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Alt 16-09-2008, 18:21   #884
Starlight
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Luxus-Schlitten ohne Käufer
Dienstag, 16. September 2008

Es ist kein guter Zeitpunkt für die Motorexpo in New York. In den nächsten Tagen werden im World Financial Center die tollsten Schlitten präsentiert; vor der New York Stock Exchange parken am Dienstag ein Aston Martin DB9, ein Bentley Continental GTC und ein Porsche Boxster – potenzielle Käufer gibt es kaum.

Schließlich bricht die Wall Street gerade zusammen. Eine Bank nach der anderen geht pleite, es hagelt Verluste und Abschreibungen, das Vertrauen der Anleger ist dahin – und das Geld ist auch weg. Die Giganten der Branche, die in den letzten Jahren zig Millionen eingestrichen haben, sehen ihre Aktien und Optionen einbrechen. Der frühere Chef von AIG, Hank Greenberg, hat binnen einer Woche 6 Milliarden Dollar verloren.

Einen Bentley wird er sich in den nächsten Tagen wohl nicht kaufen. Ein anderes Auto wohl auch nicht. So wie zur Zeit ohnehin keiner Autos kauft – ein Trend, der Insidern zufolge einige Jahre lang anhalten dürfte. Selbst innerhalb der Branche, wo man sich sonst um optimistische Töne bemüht, spricht man immer mehr davon, dass die schwachen Umsatzzahlen von 2007 in den nächsten vier bis fünf Jahren wohl nicht übertroffen werden können.

Schuld daran ist die ganze konjunkturelle Krise, angefangen von den fallenden Häuserpreisen über den schwachen Arbeitsmarkt bis hin zu den steigenden Spritkosten. Letztere haben dazu beigetragen, dass sich die Amerikaner immer mehr spritsparende Wagen asiatischer Herkunft kaufen und die einst so beliebten SUV und Trucks der US-Konzerne stehen bleiben. Die Prognosen für den neuen F-150 und den neuen Dodge Ram, die jeweils Bestseller für Ford und Chrysler hätten werden können, sind im Keller.

Das liegt allerdings nicht nur am hohen Verbrauch der Maschinen, sondern an der schwierigen Finanzierung. In den USA ist Leasing zur Zeit völlig out, weil sich die Hersteller finanziell nicht weiter belasten wollen. Gleichzeitig sind die Preise für Gebrauchtwagen gefallen, womit Kunden weniger Geld für einen Tausch bekommen. Hypotheken-Darlehen, früher ein beliebtes Mittel zur Finanzierung von Autos, sind angesichts der Immobilienkrise sowieso nicht zu kriegen.

Experten zufolge kann nur ein Weg die US-Autobauer aus der Krise führen: Innovation. Die Hersteller müssen dringend mit kleineren Wagen und effizienten Motoren auf den Markt kommen – doch das ist nicht so einfach. Ein Paket von 25 Milliarden Dollar in Niedrigzins-Krediten, das die Regierung den Unternehmen für die Forschung geschnürt hat, scheint GM unf Ford nicht zu reichen: Man fordert 50 Milliarden Dollar.

Doch selbst wenn dieser unglaubliche Betrag fließen würde: Die richtigen Wagen zu entwickeln, zu bauen und zu verkaufen wird Jahre dauern. Die unerwartet frühe Präsentation des GM Volt am Dienstagmorgen täuscht nicht darüber hinweg, dass dieses Modell noch nicht serienreif ist und in seiner aktuellen Ausführung mit Spezialbatterien für eine angemessene Reichweite 40 000 Dollar kosten müsste.

Noch schlimmer für die Branche: Selbst wenn die kleineren Wagen einmal entwickelt sind, verstärkt man sich damit in dem Teil des Marktes, der in der Vergangenheit die geringsten Margen abgeworfen hat. Die dicksten Gewinne zogen die Firmen jeweils aus Trucks und SUV, und deren Zeiten sind vorbei. „Es ist wirklich schwierig, sich ein schlechteres Szenario für die Branche vorzustellen“, schreibt ein Auto-Analyst am Dienstag.

Die blankpolierten Luxusschlitten vor der New Yorker Börse können darüber nicht hinwegtäuschen.
© Inside Wall Street
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