Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 28-11-2007, 08:10   #337
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Fibo-mäßig kann man das letzterreichte Top 'einigermaßen gut' aus verschiedenen anderen Wellenlängen ableiten, wenngleich es nicht auf die letzten 2 Stellen nach dem Komma stimmt; möglicherweise ist das auf das Datenrauschen zurückzuführen, also auf statistische Effekte in unmittelbarer Nähe der betr. Extremkurse.

Fundamental wundert es mich, dass EUR/USD nun erst einmal längere Zeit fallen soll, weil alle Welt doch mit nachvollziehbaren Gründen eine 'immerwährende' Dollarabwertung erwartet, insbesondere mit Blick auf die allgemein erwarteten Zinssenkungen der US-Fed + die Defizite in den USA. Aber der Chart bietet ein Gegenszenario, das zumindest ich nicht ignorieren kann. Ich erwarte bei EUR/USD für längere Zeit nun langsam nachgebende Kurse, vermutlich in impulsiven Wellenmustern.

Im unteren Chart ist das korrektive Wellenmuster eines Running Flat dargestellt. Dabei reicht die impulsive C-Welle runter (die demnach nun ansteht) gerade mal unter die vorherige 1. Unmittelbar danach geht der Kurs dann wie eine Rakete hoch. Running Flats sind der Vorbote für eine gewaltige Kursentladung unmittelbar nach Ende dieses Musters. Ob das am Ende wirklich ein Running Flat wird oder ein anderes Muster kann ich noch nicht sagen; Running Flats sind sehr selten. Aber wenn man fundamental ohnehin kaum glauben kann, dass EUR/USD tatsächlich noch einmal runter soll, dann wäre das Running Flat dasjenige Muster, das die relativ geringste Abwärtsbewegung mit sich bringt. Daher habe ich es hier einmal eingezeichnet. Ein klassisches - und viel häufigeres - Standard-Flat würde nun erheblich tiefer runter gehen. Was sollte das bewirken? Ein sehr deutlicher Verfall der teuer gewordenen Aktienmärkte in den Emerging Markets??? USA als Safe Haven wegen attraktiver KGV's der großen US-Unternehmen??? Nach den Sprüchen der Analysten aus den letzten Tagen kaum zu erwarten - oder passiert das etwa doch??? Die Analysten singen jedenfalls immer noch das Lied der "Growth-Story" in den Emerging Markets und haben offenbar tonnenweise ihr Geld dahin geschaufelt; kein Wort über Rückzüge angesichts der kürzlichen deutlichen Kursrückgänge dort, insbes. im Hang Seng. Sind die von Blindheit geschlagen oder bin ich zu vermessen?

Diese EUR/USD-Erwartung würde bedeuten, dass die US-Fed die Zinsen gerade nicht - wie der Markt es fordert - demnächst tüchtig senkt, sondern sie überraschend hoch behält. Das wären auf Sicht der nächsten Monate eher schlechte Aussichten für die Aktienmärkte!

Denn wenn der Markt seinen Willen bekäme und die Fed würde in Anerkennung einer katastrophalen US-Konjunktur in Richtung z. B. der alten 1% absenken, dann würde als Folge EUR/USD- und Gold-Kurse in Richtung Mond schießen. Der Goldpreis würde die Gemüter wenig beunruhigen, aber ein rasender Wertverfall des Dollars würde alle Großen gegen die US-Fed aufbringen: Die Chinesen, die Japaner, die Rohstoff-/Ölproduzenten und die Europäer, denn deren Wirtschaften würden enorme Nachteile aufgebürdet bekommen und letztlich zu Interventionen und ebenfalls zu Zinssenkungen gezwungen sein, ob sie wollen oder nicht. Die Folge davon wäre dann das, was derzeit zwar beobachtet und kommentiert wird, aber noch kein Problem ist: Inflation - die sich evtl. in eine Hyperinflation auswachsen könnte - ebenfalls ein Killer für Aktienmärkte. Das wird die Fed wissen und daher nur vorsichtig an der Zinsschraube drehen, vor allem viel weniger stark als es die Aktienmärkte mit ihrem kurzfristigen Quartalsblick allgemein erwarten bzw. erhoffen. Von allen schlechten Fed-Alternativen erscheint mir diejenige einer "bedächtigen" Zinspolitik diejenige zu sein, die für die Aktienmärkte langfristig die relativ geringsten Folgen haben würde. Die US-Aktienmärkte würden zwar fallen, aber es käme in Folge langfristig zu keinem globalen (unkontrollierbaren) Sell-Off; die Abwärtsbewegungen wären da, aber vollzögen sich in einer langsameren Gangart und böten eher die Chance, durch neue Impulse welcher Art auch immer Wachstum zu erzeugen. Soweit mein Versuch, in die Köpfe der Fed zu blicken.

