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Alt 29-09-2008, 18:08   #896
Starlight
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Rettungspaket lässt Börsen kalt
Montag, 29. September 2008

Sie haben es geschafft. Republikaner und Demokraten haben sich in Washington zusammengerauft und ein 700 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für die Wall Street gepackt, das ganze auch noch rechtzeitig vor Handelsbeginn an den Weltbörsen. Und trotzem brechen die Märkte am Montag ein… kein Wunder.

Denn um das Hilfspaket aus Washington ranken sich – in den USA und auch an den Handelsplätzen in Asien und Europa – viele Fragen. Kommt das Paket überhaupt durch den Kongress? Kann der Zuschuss aus der Hauptstadt Vertrauen in die Märkte bringen? Und die ungeheuerlichste Frage: Sind 700 Milliarden Dollar genug?

Letztere Frage wird am Montag überall aufgeworfen, und damit zeigt sich eigentlich schon, dass mit dem Rettungspaket längst nicht alle Sorgen vom Tisch sind. Obwohl nun der amerikanische Steuerzahler bluten muss, obwohl pro Haushalt mehr als 6000 Dollar gezahlt werden, fürchten manche Insider, dass zu wenig zu spät kommt.

Durch weitere Bankenpleiten zum Wochenstart wird dieser Eindruck verstärkt. Die amerikanische Großbank Wachovia geht an die Citigroup, und jenseits der Grenzen gibt es weitere Opfer: In Benelux stürzt Fortis, in Großbritannien wird die Hypothekenbank Bradford & Bingley verstaatlicht, und in Deutschland steht die Hypo Real Estate vor dem Kollaps.

Damit ist nun endgültig klar, wie dramatisch die globalen Folgen der US-Finanzkrise sein können. Naiv wer glaubt, dass es bei den drei Banken bleibt, die am Montag Schlagzeilen machen. Schon jetzt sorgen sich Anleger um die Commerzbank, der Haushaltsausschuss in Berlin trifft sich zu einer Krisensitzung… und die Wall Street bekommt das alles mit und weiß: Die Sache ist noch lange nicht vom Tisch.

Zumal man sich in Washington noch lange nicht auf den besten Weg aus der Krise geeinigt hat. In beiden Parteien gibt es Gegenstimmen, die das 700 Milliarden Dollar schwere Paket stoppen wollen. Der texanische Abgeordnete Jeb Hensarling stimmt mit Sicherheit gegen die Maßnahme, da die USA „über dieses Paket langsam in den Sozialismus“ abrutsche. Finanzminister Paulson bezeichnet er schon einmal als „King Henry“ – und auf eine Finanz-Monarchie will zumindest er sich nicht einlassen.

Auch die Demokraten sind nicht happy: In ihren Augen hilft das Paket zuwenig den Hausbesitzern, die von den Banken mit unfairen Hypotheken abgezockt wurden. Denen wollten sie die Gelegenheit geben, ihre Kredite neu zu verhandeln, doch dieser Aspekt ist aus dem mittlerweile 150 Seiten dicken Gesetzvoschlag herausgefallen.

Was den Fortschritt in Washington ebenfalls erschwert: Der Wall Street schlagen in ihrer Not nicht gerade Wellen der Sympathie entgegen. Den Wählern ist klar, dass die Gier und Hybris der Banker die Krise herbeigeführt hat – und dass deren Spiel noch lange nicht zu Ende ist. Erst am Freitag kam heraus, dass der letzte CEO von Washington Mutual mit einem Bonus von 20 Millionen Dollar verabschiedet wird. Dabei war er nur drei Monate an der Spitze gestanden. Dass er eingestellt wurde, um eine Pleite zu verhindern, und dass er genau das nicht geschafft hat, schlägt sich auf die großzügige Entlohnung nicht durch.

Angesichts solcher Fälle überlegen sich zahlreiche Abgeordnete, ob die der Wall Street mit einem Rekordbetrag zur Seite springen sollen. Solange aber solche Zweifel im Raume stehen, kann sich die Börse nicht erholen… ob sie es später schafft, wenn das Paket beschlossen ist, bleibt abzuwarten.
© Inside Wall Street
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