Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 19-02-2008, 22:16   #800
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
US-Konzerne warten auf Wende in Kuba
Dienstag, 19. Februar 2008

Fünf Jahrzehnte lang war Fidel Castro den USA ein Dorn im Auge. Er stritt mit neun Präsidenten, war unter fünf Generalsekretären ein treuer Alliierter der kommunistischen Sowjetunion und überstand in den Sechzigerjahren die Kubakrise, die fast einen Nuklearkrieg ausgelöst hätte. Jetzt ist Castro zurückgetreten – die USA atmet auf.

Auch an der Wall Street wird Castros Rücktritt gefeiert. Schließlich waren an dessen Herrschaft in Kuba seit den Sechzigerjahren strenge Sanktionen geknüpft, darunter ein radikales Handelsverbot mit dem Agrarstaat in der Karibik. Was die Börsen bislang aber nicht berücksichtigt haben: Auch nach Castros Abgang denkt Washington nicht an eine baldige Aufhebung des Embargos. Das wäre auch verfrüht – immerhin ist Kuba nach Castro nicht etwa auf dem Weg zu einer freien Demokratie, sondern wird von Castros Bruder Raul gelenkt.

Und darin liegt das Problem: Washington rechnet nicht mit großen Veränderungen in Havanna, und die Analysten sehen das ähnlich: Um wirlick einen Regimewechsel auszulösen, bräuchte es schon einen klareren Schnitt, meint Andrew Busch von BMO Capital Markets, der etwa an ein Attentat auf die kubanische Führung denkt.

Solange drastische Schritte nicht feststellbar sind, will der stellvertretende US-Außenminister John Negroponte unterdessen am Embargo festhalten. Das ist schlecht für viele Unternehmen, die seit langem darauf warten, Geschäfte mit Kuba zu tätigen. Immerhin hat die Insel 11 Millionen Einwohner. Wäre sie ein US-Bundesstaat, wäre sie der siebtgrößte und damit ein nicht zu unterschätzender Markt.

Zumal in Kuba mehr als etwa in US-Bundesstaaten hoher Konsumbedarf herrscht. Autos, Kühlschränke, Möbel, Kleidung sind extrem veraltet, Computer und Hightechgeräte so gut wie nicht präsent. Auf der Insel ließe sich also manches verkaufen – von der minimalen Kaufkraft der Einwohner einmal abgesehen.

Dass sich langfristig eine politische Trendwende abzeichnet und die USA wieder in Kontakt mit Kuba treten, halten Insider aber für wahrscheinlich. Spätestens wenn beide Castro-Brüder dem aktuellen Wirtschaftsminister Carlos Lage mehr Macht einräumen, könnten sich die Wogen glätten. Lage, ein 56-jähriger Karrierepolitker ohne militärischen Hintergrund, könnte laut Einschätzung des Wall Street Journals einmal an der Spitze des Inselstaates stehen. Unter ihm könnte das politische System kommunistisch bleiben, die Wirtschaft aber gegenüber dem Westen angepasst und geöffnet werden.

Unter den amerikanischen Konzernen, die von wirtschaftlichen Beziehungen zu Kuba profitieren könnten, wären zunächst die Unternehmen der Lebensmittel-Branche. Die liefern mit Sondergenehmigungen bereits seit sieben Jahren Hühnerfleisch, Mais und andere Grundnahrungsmittel, könnten ihr Sortiment aber gewaltig erweitern. Ansonsten dürften Öl-Unternehmen profitieren, die vor der Küste Kubas bohren wollen. Und ferner wäre Kuba für amerikanische Touristen ein nahezu unbekanntes Ziel, was Fluggesellschaft, Hotels und anderen Unternehmen der Branche zuarbeiten könnte.
© Inside Wall Street
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten