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Alt 29-11-2007, 17:38   #780
Starlight
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IT-Schlamassel: Oodle, Boorah und Babooshnik

Erinnert sich noch jemanden an den Dotcom-Boom? Weiß noch jemand, wie seinerzeit im Silicon Valley die Internet-Start-Ups aus dem Boden schossen wie Krokusse im Frühling? Branchenmagazine – ebenso schnell gegründet – kamen gar nicht mehr nach, alle Klitschen zu prträtieren. Heute geht es noch viel wilder zu.

Dabei sind heute nicht einmal die Geschäftsideen der Start-Ups auffallend und unterhaltsam, sondern alleine schon die Namen. Das Netz ist ein Spielplatz für surreale Babywörter: Da bieten Bebo und Hulu und Kazaa ihre Dienste an, da buhlen Fark und Yelp und Woozyfly um Kunden. Start-Ups wie Apahcinc und Tucows haben offensichtlich keine Angst, dass man ihre Namen weder verstehen noch merken kann.

Es gibt einen einfachen Grund für das Namens-Schlamassel: Aktuell sind 60 Millionen Dotcom-Adressen registriert – damit sind eigentlich alle sinnvollen und naheliegenden Domains weg. Einfache Wörter, beispielsweise Branchen- und Produktbezeichnungen waren schon vor Jahren weg. Mit Music.com oder Shoes.com lässt sich also nichts mehr machen. Auch Service-Beschreibungen sind längst ausgebucht: Für FinancialAdvice.com oder DivorceLawyer.com kämen neue Unternehmen viel zu spät.

Was bleibt den jungen Sprossen also anderes übrig, sich Namen auszudenken. Manche machen das mit Hilfe eines Lexikons und lassen etwa bei bekannten Wörtern einen Buchstaben weg, wie etwa bei der Fotosharing-Seite Flickr.com.

Andere gehen ausschließlich nach dem Wohlklang eines Namens. Und nichts klingt in Silicon Valley besser als Google. Die Suchmaschine und Kursrakete war nach Yahoo das zweite Internet-Unternehmen, das mit dem Doppel-O und dem resultierenden „U“-Klang Freunde fand. Das Konzept haben in den letzten Monaten einige ander Online-Dienst übernommen, darunter: Oodle, Renkoo, Wakoopa, Yoomba, Squidoo, Boorah, Ooma, Qoosa, TagTooga, Joost und Babooshnik.

Dass all diese auf den Google-Zug aufspringen und bald mit ähnlichen Fan-Scharen rechnen können, glaubt Anthony Shore nicht. Im Gegenteil: Für den Namensspezialisten der kalifornischen Designschmiede Landor Assc. geht das Konzept nicht auf. „Bei manchen Firmen klingt es, als hätten sie bei der Suche nach einem guten Namen einfach aufgegeben“, so der Experte, der von „Nonsens-Wörtern“ gar nichts hält.

Gegen die Urväter Google und Yahoo hat Shore indes nichts, denn beide Unternehmen haben sich ja keine sinnleeren Namen gegeben. Die Firma Google ist immerhin an die Einheit Googol, die den Wert 10100 bezeichnet – eine ungeheure Zahl. Die Gründer Larry Page und Sergey Brin haben also das Programm zum Namen gemacht, denn eine ungeheure Menge Information soll die Suchmaschine verarbeiten.

Überhaupt: Dass Unternehmen auf der Suche nach einer Identität Wörter erfinden, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Das gab es auch schon lange vor Beginn des Tech-Booms. Man muss schon bis zu den Urzeiten der Industrialisierung zurückgehen, um schlicht sachliche Namen zu finden. Bethlehem Steel, zum Beispiel, ein Stahlwerk aus der Stadt Bethlehem in Pennsylvania. Oder die National Biscuit Company, die eben Kekse verkaufte.

Letztere war später einer der Vorreiter des neuen Namenstrends, als man sich kürzer und prägnanter in Nabisco umbenannte. Ähnliche Kürzungen namen die American Telephone und Telegraph Company vor und International Business Machines vor, die heute schlicht unter AT&T und IBM firmieren.

Einen Schritt weiter ging es dann im Zuge der großen Merger und Übernahmen, nach denen manche Konzernlenker die größeren Wachstumschancen mit einem neuen Logo feiern wollten. Altria entstand auf diese Weise, ein Kunstwort, das an das lateinische „altus“ – der Höchste – erinnert. Weitere Phantasienamen: Verizon, Diageo, Enron.

