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Alt 14-09-2006, 07:50   #171
OMI
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Rohstoffeinbruch stützt US-Dollar
[13.09.2006 14:10:54]
Von Jochen Steffens


Die Rohstoffe brechen ein. Damit geschieht genau das, was ich vor Wochen schon mehrfach angemahnt habe: Wenn es sich tatsächlich abzeichnet, daß die US-Wirtschaft schwächelt, dann werden auch die Rohstoffe massiv zurückkommen. Damals hatte ich geschrieben, daß dies auch für Gold gelte und aus diesem Grund die Goldbullen nicht auf den Zusammenbruch des amerikanischen Imperiums hoffen sollten, sondern eher darauf, daß die US-Wirtschaft weiter boomt. Damals erhielt ich einige böse Mails – aus diesem Grunde sei es mir gegönnt, das mit einem Zwinkern in den Augen noch einmal zu erwähnen.

Insgesamt fragen sich viele Analysten, ob es denn zu einer Rezession kommen wird. Hier muß man sehr genau aufpassen. Denn es kann gut sein, daß eine Abschwächung der US-Wirtschaft oder sogar eine Rezession entweder bereits eingepreist ist oder wir noch gerade dabei sind, ein solches Szenario einzupreisen. Dann käme es im September/Oktober noch zu einem weiteren Rutsch nach unten. Denken Sie immer daran, daß die Börse solche Entwicklungen vorweg nimmt. Wichtiger ist also, was kommt nach dieser Abschwächung/Rezession, beziehungsweise, wie lange wird sie andauern. Es geht um die Fragen, ob die US-Wirtschaft die bisherigen Zinserhöhungen wegstecken kann, ob es zu Zinssenkungen oder zu weiteren Zinserhöhungen kommen wird, ob die Rohstoffe sich weiter verbilligen oder nicht.

Inverse Zinskurve uninteressant

Interessant finde ich immer wieder die Argumentation vieler Bären mit der inversen Zinskurve in den USA. Das wird nach wie vor als Hinweis dafür genommen, daß wir eine Rezession erwarten. Kaum jemand der Bären bemerkt, daß diese inverse Zinskurve auch die Folge dieser gigantischen Liquidität sein kann, und weniger aus Sorge vor einer großen Rezession entsteht. Das Geld mußte irgendwo hin. Es floß in Rohstoffe, den Immobilienmarkt, die Bonds und Aktien. Wir erlebten eine Zeit, in der alles stieg, was nur steigen konnte. Daraus irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen, ist höchst gefährlich. Denn dieses Mal kann es tatsächlich so sein, daß die inverse Zinskurse kein Hinweis auf zu große Absicherungsneigung ist, sondern einfach nur, wie gesagt, eine Folge von massiver Liquidität ist. Und dann wäre es dieses Mal tatsächlich anders, dann wäre die inverse Zinskurve kein Hinweis auf eine Rezession. Ich halte es hier mit Alan Greenspan, der noch in seiner Amtszeit gesagt hatte, daß die inverse Zinskurve kein Grund zur Sorge sei – ich nehme an, aus oben genannten Gründen.

Wenn die Rohstoffe weiter derart massiv einbrechen, wie in den vergangenen Tagen, dann wird das Thema Inflation sehr schnell ein Thema von gestern sein. Und es wird nicht lange dauern, bis die Märkte das spielen. Allerdings, wenn die ersten Inflationszahlen ins Negative gerutscht sind, also wenn die Masse begreift, daß die Inflation kein Thema mehr ist, könnte es zu spät sein. Dann könnte der Trend bereits weit fortgeschritten sein. Es wird dann auch nicht lange dauern, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, daß die Fed zur Zeit eben nicht auf einem schmalen Grat wandelt, sondern dann auf einmal ganz viel Luft hätte. Luft, die Zinsen zu senken, wenn die Wirtschaft sich abschwächt oder um sie auf dem aktuellen Niveau zu halten, wenn der Dollar sich abschwächen sollte.

