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Alt 23-01-2008, 17:37   #789
Starlight
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Verwirrung um Ben Bernanke

Für Ben Bernanke wäre es dieser Tage am besten, sich in eine dunkle Höhle zurückzuziehen und jede Kommunikation nach außen abzubrechen. Denn dem Fed-Chairman schlägt allerhand entgegen: Dank, Vorwürfe, Beschimpfungen, Forderungen, Ratschläge… einen einfachen Schluss wird der oberste Notenbanker daraus nicht ziehen können.

Nun sitzt Bernanke aber nicht in einer Höhe, sondern – meistens – in seinem Büro im Gebäude der Federal Reserve in Washington. Da laufen die Fernseher, klingeln die Telefone, liegen die Zeitungen aus, und sie sagen:

„Ben Bernanke ist der Narr unter der Dusche – mal stellt er das Wasser zu kalt, mal zu heiß.“ So höhnte ein Insider am Dienstag über den Wirtschaftssender CNBC und warf Bernanke damit vor, recht ziellos die Zinsen zu hoch geschraubt und jetzt zu dramatisch gesenk zu haben. Implizierte Forderung: eine ruhige Hand und weniger volatile Ausschläge in der Zinskurve.

„Ben Bernanke ist verwirrt.“ Das meint Art Cashin, der Parkettchef der UBS an der New Yorker Börse und ein Urgestein der Wall Street. Bernanke habe mit seiner Zinssenkung auf die Kursverluste in Asien und Europa reagiert, stellt Cashin fest. Das hat dem Markt zwar letzten Endes geholfen, geht aber an der eigentlichen Aufgabe der Notenbank vorbei, die sich ja um die Situation im eigenen Land kümmern soll. Übrigens: Cashin ist nicht der einzige, der diesen Punkt anbringt. William Poole, der Chef der regionalen Notenbank von St. Louis, hat gegen die Zinssenkung eine Woche vor der geplanten Fed-Sitzung gestimmt.

„Ben Bernanke muss die Zinsen am Dienstag weiter senken.“ Das ist die vorherrschende Meinung auf dem Parkett, wobei die Höhe weiterer Zinsschritte heftig diskutiert wird. Nachdem ursprünglich von einem Nachschlag von 25 Basispunkten die Rede war, sprechen die Fed-Futures am Mittwoch eine ganz andere Sprache: Eine überwältigende Mehrheit der Spekulanten geht davon aus, dass der Leitzins um 50 oder sogar weitere 75 Basispunkte gesenkt wird.

„Ben Bernanke darf die Zinsen am Dienstag nicht weiter senken.“ Das sagt Oscar Gonzales, der Volkswirt von John Hancock Financial. Nach der Eilentscheidung in dieser Woche würde ein weiterer Zinsschritt durch die Fed dem Markt ein falsches Zeichen geben. Bernanke & Co. sollten erst einmal abwarten, wie sich der Markt mittelfristig in Reaktion auf den jüngsten Abschlag entwickelten.

„Ben Bernanke ist der Retter der Wall Street.“ Das ist vermutlich die am seltensten gehörte Meinung an der Wall Street, doch hat der Fed-Chef auf dem Parkett auch vereinzelt Fans. Die sagen, Bernanke habe mit seiner Eilentscheidung die Spielregeln für eine Konjunktur in der Krise geändert und durch diese historische Liquiditätsspritze nicht nur billiges Geld, sondern auch Vertrauen injiziert. Den Vorwurf, Bernanke sei der langsamste Fed-Chef in der Geschichte und renne der Entwicklung der Börsen hinterher bestätigt oder entkräftet das wohlgemerkt nicht.

Für Verwirrung ist an den US-Börsen also ausreichend gesorgt. Bis Dienstag dürfte das noch schlimmer werden, denn alle Augen sind auf Bernanke gerichtet, von dem jedes Wort, jedes Handzeichen und jede Mine interpretiert werden.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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