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Alt 14-03-2003, 15:00   #82
arpad
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Für die 11. Kalenderwoche 2003

Sehr geehrte Damen und Herren,
ist es besser einen Junk Bond zu kaufen, wenn er heraufgestuft wird oder wenn er herabgestuft wird? Man kann für beide Strategien genügend Argumente finden. Manch ein Investor sucht den optimalen Einstiegskurs, den man nur erreichen kann, wenn man das Risiko eingeht, in einen fallenden Kurs hineinzukaufen. Manch andere Investoren bevorzugen es, das Risiko zu reduzieren und erst zu kaufen, wenn die Bonität, und damit auch die Kurse steigen.

Standard & Poor's hat im letzten Monat die notwendigen Fakten geliefert, um diese Frage ultimativ zu beantworten. Nach einer statistischen Auswertung, haben sich in den letzten 16 Jahren 75% der Unternehmen, die von einem Investmentgrad auf einen Non-Investmentgrad (Junk Niveau) gefallen sind, nicht mehr von der Herabstufung erholt. Anders gesagt: Nur 25% der Junk-Bonds erreichen wieder einen Investmentgrad!

Das Chancen/Risiko-Verhältnis ist bei einem Aufwärtstrend viel attraktiver. Zwar ist es nicht so spektakulär, als wenn man direkt auf dem Wendepunkt gekauft hat, aber was letztlich zählt, ist die langfristige Performance über alle Transaktionen hinweg gerechnet. Und eine gute Performance zu erzielen, ist im März deutlich schwieriger geworden.

Nachdem in den letzten Wochen der Anleihenmarkt von größeren Problemen und Veränderungen verschont geblieben war, überschlugen sich im März dafür die Ereignisse um so stärker. Nehmen Sie bitte die Entwicklung bei KirchMedia als Beispiel:

Der Rückzug des Bauer Verlages schmeckt mir nicht. Es bestand zwar ein Restrisiko, ob der Bauer Verlag letztlich die Genehmigung der Kartellbehörde bekommen hätte, aber grundsätzlich wäre Bauer der bessere, weil konservativere, Schuldner gewesen. Haim Saban, der 2001 den Platz Nr. 172 auf der Forbes Liste der 400 wohlhabendsten Amerikaner einnahm, steht nun in Verhandlung mit KirchMedia über den Kauf einer 53%igen Beteiligung an ProSiebenSat1 Media und Europas größter Bibliothek an Filmrechten. Die offizielle Erklärung des Insolvenzverwalters lautete, daß das Angebot von Saban höher gelegen hat und aufgrund "anderer Umstände und Garantien" besser ist. Saban ist nicht allein, sondern hat Societe Television Francaise 1 (TF1) mit im Boot, um ProSiebenMedia zu übernehmen.

Entscheidend ist letztendlich, ob der Markt Saban traut oder nicht. Wenngleich mir Saban nicht so geeignet wie der Bauer Verlag erscheint, ist er keinesfalls ein unbeschriebenes Blatt, sondern hat den nötigen "Stallgeruch". Aktuell ist Saban Chairman bei ABC Family Worldwide (Walt Disney) und beriet davor die Familiensparte von Fox. So lange der Kapitalmarkt Saban also Vertrauen schenkt und das Angebot von Saban bindend wird, bleibe ich bei ProSiebenSat1 Media engagiert.

Ebenso unerwartet verläuft auch die Restrukturierung von Corus:

Die jüngste Entwicklung bei Corus ist eine große Enttäuschung. Die hartnäckige Weigerung der Tochter Corus Nederland, das Aluminiumgeschäft an Pechiney zu verkaufen, ist eine schallende Ohrfeige für alle Gläubiger und Aktionäre. Die Niederländer verlangen, daß in ihre Werke investiert wird, anstatt den Gesamtkonzern zu restrukturieren oder die Bankkredite zu bedienen. Dieses Verhalten ist völlig irrational, da Corus Nederland sich letztlich nur selbst trifft, wenn sie ihrer englischen Mutter ein Bein stellen.