Aus dem Chartmodell geht allerdings hervor, dass am Ende der nun wohl anstehenden längeren Abwärtswelle c bei EUR/USD die Hoffnung auf ein "Management" der Wechselkurse durch die Fed und andere Notenbanken enttäuscht werden wird. Wahrscheinlich wird es dann irgend ein global wichtiges Ereignis geben, dass alles verändert und einen rasanten Wertverfall des Dollars auslöst. Das könnte z. B. die für den Markt überraschende Verkündung eines Währungskorbes derjenigen Staaten sein, die derzeit ihre Währungen noch an den US-Dollar koppeln, allen voran China. Das würde Sinn machen: Die nutzen die Gunst der Stunde und verkaufen in diesen Monaten (1-2 Jahren) völlig geräuschlos einen größeren Anteil ihrer US-Treasuries, die sie zur bisherigen Wechselkurspflege haben aufkaufen müssen, zu den momentan sehr vorteilhaften Kursen dieser US-Staatsanleihen. Ziel: Devisenportfolio dadurch diversifizieren und vor allem die langfristig für sie ruinöse Wechselkursbindung an den Dollar beenden. Damit die Verkäufe nicht auffallen läuft das verteilt auf einen größeren Zeitraum - eben jener c-Welle des Running Flats. Wechselkurspflege können die in der Zwischenzeit auch betreiben, indem sie Unternehmen in den USA z. B. über Aktien ankaufen, von denen sie sich auch langfristig einen strategischen Vorteil erwarten (z. B. Technologie); für sich selbst vorteilhafter könnten sie vor allem auf dem Weltmarkt lagerfähige Rohstoffe in Dollar aufkaufen, also z. B. Öl für ihre strategische Ölreserve oder Metalle. Erst nachdem die vorgesehenen Umschichtungen (Verkäufe von US-Treasuries, Ankauf von Rohstoffen) unauffällig im geplanten Rahmen abgeschlossen wurden läßt man die Bombe platzen und verkündet den verdutzten Anlegern die Bildung des $-unabhängigen Währungskorbes. Nach dieser Pressekonferenz gäbe es niemanden mehr, der US-Dollar oder US-Treasuries auch nur mit spitzen Fingern anfassen würde: Beide würden wie ein Stein im Kurs fallen (die Anleiherenditen entsprechend nach oben schießen).

Leider wäre die Welt der Welle 3 des Primärszenarios im unteren Chart für alle Marktteilnehmer recht übel: Der US-Staatshaushalt wäre mit einem Schlag sein wichtigstes Vehikel los, um sein Defizit zu finanzieren - es bleibt nur noch das direkte Drucken von Geld übrig: Hyperinflation (bis das Gelddrucken aufhört). Der Goldkurs schießt folglich zum Mond, der US-Fed-Leitzins wird zeitweise zweistellig, die Kreditzinsen dauerhaft zweistellig. Die USA versinken in einer Jahrzehnte dauernden wirtschaftlichen Abwärtsspirale, bei der allmählich aus der anfänglichen Hyperinflation eine längerfristige Deflation wird, siehe ganz analog die Weltwirtschaftskrise in den späten 20er und frühen 30er Jahren. Das wird für die gesamte Weltbevölkerung eine grausame Zeit - gerade die Asiaten dürften da wegen ihrer Überkapazitäten im Produktionsbereich trotz Währungskorb nicht den Kopf aus der Schlinge bekommen - und würden mangels Bedarf und mangels eigener finanzieller Mittel - trotz billigem Dollar - kaum US-Exporte kaufen: Wenn überall auf der Welt Güter angeboten werden, die mangels Buying-Power oder mangels Bedarf schwer verkäuflich sind, dann sinkt automatisch deren Preis: Globale Deflation; die Nummer mit dem billig geliehenen Geld ist dann vorbei: Hohe Kreditzinsen und Kreditzugangshürden.
Das ist allerdings zum Glück noch lange hin; zunächst sollte man erst einmal checken, ob die erwartete längere Abwärtsbewegung im Rahmen der C des (Running) Flat tatsächlich so eintritt.

