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Alt 23-09-2002, 07:37   #6
cade
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Ausschluss von Minderheitsaktionären („Squeeze-Out“)
Nach dem von der Bundesregierung am 11.07.2001 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung
von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen
(kurz: Übernahmegesetz bzw. WpÜG) soll künftig bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften
auf Aktien unter den nachfolgend dargestellten Voraussetzungen ein Ausschluss von Minderheitsaktionären
(„Squeeze-Out“) aus der Gesellschaft möglich sein.
Wie das Bundesministerium für Finanzen auf Nachfrage bestätigte, geht die Bundesregierung davon
aus, dass das Übernahmegesetz – wie geplant – am 01.01.2002 in Kraft treten kann.
1. Anwendungsbereich
Die Möglichkeit zum Ausschluss von Minderheitsaktionären soll sowohl bei börsennotierten
wie auch bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien
bestehen.
2. Gesetzliche Voraussetzungen für den Squeeze-Out
Hält ein Aktionär 95 % oder mehr Aktien an einer Gesellschaft und wird er somit im Sinne des
Gesetzes zum Hauptaktionär der Gesellschaft, so kann dieser nach der geplanten gesetzlichen
Neuregelung die Übertragung der von den Kleinaktionären gehaltenen Aktien gegen Gewährung
einer angemessenen Barabfindung verlangen.
Begrifflich ist dabei auch derjenige Hauptaktionär, dem auf Grund von Zurechnung von Anteilsbesitz
95 % der Aktien gehören. Eine Zurechnung findet insbesondere bei von Dritten
treuhänderisch für den Hauptaktionär gehaltenen Anteilen bzw. dann statt, wenn die Beteiligung
von einem im Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptaktionär stehenden Unternehmen gehalten
wird. Zweck dieser Regelung ist die Vermeidung eines aufwändigen, wirtschaftlich
aber unsinnigen „Umhängens“ von Beteiligungen, nur um die formalen Voraussetzungen für
den Squeeze-Out zu erfüllen. Eine Zurechnung soll selbst dann erfolgen, wenn der Hauptaktionär
an der Gesellschaft unmittelbar nur eine geringe Beteiligung hält.
3. Festlegung der Barabfindung
Nach dem Gesetzesentwurf wird die an die ausscheidenden Aktionäre zu zahlende Barabfindung
grundsätzlich durch den Hauptaktionär festgelegt, wobei die Verhältnisse der Gesellschaft
im Zeitpunkt des Beschlusses der Hauptversammlung über den Ausschluss des oder der
Minderheitsaktionäre berücksichtigt werden müssen. Der ausscheidende Aktionär muss als Entschädigung
für den Verlust seiner Eigentümerstellung eine volle wirtschaftliche Kompensation
erhalten, die jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert der gehaltenen Aktien liegen darf. Bei
börsennotierten Gesellschaften muss der Verkehrswert zumindest auch im Hinblick auf den
Börsenkurs festgelegt werden. Nach der Rechtsprechung ist hierbei auf den Durchschnittsbörsenkurs
der letzten drei Monate abzustellen.
Die Angemessenheit der Barabfindung muss nach dem Gesetzesentwurf durch einen oder
mehrere vom Hauptaktionär zu bestellende sachverständige Prüfer überprüft werden.
Eine gesonderte Festlegung der Abfindung durch den Hauptaktionär sowie die Prüfung der Angemessenheit
der Barabfindung durch einen sachverständigen Prüfer ist jedoch entbehrlich,
wenn die Stellung als Hauptaktionär innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Übertragungsbeschluss
auf Grund eines öffentlichen Angebotes auf Erwerb von Aktien im Sinne des
WpÜG erlangt wurde, wobei dieses Angebot eine Geldleistung umfasst haben und von mindestens
90 % der Adressaten (maßgeblich ist die Kopfzahl der Aktionäre) angenommen worden
sein muss. In diesem Fall wird nach dem Gesetzesentwurf unwiderleglich vermutet, dass es
sich bei dem im öffentlichen Angebot genannten Kaufpreis um einen marktgerechten Preis
handelt, der den Interessen der Minderheitsaktionäre angemessen Rechnung trägt. Eine gerichtliche
Nachprüfung der Angemessenheit der Barabfindung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Derzeit wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert, ob auch bei solchen Angeboten,
die nicht auf den Erwerb sämtlicher außenstehender Aktien, sondern nur auf eine begrenzte
Anzahl von Aktien gerichtet sind (Teilangebote im Sinne des WpÜG), eine mindestens
90%ige Zustimmung aller anderen Aktionäre erforderlich ist oder ob die gesonderte Festlegung
einer Barabfindung bei Teilangeboten schon bei Vorliegen einer niedrigeren Zustimmungsquote
entbehrlich ist. Im letzteren Fall würde sich die Frage stellen, ob die vom Gesetzgeber in
den Gesetzesentwurf aufgenommene unwiderlegliche Vermutung hinsichtlich des Vorliegens
eines marktgerechten, die Interessen der Minderheitsaktionäre wahrenden Preises immer gerechtfertigt
ist.
4. Gerichtliche Kontrolle der Angemessenheit der Barabfindung
Sollte die vom Hauptaktionär angebotene Barabfindung nicht angemessen sein, so kann der
ausgeschiedene Aktionär innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung der registergerichtlichen
Eintragung des Übertragungsbeschlusses das im Bezirk des Sitzes der Gesellschaft
zuständige Landgericht im Spruchstellenverfahren anrufen und beantragen, eine angemessene
Abfindung festzulegen. Das Gleiche gilt, wenn der Hauptaktionär überhaupt keine Barabfindung
angeboten hat. Obsiegt der Minderheitsaktionär, so ist die vom Gericht erhöhte Barabfindung
zu bezahlen.
Eine Anfechtung des Übertragungsbeschlusses wegen Unangemessenheit der Barabfindung ist
dagegen nicht möglich.
Problematisch ist aber, dass eine gerichtliche Kontrolle der Angemessenheit der Barabfindung
im Falle eines Squeeze-Outs nach Abgabe eines weniger als sechs Monate zurückliegenden öffentlichen
Angebotes im Sinne des WpÜG ausgeschlossen ist, da nach der Vorstellung des Gesetzgebers
in diesem Fall stets von einem marktgerechten Preis ausgegangen werden muss (vgl.
oben Ziffer 3.).
5. Übergang der Mitgliedschaftsrechte - Entstehung und Sicherung des Abfindungsanspruches
Mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses gehen sämtliche Aktien der Minderheitsaktionäre
automatisch auf den Hauptaktionär über. Der Erwerbsvorgang ist somit ohne weitere Erklärung
der Parteien abgeschlossen. Gleichzeitig entsteht der Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen
Aktionärs.
Der Abfindungsanspruch ist ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses
im Handelsregister mit jährlich 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu
verzinsen.
Zudem wird der Abfindungsanspruch durch eine vom Hauptaktionär dem Vorstand vor Einberufung
der Hauptversammlung vorzulegende Verpflichtungserklärung eines Kreditinstitutes, für
die Zahlung der Barabfindung einstehen zu wollen, gesichert.
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