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Alt 05-08-2008, 18:36   #874
Starlight
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Blond und pessimistisch


Bei einer Wanderung im Schwarzwald – auch Börsenreporter machen Urlaub! – hat man mich jüngst erkannt und gefragt, ob mir bewusst sei, was man im Mittelalter mit den Überbringern schlechter Nachrichten getan hat. Und ob ich manchmal Angst hätte. Ich habe dann meinen Schritt beschleunigt und bin schnell zu Tal gestiegen.

Wirklich Angst haben muss ich aber nicht, denn leidende Anleger, denen in den letzten Monaten Großteile ihres Aktienvermögens abhanden gekommen sind, haben größere Feinde als mich. Ich berichte schließlich meist, wenn etwas schon passiert ist. Anders als Meredith Whitney, die prominenteste Analystin von Oppenheimer & Co., die der Wall Street am Montagmorgen eines überzieht.

Die Kreditkrise sei noch lange nicht vorbei, sagt die attraktive Expertin, die in Finanzkreisen ein Superstar ist und mit blonder Mähne und Model-Lächeln bestimmt viel öfter erkannt wird als ich.

Wenn Whitney das sagt, hört die Wal Street zu, denn viele Aussagen der zur Zeit tief bärischen Analystin haben sich in letzter Zeit bewahrheitet – etwa die Ankündigung, dass die Citiroup die Dividende senken würde. Oder natürlich ihre ursprüngliche Prognose von Oktober 2005, nach der amerikanischen Banken wegen hoher Subprime-Investitionen und fallender Häuserpreise „ungeahnte Kreditabschreibungen bevorstehen“ würden.

Das alles ist passiert, sei aber noch nicht weit genug gegangen, meint Whitney jetzt. Im Wirtschaftsmagazin Fortune und am Montagmorgen beim wichtigsten amerikanischen Börsensender CNBC malt sie tüchtig schwarz. Das „inzestuöse Verhältnis“ zwischen Banken und Ratingagenturen habe noch viel weitreichendere Folgen für die Finanzbranche als bisher bekannt. Immerhin seien Moody´s und Standard & Poor´s zur Zeit dabei, ihre Fehler gutzumachen und zahlreiche zu hoch eingestufte Papiere und Kredite abzuwerten – mit den bekannten Folgen:

Erneute Abschreibungen und Kapitalverlust würden die Banken weiterhin zwingen, neues Kapital aufzunehmen. Das gelingt am ehesten durch die Ausgabe neuer Aktien, die aber zu einer Verwässerung der Gewinne führt. Anleger von Citigroup, Merrill Lynch und Washington Mutual können ein Lied davon singen.

Abgesehen von den Risiken der Kapitalaufnahme glaubt Whitney, dass die Banken ihre Kosten nicht dramatisch genug gesenkt haben. Zwar hat die Branche in den letzten Monaten im Schnitt 7 Prozent ihrer Angestellten entlassen; 25 Prozent wären aber ein eher angemessener Wert, so die Analystin. Damit könnten die Unternehmen auch den weiteren Wertverlusten am Immobilienmarkt vorgreifen. Denn während die Branche damit rechnet, dass sich die Häuserpreise etwa 20 bis 25 Prozent unter dem Höchstwert einpendeln und der anerkannte Case-Shiller-Index von 30 Prozent ausgeht, glaubt Whitney an einen Preissturz von bis zu 40 Prozent.

Die kommenden Abschreibungen und Kapitalaufnahmen dürften dann, so Whitney, nur eine Folge haben: weiterhin fallende Kurse an der Wall Street.
© Inside Wall Street
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