An die hat man sich gewöhnt, vielleicht auch weil sie ihren eigenen Klang, ihre eigene Persönlichkeit hatten. An die neuen Namen aus dem IT-Sumpf wird sich kein Mensch gewöhnen, glauben Branchen-Insider. Von Qumana und Tendango und Xobni werde man bald nichts mehr hören. Einfacher Grund: Wer schon bei der Namensfindung für sein Unternehmen versagt, dem muss es auch grundsätzlich an Vision und Geschäftssinn mangeln. In diesem Sinne: Tschüss, Revver. Und Bye-Bye, Meebo.




Banker fürchten um ihr Weihnachtsgeld

Wenn am Mittwochabend am Rockefeller Center der größte Tannenbaum New York feierlich erleuchtet wird, beginnt in Amerika offiziell die Weihnachtszeit. Von der angemessenen Besinnlichkeit ist natürlich nichts zu spüren: Die Verbraucher sind im Einkaufsstress, und an der Wall Street ängstigt man sich um die Boni.

Bei manchem Banker im New Yorker Finanzviertel wird Weihnachten in diesem Jahr etwas kleiner ausfallen. Denn inmitten einer massiven Finanzkrise mit Milliarden-Abschreibungen und Rekordverlusten für fast alle Häuser der Branche bleiben die Bonus-Ausschüttungen für die Mitarbeiter deutlich unter den Werten der Vorjahre.

Besonders hart dürfte es erwartungsgemäß all jene Banker treffen, die direkt mit Hypotheken und mit Hypotheken-gesicherten Krediten handeln. Denn deren wilde Spekulationen haben die aktuelle Krise ausgelöst, entsprechend werden sie abgestraft: Der Durchschnittsbonus fällt von 2 Millionen Dollar auf genau die Hälfte, in vielen Fällen sollen die Zahlungen um bis zu 60 Prozent gekürzt werden.

Damit alleine lassen sich die Verluste der Branche wohlgemerkt nicht wettmachen. Immerhin haben die großen amerikanischen Finanzhäuser bisher Abschreibungen von rund 40 Milliarden Dollar eingestanden und dürften damit noch nicht am Ende sein. Entsprechend wird auch in anderen Abteilungen gespart. Kredit-Vermittler dürften ihre Boni um 35 Prozent gekürzt bekommen, Mitarbeiter im Fixed Income um bis zu 20 Prozent. Diese Statistiken meldet die Options Group, die alljährlich über die Ausschüttungen an der Wall Street Buch führt.

Andererseits gibt es durchaus Banker, deren Boni inmitten der Finanzkrise dennoch steigen dürften. Wer imt Rohstoff-Sektor arbeitet, hat ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr hinter und ein entsprechend dickes Weihnachtsgeld vor sich. Und die Spezialisten für Merger und Übernahmen freuen sich ebenfalls auf steigende Zahlungen, denn mit Unternehmensdeals in Höhe von mehr als 21 Milliarden Dollar in diesem Jahr zeigt sich ihr Geschäft stabil.

Nicht nur zwischen den einzelnen Sektoren gibt es Unterschiede, sondern auch von Haus zu Haus. Goldman Sachs steht erwartungsgemäß an der Spitze der Bonus-Pyramide. Das Traditionshaus ist besser durch die Finanzkrise geschifft als alle Konkurrenten; mit geschickt platzierten Shorts hat man von den dramatischen Einbrüchen der Subprime-Kredite sogar profitiert. Bei Goldman Sachs werden entsprechend zu Weihnachten Boni über insgesamt 20 Milliarden Dollar ausgeschüttet – das entspricht mehr als der Hälfte aller Wall-Street-Zahlungen und em zweifachen des Bruttoinlandsprodukts von Jamaica.

Da mag manch ein Banker neidisch auf den Kollegen bei Goldman Sachs sein, und das beunruhigt die Konkurrenten. Entsprechend achtet man darauf, dass die eigenen Boni nicht allzu steil fallen – Hand auf´s Herz: Der Subprime-Broker kommt mit einem auf 1 Million Dollar halbierten Bonus noch recht gut weg. Außerdem wird ein größerer Teil des Bonus als bisher in Aktien statt in Cash gezahlt. Das soll Top-Banker im Unternehmen halten und einen Brain Drain vor allem bei den Häusern verhindern, die ihre Spitzenleute am dringendsten brauchen, um im nächsten Jahr aus der Krise zu finden.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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