkte und Dienstleistungen gemacht (sinkende Preise!), dann fallen aber die Gewinnmargen - und damit die Aktienkurse. Ein Selbstläufer entsteht. Der Markt gibt die Wachstumsraten der letzten paar Jahre einfach nicht mehr her, die Leute fangen aus Zukunftssorgen an zu sparen - und verschieben größere Käufe auf später oder steichen sie ganz: Deflation mit Rezession!

Das bedeutet für EUR/USD, dass wir eine Ausweitung des Spreads zwischen Gold und EUR/USD sehen werden.

Sobald allerdings EUR/USD in einen starken Steigflug übergeht, sollte sich Gold im (abwertenden) Dollar bewertet natürlich währungsbedingt auch nach oben bewegen. Interessant wird dann aber sein, wie sich Gold in (aufwertenden) Euros bewertet verhalten wird, siehe den einen Chart oben.

Dieser Verdacht hinsichtlich Goldpreis befindet sich im Spielfeld der Analystenversionen weit außerhalb der Spielzone, wird also allgemein nicht erwartet. Das könnte bedeuten, dass der Verdacht stimmt, denn diese Leute liegen in kritischen Börsenphasen in der Regel falsch. Sie blasen ja jetzt immer noch zum Einstieg in Fonds und Aktien, weil das ja jetzt so schöne Einstiegskurse sind. Traumtänzer! Mir ist noch die Ankündigung von 1000 USD/ounce Goldpreis noch in 2006 im Ohr, abgegeben u. a. von einer großen US-Bank kurz vor dem Platzen der eventuellen Gold-Blase.

Auch Dr. Marc Faber ist ja ein glühender Gold-Anhänger und Besitzer von Immobilien in Asien, weil er eine durch Gelddrucken künstlich angefachte Inflation während einer Rezession wittert. Das wäre die schlimmste aller Welten! Wenn neben der zyklischen Rezession die quasi natürliche Folge "sinkende Preise" unterbunden würde, indem verzweifelt Geld gedruckt wird, um wenigstens nominal die Rechnungen bezahlen zu können, dann kollabiert alles. Alle Glaubwürdigkeit in jedwede offizielle Steuerungsinstanz im System (Notenbank, Regierung) würde verschwinden, es käme dann eine schwerste Krise des ganzen politischen und finanzökonomischen Systems. Wenn Faber damit recht behielte, kämen furchtbare Zeiten auf die USA und uns in Europa zu.

Falls Deflation mit Rezession käme, dann
- würden die US-Zinsen langfristig wieder gegen Null gehen
- Aktienmärkte einbrechen
- Anleihemärkte einbrechen
- Immobilienmärkte einbrechen
- Industriemetalle einbrechen
- Dollars gedruckt werden
- EUR/USD durch die Decke gehen (Möglicherweise ein Crash!)

Sollte Gold dann auch im Preis sinken? Was wäre dann noch eine "Fluchtburg"?

Möglicherweise ist das gerade der volkswirtschaftliche "Sinn" dieser langfristigen Phase: Die Vernichtung von überschüssiger Geld-Liquidität, Produktions-Kapazität und von sonstigen Vermögenswerten, die nicht durch eine aktive und erfolgreiche Wertschöpfung abgedeckt sind. Falls das so wäre, dann würden auch die Preise für Gold und Silber fallen.

Falls - volkswirtschaftlich betrachtet - in dieser Zeitphase das vernichtet bzw. reduziert werden soll, was vorher langfristig zu viel geschaffen wurde, dann kann es keine breit zugängliche Fluchtburg geben, dann muss alles fallen. Eine rein taktische Fluchtburg kann dann allenfalls das Shorten dieser Märkte sein.

Den Zusammenhang zwischen Goldpreis einerseits und Deflation andererseits werde ich für mich noch weiter erkunden. Hier steht mein von mir selbst abgeleiteter Verdacht, dass all diese "Falls dies, dann das-Sätze" in diesem Posting in Wahrheit tatsächlich eine Prognose mit einem Ausrufungszeichen sind. Um diese Prognose tatsächlich für mich auszurufen fehlt mir noch ein wenig mehr Recherche.

Bin jedenfalls gespannt, ob sich all das bewahrheitet.

Mich interessieren Links zu Seiten im Internet, die sich ernsthaft mit dieser Thematik beschäftigen (kein Gequatsche wie bei WO). Kann hier jemand solche Links posten? Wäre nett!
Eine kleine eigene Sammlung habe ich bereits hier gepostet:
http://www.traderboersenboard.de/sho...threadid=12193

Geändert von Benjamin (14-06-2006 um 11:30 Uhr)
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