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Alt 18-05-2003, 12:02   #19
OMI
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18.05.2003, 09:26
Bericht: Euro Stärke - Dollar Schwäche (EuramS)

Von seinen Tiefstständen im März hat sich der DAX ein gutes Stück entfernt. Doch der starke Euro bedroht die Erholung. Welche Aktien unter dem Hoch der Währung leiden, welche profitieren


Langsam werden sie alle nervös: Politiker, Notenbanker, Investoren. Seit geraumer Zeit schauen sie gebannt zu, wie der Euro von einem Hoch zum nächsten klettert. Von wegen Weichwährung. Anfang vergangener Woche schien mit 1,1621 Dollar kurzzeitig sogar der Einführungskurs von 1,1747 vom Januar 1999 in Reichweite. Doch dann legte der Kurs eine Pause ein. Am Freitagabend wurde an den Devisenmärkten für einen Euro 1,153 Dollar bezahlt. Auch im Vergleich zum Yen gab die europäische Einheitswährung nach, notiert aber mit 133,83 Yen weiter auf hohem Niveau. Der Rückgang vermochte niemanden zu beruhigen: Fast alle Experten sind überzeugt, dass der Aufwärtstrend des Euro noch eine Weile anhält. Viele überrascht dabei weniger die Richtung als vielmehr die Geschwindigkeit des Anstiegs.


Über 25 Prozent hat der Euro innerhalb eines Jahres zugelegt. "Wir waren ja ohnehin schon bullish für den Euro, jetzt werden wir trotzdem noch rechts überholt", staunt Währungsexperte Nikolaus Keis von der HypoVereinsbank. Kurzfristig sei vorerst nichts in Sicht, was diese Entwicklung stoppen könne. "Wir werden die 1,18- oder 1,19-Marke zumindest testen", schätzt Keis. Seiner Meinung nach könnte es sogar noch heftiger kommen: "Wenn der Euro jetzt binnen weniger Wochen bis auf 1,30 Dollar durchstartet, würde ich das als Währungskrise bezeichnen. Das ist nicht mehr normal." Die Euro-Stärke hat weit reichende Folgen - und nicht für jeden sind sie so angenehm wie für Amerika-Reisende: Sie kommen derzeit deutlich billiger davon.


Am härtesten trifft es die Exportwirtschaft. Wirtschaftsvertreter warnen bereits vor einem Einbruch des Außenhandels. "Die Exporteure können die Schwankungen nicht einfach an die Kunden weitergeben. Das geht zu Lasten der Marge", sagt Anton Börner, Präsident des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels. Selbst die Politik ist alarmiert: Einer der ersten, der dieHoffnung auf einen schwächeren Euro zu spüren bekam, war Lucas Papademos, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Beim Treffen der zwölf EU-Finanzminister nahmen diese den Notenbanker kräftig in die Mangel. In einer vertraulichen Aussprache habe die Euro-Gruppe festgestellt, dass keine Inflationsgefahren mehr bestünden und es deshalb Spielraum für zinspolitische Maßnahmen gebe, ließ Finanzminister Hans Eichel wissen. Das Diplomaten-Kauderwelsch überdeckt notdürftig, wie ernst Europas Kassenwarte die Lage sehen: Nur eine kräftige Zinssenkung kann den weiteren Euro-Anstieg stoppen.


Das unterschiedliche Zinsniveau zwischen Euroland und den USA ist einer der Gründe, dass viele Investoren ihr Geld in Euro umschichten. Während die US-Notenbank Fed die Zinsen bis auf ein 40-Jahres-Tief von 1,25 Prozent gesenkt hat, liegt der Euro-Leitzins mit 2,5 Prozent doppelt so hoch. Die Russische Zentralbank hat daher den Euro-Anteil ihrer Devisenreserven von zehn auf über 20 Prozent gesteigert. Ähnliches gilt für Fernost. "Die asiatischen Zentralbanken wollen weg vom Dollar", weiß Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Bank of America.



Auch die Börsianer sehnen eine Zinssenkung der EZB herbei. Schließlich hat die Euro-Stärke in der Bilanz einiger Unternehmen schon jetzt deutliche Spuren hinterlassen. So musste etwa Volkswagen kürzlich einräumen, dass der hohe Euro im ersten Quartal einen Verlust vor Steuern von 400 Millionen Euro eingetragen habe. Vergangene Woche setzten der Kältetechnik-Produzent Linde, der Graphit-Hersteller SGL Carbon und der Baukonzern Hochtief diesen Reigen fort.


Rolf Elgeti, Europa-Stratege der Commerzbank, sieht schwere Zeiten auf Unternehmen und Aktionäre zukommen. Seiner Meinung nach impliziert der Verfall des Dollar-Kurses für viele Aktionäre eine Reduzierung der Gewinne um mehr als 20 Prozent. Und dieser Effekt sei in den Kursen noch keineswegs berücksichtigt, meint der Commerzbank-Experte.



Das Problem: Viele exportorientierte Unternehmen werden für ihre Waren und Dienstleistungen in Dollar bezahlt, die sie aus bilanztechnischen Gründen in Euro umrechnen müssen. So verkauften 2001 beispielsweise deutsche Firmen allein in die USA Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 68 Milliarden Euro - gut ein Zehntel des gesamten deutschen Ausfuhrvolumens. Ein hohes Risiko: Bei sinkendem Dollar bringt ein Geschäft zum Zeitpunkt der Bezahlung nicht mehr das ein, was beim Vertragsabschluss eingeplant war.


Auch im DAX sind die Verlierer in der Mehrzahl. Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat in einer Studie die Auswirkungen der Euro-Stärke auf die deutschen Blue Chips im DAX untersucht. Danach trifft es neben den Automobilherstellern vor allem den Technikriesen Siemens, den Halbleiterproduzenten Infineon sowie den Software-Konzern SAP. Die sonst als defensiv beurteilten Pharmawerte bleiben ebenfalls nicht verschont. Roland Ziegler, Aktienstratege bei der ING BHF-Bank, weist daraufhin, dass Unternehmen wie Bayer, Altana oder Schering in den vergangenen Jahren einen Großteil ihres Geschäfts in die USA verlegt haben. "Die Pharmaunternehmen sind heute deutlich währungssensibler als noch vor zehn Jahren", betont Ziegler.


Nicht alle trifft die Dollar-Schwäche mit gleicher Wucht. Viele exportlastigen Unternehmen haben vorgesorgt und sich am Devisenmarkt mit so genannten Hedging-Geschäften gegen Währungsrisiken abgesichert (siehe Kasten). Beispiel BMW: Die Münchner haben nach eigenen Angaben ihr Währungsrisiko für 2003 zu 100 Prozent abgesichert und für 2004 immerhin zu 66 Prozent. Konkurrent DaimlerChrysler ist für das laufende Jahr zu 80 Prozent abgesichert. Für 2004 liegt der Wert bei 60 Prozent, für 2005 bei 40 Prozent. Doch so vorsichtig sind die Finanzvorstände nicht überall. Zum einen, weil sie sich die Chance auf Währungsgewinne nicht verbauen wollen. Und zum anderen, weil Kurssicherungsgeschäfte natürlich auch Kosten verursachen.


Außerdem wirkt auch die klügste Hedging-Strategie nicht ewig, sondern verschafft den Unternehmen lediglich einen Aufschub: Sicherungsgeschäfte sind immer zeitlich begrenzt - die meisten Kontrakte haben nur eine Laufzeit von einem halben Jahr. ING BHF-Stratege Ziegler warnt deshalb: "Sicherung hin oder her - wenn die Euro-Stärke anhält, trifft es irgendwann jeden." Während in Europa die Exporteure über den starken Euro stöhnen, freuen sich viele US-Unternehmen über verbesserte Ausfuhrchancen und zu erwartende Währungsgewinne. So konnte der amerikanische Handelsriese Wal-Mart sein schwaches US-Geschäft dank der Auslandstöchter mehr als ausgleichen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.


Für Aktionäre lohnt es sich dennoch nicht, auf potenzielle Dollar-Profiteure zu setzen. Das Problem: Sofern der Euro weiter steigt - wofür derzeit vieles spricht -, werden die daraus resultierenden Kursgewinne durch Währungsverluste umgehend wieder zunichte gemacht.


Währungsgewinner gibt es natürlich auch in Deutschland - wenngleich sie in der Minderheit sind. Nach der Studie der LBBW profitieren nur vier Werte aus dem DAX von einem starken Euro: Adidas-Salomon, Fresenius Medical Care, Lufthansa und TUI. "Am stärksten macht sich der Währungseffekt bei Adidas-Salomon bemerkbar", sagt LBBW-Analyst Schallenberger. Denn der Sportartikelhersteller lasse gut 75 Prozent seiner Produkte im Dollarraum fertigen und verkaufe über 50 Prozent in der Eurozone. "Unterm Strich bedeutet das eine deutliche Entlastung auf der Kostenseite", sagt Schallenberger. Aus einem ganz anderen Grund zählt auch Fresenius Medical Care zu Gewinnern einer starken EU-Gemeinschaftswährung: Das Unternehmen bilanziert als einziger DAX-Konzern in Dollar.


Investoren tun freilich gut daran, nicht ausschließlich auf die Währungseffekte zu achten: "Bei Lufthansa und TUI wird der positive Einfluss des starken Euro von anderen Sondereffekten wie den Folgen des Irak-Kriegs und der Lungenkrankheit SARS überlagert", warnt der LBBW-Experte.


Zumindest bei Anlegern besteht also kein Grund zur Nervosität. Wer sich richtig positioniert hat, kann von der Euro-Stärke sogar doppelt profitieren: Indem er seine Gewinne in einen derzeit besonders günstigen Urlaub investiert - in den USA.


von Stefan Beste / Euro am Sonntag
Quelle: finance-online
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