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Alt 10-09-2008, 18:12   #882
Starlight
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Ein teurer Fehler im System
Mittwoch, 10. September 2008

Wenn das mal kein gutes Argument für den „human factor“ an den amerikanischen Börsen ist. In einer Zeit, in der immer weniger Trader auf dem Parkett arbeiten und immer mehr Aktien elektronisch gehandelt werden, zeigt ein mehrstündiges Drama um United Airlines, dass Maschinen den Menschen nicht ersetzen können.

Wir erinnern uns: Am Montag kam an den New Yorker Börsen das Gerücht auf, United Airlines hätte Konkurs angemeldet. Binnen weniger Minuten brach die Aktie von 12,50 Dollar auf 3 Dollar ein, einzelne Trades wurden sogar zu 1 Cent pro Papier ausgeführt – das entsprach einem Kurseinbruch von 99,99 Prozent.

Anleger waren schockiert, und Branchen-Insider auch. Von einem Konkurs bei United Airlines war in den letzten Monaten keiner ausgegangen – zu Recht. Denn die Story war vier Jahre alt und erzählte davon, wie das angeschlagene Unternehmen 2002 in den Gläubigerschutz ging. Als das durchdrang erholte sich das Papier mit dem Nasdaq-Kürzel UAUA schnell; der Carrier schloss am Enee mit einem vergleichsweise überschaubaren Verlust von 13 Prozent.

Mittlerweile haben Experten herausgefunden, warum ein völlig veralteter Zeitungstext den Handel derart beeinflussen konnte: Schuld sind automatisierte Programme.

Eines davon ist der „Crawler“ von Google, der ununterbrochen im World-Wide-Web unterwegs ist, und der am vergangenen Wochenende auf der Homepage der South Florida Sun-Sentinel einen neuen Link fand. Unter den meist gelesenen Stories in der floridianischen Tageszeitung fand sich ein Link auf die Chicago Tribune, die über den Konkurs von United berichtete. Wie der Text in diese Liste kam? Ganz einfach. Geplagt von Hurrikans und Tropenstürme haben Internet-Leser in Florida zuletzt nach Flügen aus dem Sonnenstaat gesucht – online. Über die Eingabe „United Airlines“ in der Suchmaske fand sich irgendwann der alte Text, der vom Crawler weitergericht wurde.

Und zwar an den Finanzdienst Bloomberg und die Google-Ergebnisliste. Beides hatte Folgen: Die Bloomberg-Leser waren ohnehin alarmiert; die Google-Ergebnisse wiederum schlugen zu all denen durch, die einen „Nachrichten-Alarm“ etwa mit „United Airlines“ bestückt hatten. Einmal draußen gab es für das Gerücht kein Halten mehr. Es setzte verschiedene Verkaufsprogramm in Gang, die United Airlines abstoßen. Die ließen die Kursverluste gnadenlos anziehen – das Unternehmen war längst machtlos.

Erst als die Nasdaq die UAUA-Aktie von Handel ausschloss, beruhigte sich die Lage. Man erkannte, dass ein einfacher Broker oder Spezialist, wie sie etwa an der New York Stock Exchange im Einsatz sind, den Schmuh sofort bemerkt und dem Unsinn ein Ende gemacht. Er hätte bei allzu dramatischen Meldungen sofort deren Wahrheitsgehalt überprüft und einen Wertverfall gestoppt. Haben die Händler an der Wall Street neuen Grund zur Hoffnung? Wohl kaum, denn das nächste, bessere Tradingprogramm wird kommen – und es wird derlei Unstimmigkeiten genau so aufspüren und ausgleichen können wie es bisher nur Joey und Jimmy auf dem Trading Floor gekonnt haben.
© Inside Wall Street
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