Dollar profitiert von fallenden Rohstoffpreisen

Wenn Sie sich fragen, warum der Dollar gerade so viel Stärke (zum Euro) zeigt: Grundsätzlich liegt es an dem Zinsgefälle, welches für den Dollar spricht, einfach weil das liebe Geld halt dahin fließt, wo es mehr Renditen erwirtschaftet, in diesem Fall in die USA. Im Moment kommt noch ein weiterer Umstand hinzu: Der Ölpreis und die Rohstoffpreise fallen. Wir hatten in der letzten Zeit dort eher eine Aufwärtsspirale gesehen. Ein fallender, schwächer werdender Dollar unterstützte die Steigerung der in Dollar gelisteten Rohstoffpreise, da er immer weniger „Wert“ kaufen konnte. Die immer stärker steigenden Rohstoffpreise führten jedoch dazu, daß die Rohstoffländer gigantische Summen an Dollar eingenommen haben. Hier bestand dann die Neigung diese Dollareinnahmen immer weiter zu diversifizieren, auch, um das gerade erworbene Vermögen gegen die Dollarentwertung zu schützen.

Sie verkauften also Dollar und tauschten diesen in andere Währungen, beispielsweise den Euro, um. Das wiederum verschärfte natürlich den Druck auf den Dollar, beschleunigte die Dollarabwertung und führte damit zu noch weiter steigenden Rohstoffpreisen. Ein Teufelskreislauf. Dieser Kreislauf ist nun durch die stark steigenden Zinsen in den USA und die damit verbundene Stützung des Dollars unterbrochen worden. Jetzt kann es sogar sein, daß sich diese Spirale umkehrt. Die rohstoffexportierenden Länder verdienen weniger, aus diesem Grund besteht weniger Notwendigkeit die Dollareinnahmen zu diversifizieren. Kurz, die Dollarverkäufe lassen nach, die Käufe anderer Währungen ebenfalls.

Steigt nun der Dollar sogar an, dann werden auch die in Dollar gelisteten Rohstoffe wieder preiswerter, da der Dollar dann mehr „Wert“ kaufen kann. Die Einnahmen der Rohstoffländer würden dann noch weiter zurückgehen. Durch diesen Rückgang wäre auch die Notwendigkeit der Diversifikation geringer, zumal der Dollar eben auch Stärke zeigen würden. Gleichzeitig hat die USA im Vergleich zu Europa und Japan höhere Zinsen, auch das wird den Dollar stützen.

Es gibt also die theoretische Möglichkeit, daß der Dollar auf einmal, entgegen der allgemeinen Erwartung, Stärke zeigen wird. Wundern Sie sich also nicht, wenn der Dollar bei weiter schwächer werdenden Rohstoffpreisen besonders im Verhältnis zum Euro immer deutlichere Stärke zeigen wird oder sich zumindest auf aktuellem Niveau hält! Nun stellen wir uns vor – rein theoretisch, der Dollar zeigt insgesamt, also nicht nur zum Euro, sondern auch zu den anderen Ländern Stärke (bei fallenden Rohstoffpreisen gerade auch im Verhältnis zu den Währungen der Rohstoffländer). Dann würde der US-Markt auf einmal für Europäer und andere Anleger interessant, eventuell auch für die Rohstoffländer. Auch das könnte zu Kurssteigerungen in den USA führen.

Wer würde Ihnen als Europäer im Moment aus währungstechnischen Gesichtspunkten empfehlen, Ihr Geld in den USA anzulegen? Wahrscheinlich niemand – Sie wissen, auf dieser Seite der Börsen-Welt, wo niemand steht, stehe ich am liebsten. Aber ich möchte betonen, daß dies wieder einmal eine sehr, sehr frühe Betrachtung der Dinge ist. Wenn die Euro-Stützung durch die in Euro gewechselten Rohstoff-Dollar wegfallen würde, könnte es allerdings sein, daß die EZB bald heftige Inflationssorgen haben wird. Vielleicht muß man auch in diesem Zusammenhang die Nachricht verstehen, daß die EZB nach neuesten Nachrichten „sehr besorgt“ über die Inflationsentwicklung im Euro-Raum ist.


Jochen Steffens ist Autor des kostenlosen Newsletters "Investor's Daily".
Quelle: instock
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