Die Aluminiumsparte gehörte ursprünglich zu der niederländischen Royal Hoogovens. Royal Hoogovens wurde 1999 wiederum für 2,4 Mrd. Dollar von British Steel übernommen, woraus die heutige Corus Group entstand. Die zu erwartenden Erlöse aus dem Verkauf in Höhe von 861 Mio. Euro sollten dem Schuldenabbau und der laufenden Restrukturierung des Konzerns dienen. Entscheidend ist nun, wie sich die Banken verhalten. Sie müssen zustimmen, daß der laufende Bankkredit in Höhe von 2,4 Mrd. Euro im kommenden Januar verlängert wird. Hierin liegt momentan das größte Risiko.

Der Markt hat eine Herabstufung der Bonität bereits vorweggenommen. Standard & Poor's überprüft seit vorgestern das aktuelle Rating "BB" und wird mit Sicherheit nach dem gescheiterten Spin-Off das Rating senken. Eine Herabstufung auf "B" würde mich nicht überraschen. Der Kurssturz der Anleihen unter ein Niveau von 40% ist jedoch allein dem illiquiden Markt zuzuschreiben. Sicherlich sind Abschläge nach diesem enttäuschendem Ausgang berechtigt, aber Kurse von weniger als 40% würden eine baldige Pleite des Konzerns bedeuten, wovon Corus weit entfernt ist.

Ebenso spannend geht es derweil in Italien zu:

Zwischen Telecom Italia und Olivetti Anleihen erleben Sie gerade, wie unterschiedliche Bonitäten sich gegenseitig ausgleichen. Die Renditen beider Anleihenklassen laufen regelrecht aufeinander zu. Telecom Italia verliert, während Olivetti sich verbessern kann. Dahinter steht der feindliche Übernahmeversuch von Telecom Italia durch die hochverschuldete Olivetti.

Der Anleihenmarkt nimmt die Fusion bereits vorweg und gewährt den Olivetti Anleihen Renditen, die sich den ursprünglichen Renditen der Telecom Italia Anleihen annähern, wenngleich sich nicht erreichen werden können. Wer kurzfristig noch mitspekulieren will, steigt z.B. bei Olivetti (WKN 854784 / ISIN XS0146643191) mit auf. Die Anleihe wird zum 24. April 2012 fällig und trägt einen Kupon von 7,25%. Beim aktuellen Briefkurs von 106,68% liegt die Rendite bis Endfälligkeit bei 6,26%. Das Ziel der Spekulation liegt bei 5,9 bis 6,0% innerhalb der nächsten Tage.

Petroplus erschreckte den Anleihenmarkt mit einer Vorabveröffentlichung. Vor dem heute veröffentlichten Jahresabschluß gab Petroplus schon am Dienstag die wichtigsten Eckdaten heraus. Danach hat sich der Verlust im 4. Quartal auf -400.000 Euro verringert, nach -7,6 Mio. Euro im Vorquartal, warnte aber vor nicht geplanten Rückstellungen für den Pensionsfonds. Allein die Erwähnung dieses Reizwortes sorgte für einen Sell-off, insbesondere da Petroplus nicht konkret wurde, sondern die Höhe der Rückstellungen offen ließ.

Solange die Anleihen fallen, warte ich ab. Grundsätzlich ist die Reaktion des Anleihenmarktes unsinnig, da sich das operative Geschäft in die richtige Richtung entwickelt und das Ergebnis viel stärker als erwartet ausfiel. Nichtsdestotrotz stelle ich mich der Verkaufswelle nicht in den Weg, sondern warte ab, bis sich die Kurse stabilisieren. Ich sehe in diesem Zusammenhang auch keinen Handlungsbedarf bei Preem, die unter der Veröffentlichung bei Petroplus gelitten hatten.

Wer auf einer endfälligen Argentinien Anleihe sitzt, bespricht sich mit seiner Hausbank. Ich bin in letzter Zeit des öfteren von Ihnen auf diese Problematik angesprochen worden und kann Ihnen sagen, daß es sich in der Regel empfiehlt, insbesondere bei den Vertretern der Gegenseite seine Ansprüche auf Tilgung und Zinszahlung schriftlich anzumelden. Im Fall von Argentinien wird der Schuldner durch die Privatbank Lazard vertreten. Als erster Anlaufpunkt kann Ihnen die Frankfurter Niederlassung (Lazard & Co. GmbH, Ulmenstraße 37-39, 60325 Frankfurt am Main, Tel: 069 / 1700730, Fax: 069 / 17007310) dienen.


Quelle:FM Research
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arpad
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