Bekanntlich kann man Charts so gut wie immer "so oder anders" interpretieren. Mit Gewalt bekomme ich auch eine alternative Impulszählung ab 1,1645 hin, die aber erstens "unschön" wäre und zweitens in der Tat sehr hohe Kurse in kürzerer Zeit erwarten ließe. Das Alternativ-Modell hat quasi ein Problem: Das Gedaddel der letzten Aufwärtsbewegung seit 1,1645 mit all seinen Wellenüberschneidungen auf allen Ebenen bekäme man nur mit fragwürdigen 1-2-1-2 Aufdehnungen oder besser mit einem Leading Diagonal Triangle (als 1 der 3) als Impuls (zumeist ) regelkonform in den Griff, Fragezeichen hinsichtlich Zulässigkeit verbleiben meiner Meinung nach. Demnach wäre wohl im Langfristchart unten gerade die 3 der 3 beendet worden. Es käme auch in diesem Alternativszenario nun eine - allerdings nur wenige Monate lange - Korrektur nach unten, und zwar in korrektiven Wellenmustern, um danach dann die Rally wieder fortzusetzen, Richtung wohl aus heutiger Sicht schnelle und hohe Chartmarken. Die Dauer der Korrektur würde bei diesem Alternativmodell übereinstimmen mit der erwarteten Korrekturdauer vom Charttechniker Bill MacLaren, siehe oben. Aber: Das Alternativmodell mit seiner Impulsannahme ab 1,1645 ist für mich "unschön", wirkt gezwungen. Nach meinem Gefühl "harmonischer" wäre nun eine längere Korrekturwelle nach unten, hier die C-Welle des (Running) Flats. Insgesamt ist zugegebenermaßen diese überschießende b-Welle gefolgt von einer verkümmerten c-Welle (um so insgesamt zu einem Running Flat zu kommen) für Elliott-Leute gewöhnungsbedürftig - weil auch nicht gerade schönheitspreisverdächtig - aber regelkonform.

Im "Big Picture" wäre der Unterschied zwischen den beiden Modellen letztlich in den nächsten wenigen Jahren gar nicht so gross: Es käme im Alternativszenario dann eben etwas höher zu einem Top (der 3), der eine über ein (oder mehrere) Jahr(e) dauernde Korrektur nach unten folgen würde (die 4). Diese längere Abwärtskorrektur geschähe dann praktisch zeitversetzt: Im Primärszenario (siehe unten) bereits jetzt als c-Welle der 2, im Alternativszenario erst später bei einem höheren Kurslevel als 4. Im Ergebnis ist mein Primärszenario langfristig sehr viel bullischer für EUR/USD. Wer also langfristig richtig knackige größere 2-stellige Prozentabwertungen bei EUR/USD erwartet, der sollte eher zu dem Primär- als zum Alternativszenario tendieren. Der Grund: Im Primärszenario käme die große und dynamische Aufwärtswelle 3 erst noch (nach Ende der anstehenden längeren Abwärtsbewegung zur c der 2). Im Alternativszenario wäre die Aufwärtswelle 3 bereits seit langem am laufen und wäre obendrein jetzt bereits zum größten Teil verfrühstückt worden ohne viel Terrain erobert zu haben!

Es gibt vier Unterscheidungsmerkmale, welches der beiden Modelle stimmt:
1. und 2.: Bei meinem Primärszenario ginge es über mindestens ein Jahr und (vermutlich) impulsiv runter; beim Alternativszenario ginge es korrektiv und nur wenige Monate runter.
3.: Bei den jeweiligen Zinsentscheidungen der US-Fed würde nach dem Primärmodell (siehe unten) eine weiterhin "bedächtige" bzw. "zurückhaltende" Zinspolitik erkennbar bleiben, im alternativen Impulsmodell käme es recht rasch zu deutlichen US-Leitzinssenkungen. Bei der letzten Sitzung hat sich eine "zurückhaltende" Zinspolitik angedeutet; ob sich das in den nächsten Fed-Sitzungen fortsetzt muss man abwarten.
4. dürfte beim Primärmodell die b nicht oder nur minimal höher laufen als der letzte Höchstkurs von 1,4951, sonst würde die überschießende b als Bestandteil eines Running Flats nicht mehr haltbar. Es muss für die Gültigkeit des Primärszenarios also kurzfristig runter gehen, sonst ist bereits die Entscheidung gefallen.

Die Fibo-Rechnungen unten lassen jedenfalls erwarten, dass wir nun ein bedeutsames Level (Top?) erreicht haben.

Geändert von Benjamin (15-02-2013 um 21:14 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten