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Alt 24-06-2007, 09:09   #1
Benjamin
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Kernpunkte des geplanten neuen EU-Grundlagenvertrags

Vertragsgrundlage:
Durch einen rechtlich komplexen Änderungsvertrag wird die EU auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Die Änderungen sollen den Vertrag von Nizza aus dem Jahr 2000 an die Bedürfnisse der vergrößerten Union anpassen. Der Plan einer umfassenden, für die Bürger verständlichen europäischen Verfassung wurde wegen der Sorge mehrerer Staaten vor einer zu großen Rolle der EU komplett aufgegeben.

Institutionelle Reformen:
Die meisten Teile der Reform sollen bis zur Europawahl im Jahr 2009 gültig werden. Dazu gehören die Erweiterung der Themen, die in der EU nicht per Konsens, sondern durch Mehrheit entschieden werden. Auch werden die Zuständigkeiten zwischen EU und Nationalstaaten stärker abgegrenzt (Subsidiaritätsprinzip). Dazu wird ein Verfahren verankert, durch das Bedenken nationaler Parlamente gegen Vorschläge der EU-Kommission stärker berücksichtigt werden sollen. Ein auf 36 Monate gewählter Ratspräsident soll Europa kontinuierlicher führen als sechsmonatigen Präsidentschaften.

Außenpolitischer Vertreter:
Mit der Schaffung eines einzigen Postens soll das bisherige Nebeneinander eines Außenkommissars und eines Außenbeauftragten der EU beendet werden und die EU international ein Gesicht erhalten. Aus Sorge Großbritanniens vor einem zu großen Gewicht heißt das Amt aber nicht EU-Außenminister, sondern weiterhin "Hoher Vertreter".

Polen und das Stimmengewicht:
Als Kompromiss tritt das neue Stimmengewicht der EU-Staaten erst ab dem Jahr 2014 in Kraft, nach der übernächsten Europawahl. Grundsätzlich ist für einen Beschluss die Zustimmung von mindestens 55 Prozent der Staaten nötig, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten müssen. Bis dahin gelten die für Polen günstigeren Regeln des Nizza-Vertrags. Auf Wunsch eines Staates können diese sogar bis 2017 Anwendung finden. Direkte Auswirkungen werden aber nicht erwartet. Gegenüber früheren Plänen wurde auch die Schwelle erhöht, die zur Blockade einer Entscheidung nötig ist - von vier auf fünf Staaten.


Großbritannien und die Grundrechte-Charta:
Auf Druck der Regierung in London wird die Charta der EU-Grundrechte formal nicht Teil des neuen Vertrags. Ein Querverweis im Text macht aber klar, dass sie rechtsverbindlich ist, worauf eine Reihe von Mitgliedsstaaten bestanden. In langen Zusatzaussagen zum Vertrag wird wiederum klargestellt, dass sie für britische Rechtsentscheidungen nicht anwendbar ist. Großbritannien erreichte auch Klarstellungen zum Verhältnis nationaler und europäischer Außenpolitik und bei Regelungen zur Innenpolitik.

Wettbewerb:
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wandte sich gegen eine Festschreibung des "freien und unverfälschten Wettbewerbs" als Ziel der EU. Er setzte sich durch, doch werden dadurch keine praktischen Auswirkungen erwartet, da der freie Wettbewerb an anderen Stellen im Text verankert wird. In Frankreich gibt es Sorgen, der EU-Vertrag könne einer ungeregelten Globalisierung Tür und Tor öffnen.

Verfahren:
Nach der politischen Festlegung soll der neue Vertrag durch eine "Regierungskonferenz" zunächst von Experten und später von den Regierungschefs endgültig besiegelt werden. Dies soll im Herbst unter portugiesischer Präsidentschaft geschehen. Dann folgt der Ratifizierungsprozess, der rechtzeitig zur Wahl des Europaparlaments 2009 abgeschlossen werden soll. In welchen Ländern dies per Referendum geregelt werden soll, entscheiden die Länder nach eigenen Maßgaben. Im Jahr 2005 war der Verfassungsentwurf in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert. Die danach einsetzende Phase der Revision des Entwurfs soll mit dem Gipfel beendet sein.

Geändert von Benjamin (24-06-2007 um 10:12 Uhr)
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