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Alt 15-10-2006, 22:02   #2
Starlight
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Ein phantastisches Szenario für Aktien“




14. Oktober 2006
Die Stimmung an den Aktienmärkten bleibt gut: Am Freitag erreichte der Deutsche Aktienindex Dax mit 6.188 Punkten seinen höchsten Stand seit mehr als fünf Jahren. Eine Torte mit Wunderkerzen - wie bei Rekordfeiern vor wenigen Jahren noch üblich - wurde zwar nicht mehr auf das Parkett getragen, allseits gute Laune brachte die starke Entwicklung der Aktien aber doch mit sich.


Nach Ansicht der meisten Analysten dürfte dies auch in naher Zukunft so bleiben. Sie haben sich auf eine sanfte Landung der Konjunktur eingestellt, gehen also davon aus, daß die amerikanische Wirtschaft - und mit ihr auch die Wirtschaft in Europa - sich zwar abkühlt, ein Abgleiten in eine Rezession aber verhindern kann. Grund für den verstärkten Optimismus ist vor allem der Ölpreis. Kostete ein Barrel (159 Liter) am 7. August noch 79 Dollar, sind es jetzt, gut zwei Monate später, nur noch 59 Dollar.


„Eine Rezession wird es nicht geben“


Das führt zu einem Rückgang der Inflation und damit zur Entspannung an der Zinsfront. In Europa dürften die Leitzinsen nur noch leicht steigen, in Amerika sogar eher wieder sinken. Außerdem spart der niedrigere Ölpreis Unternehmen und Verbrauchern Geld, mit der Folge, daß die Gewinne der Unternehmen steigen und bei den Verbrauchern Kaufkraft für anderweitigen Konsum frei wird. Beides stützt die Konjunktur und mit ihr die Aktienmärkte.


„Wir gehen zwar von einem geringeren globalen Wachstum aus“, sagt Aktienstratege Bernd Meyer von der Deutschen Bank. „Eine Rezession wird es aber nicht geben.“ Bereits im zweiten Halbjahr 2007 sei wieder mit einer konjunkturellen Aufhellung zu rechnen und für die Jahre 2008 und 2009 mit einer guten Konjunktur. „Niedrigere Ölpreise, niedrigere Inflation, kein Zinsanstieg mehr, sondern vielmehr sinkende Zinsen wären ein phantastisches Szenario für Aktien“, freut sich Meyer.


„Wieder mehr Aktien ins Depot aufnehmen“


Dieses Umfeld führe dazu, daß die Gewinne der Unternehmen weiter wachsen werden, zwar nicht mehr so stark wie zuletzt, aber einen Einbruch werde es auch nicht geben. Meyers Schätzung, die er als eher konservativ bezeichnet, geht von einem Anstieg der Indizes um weitere 15 Prozent in den nächsten zwölf Monaten aus - in Europa wie in den Vereinigten Staaten.


Auch Karsten Stroh, Leiter des Aktienteams von JP Morgan Asset Management, sieht es an der Zeit, „wieder mehr Aktien ins Depot aufzunehmen“. Die Bewertungen seien derzeit niedrig und die Risikoprämien beträchtlich. Stroh bevorzugt die kontinentaleuropäischen Aktienmärkte. Für sie spreche ein robustes Wirtschaftswachstum, ansehnliche Unternehmensgewinne und günstige Liquiditätsbedingungen. Außerdem könne zusätzlich eine Erholung der Binnennachfrage zu weiterem Wachstum und einer geringeren Abhängigkeit von Exporten führen. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) in Europa lägen auf der Basis zukünftiger Gewinne bei 12,7 und damit unter ihren langjährigen Durchschnittswerten.


„Dax-Anstieg auf 6.450 Punkte sollte schon drin sein“


Kurzfristige Gewinnmitnahmen hält Volker Borghoff, leitender Aktienstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt, für möglich. „Die Erwartungen an die Unternehmensergebnisse sind hoch, positive Überraschungen daher unwahrscheinlich.“ Für das Jahr 2007 rechnet er jedoch wieder mit höheren Aktienkursen. „Ein Dax-Anstieg auf 6450 Punkte sollte schon drin sein“, sagt Borghoff. Auch für den Euro Stoxx 50 und die amerikanischen Indizes sieht er im kommenden Jahr steigende Kurse. Indizien für eine harte konjunkturelle Landung bestünden nicht. Borghoff bevorzugt dabei europaweit nichtzyklische Werte wie Versorger, Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich und Konsumtitel. Die Zykliker seien bei ihren Margen auf Rekordniveau, und die Phantasie für weitere Steigerungen sei daher nicht gegeben.


Bernd Meyer ist besonders bei Bankaktien und Versicherungswerten optimistisch. Sie würden in besonderer Weise von der guten Lage an den Finanzmärkten profitieren und könnten zudem mit weiter hohen Erträgen aus Unternehmensakquisitionen rechnen. Auch für Technologiewerte und den Gesundheitssektor ist er optimistisch.


„Die Telekom-Branche leidet unter extremem Preisdruck“


Ein Blick auf die Gewinner dieses Jahres macht zudem deutlich: Überall wo Übernahmen stattfinden oder zumindest Gerüchte im Umlauf sind, kann der Anleger von hohen Kursgewinnen profitieren. Am anderen Ende der Skala - in der Riege der Verlierer dieses Jahres - tummeln sich vor allem Telekommunikationswerte. Und die Aktienstrategen machen den Anteilseignern dieser Unternehmen auch wenig Hoffnung. „Die Branche weist kaum organisches Wachstum auf und leidet unter extremem Preisdruck“, sagt Volker Borghoff.


Als der Dax im Jahr 2000 bis auf 8.136 Punkte getrieben wurde, standen Werte wie die Deutsche Telekom und Mannesmann noch ganz an der Spitze der Entwicklung. Vom einstigen Rekord sind Telekom-Werte nun meilenweit entfernt. Aber auch der Dax insgesamt hat auf dem Weg zum alten Rekord noch ein gutes Stück vor sich.

Text: dmoh. / F.A.Z., 14.10.2006, Nr. 239 / Seite 21
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