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Alt 02-06-2003, 07:34   #25
OMI
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02.06.2003, 08:27
Tech-Aktien: Signale des Aufbruchs (EurAmS)
Die Nasdaq hat es geschafft: Seit vergangener Woche ist die Dauer-Baisse an der Techno-Börse besiegt – zumindest charttechnisch. Der Grund: In einigen Hightech-Branchen gibt es zartes Wachstum. Wo jetzt der Einstieg lohnt

von Stephan Bauer
Euro am Sonntag 22/03


Wie ein Leuchtturm steht der Tower der Computerbörse Nasdaq mitten in New York. An der Kreuzung Broadway und 43.Straße verkündet eine sieben Stockwerke hohe Anzeigetafel 24 Stunden täglich das Wichtigste in Sachen Börsenkurse, Charts, Ergebnisse.


Die Nasdaq gilt als Leitindex für Hightech-Titel und Wachstumswerte. Oracle, Dell, Ebay, Amazon und Amgen sind dort gelistet. Und seit einiger Zeit können die Botschaften der Techno-Börse wieder begeistern: Trotz immer noch andauernder Absatzflaute in vielen Bereichen der Hightech-Industrie haben einige Werte in den vergangenen Monaten stark zugelegt: Der Kurs von Juniper Networks etwa, Konkurrent von Netzwerk-Hersteller Cisco, legte seit Anfang des Jahres um mehr als 100 Prozent zu. Nvidia, Halbleiter-Spezialist mit Schwerpunkt Grafik-Chips, machte 89 Prozent Plus. Der Kurs von Amazon hat sich seit dem Tiefststand im Herbst 2001 vervierfacht.


Wichtiger jedoch als spektakuläre Kursgewinne bei einzelnen Titeln war das Signal, das der Leuchtturm in der vergangenen Woche aussandte: Die Nasdaq hat – als erster Index mit Weltgeltung– dank des dreiprozentigen Kursschubs vom vergangenen Dienstag den im März 2000 einsetzenden Abwärtstrend verlassen (siehe Chart). Zum Vergleich: Der DAX steckt aus Sicht der Charttechniker noch immer tief in der seit über drei Jahren andauernden Baisse. Ungefähr bei 4300 Punkten verläuft hier die magische Linie, die den deutschen Leitindex vom Ende der Dauer-Baisse trennt.


Technisch steht die Erholung der US-Techs auf stabilem Fundament. „Die Nasdaq hat eine saubere Bodenbildung hinter sich“, sagt Darius-Reza Montasser, Charttechniker des Bankhauses Reuschel. Nach dem Kurssprung der vergangenen Woche wittern Analysten jetzt weiteres Potenzial: „Wenn der Index den Widerstandsbereich um 1550 Punkte dauerhaft knackt, ergeben sich neue Kurs-Chancen“, so Montasser.


Die Bäume wachsen indes noch nicht in den Himmel. Hohe zweistellige Wachstumsraten wie zu Ende der 90er-Jahre wird die Hightech-Branche zwar so schnell nicht wieder sehen. Aber immerhin: Das Kerngeschäft mit Computern, von dem vor allem die Halbleitersparte als Zulieferer abhängt, wächst wieder spürbar. Die optimistischste Einschätzung für die Entwicklung des PC-Marktes kommt von den renommierten Forschern der Gartner Group. Sie gehen für 2003 von rund acht Prozent Wachstum aus. Im Vorjahr schaffte die PC-Branche nur 2,7 Prozent. Das Schlimmste, so viel steht fest, ist vorbei. „Der Markt hat im Jahr 2002 die Talsohle durchschritten“, sagen auch die Experten der amerikanischen IDC.


Einigermaßen stabile Absätze in ihrer Heimat verdanken die US-Techs vor allem der Nachfrage der privaten Haushalte. Die US-Wirtschaftspolitik tut alles, um den privaten Konsum zu stützen: Kreditzinsen auf Rekordtief und während der nächsten zehn Jahre Steuererleichterungen in Höhe von 350 Milliarden Dollar.


Jetzt hofft die Hightech-Branche, dass auch die Unternehmen endlich wieder mehr Geld für ihre IT-Infrastruktur ausgeben. Doch bei den Investitionen hat der Funke noch nicht gezündet, noch dümpelt die Tech-Konjunktur vor sich hin. Wann der Aufschwung kommt? Experten bleiben vorsichtig: „Ich rechne Mitte nächsten Jahres mit einer deutlichen Erholung“, sagt etwa Pia Hellbach, Tech-Fondsmanagerin bei Union Investment.


Die Konjunkturschwäche hatte auch ihr Gutes. Die harten Zeiten haben die Überlebenden gestählt, in weiten Teilen der Industrie kam es zu drastischen Einsparungen. „Der gesamte Sektor hat eine massive Restrukturierung hinter sich“, erläutert Martino Perkmann, Fondsmanager für Tech-Werte bei der Gesellschaft Deka Investment. Telekom-Ausrüster Lucent etwa, 2002 noch vor dem Aus, reduzierte seine Belegschaft von 120000 Mitarbeitern im September 2000 auf 38500. Software-Produzent Siebel verkleinerte die Belegschaft um 1500 Leute auf rund 6000. Entsprechend wurden die Fertigungspotenziale verringert. „Die Überkapazitäten sind weitgehend abgebaut“, sagt der Fondsmanager.


Dass die meisten Techs sich fit gespart haben, zeigten die Zahlen des ersten Quartals. „Die Umsätze haben sich stabilisiert, nahezu alle Unternehmen haben auf der Gewinnseite die Erwartungen übertroffen“, lobt Perkmann. Auch die US-Anlageprofis hat das überzeugt: Nach einer Umfrage der Investmentbank Merrill Lynch gewichtete ein Fünftel aller US-Fondsmanager im Mai die Tech-Werte überdurchschnittlich, im April taten dies nur acht Prozent. Von den Techies versprechen sich die US-Profis damit neben Pharma-Aktien am meisten.


Unterstützung erhalten die US-Techs vom starken Euro: Die Unternehmen profitieren davon, dass etwa die Euroumsätze, in Dollar umgerechnet, an Wert gewinnen. Seit Jahresbeginn allein um 15 Prozent. So zeigten sich bereits im abgelaufenen Quartal die Auswirkungen in den Zahlenwerken von Dow-Schwergewicht IBM, dessen Umsatz durch den Dollareffekt um rund acht Prozent stieg. Auch die Profite wachsen: „Oft entstehen den US-Techs nur Marketing- und Vertriebskosten in Euro, die restlichen Kosten fallen meist in Dollar an. Entsprechend steigen die Gewinne der US-Firmen“, erklärt Andreas Kraft, Fondsmanager für Tech-Werte bei der DWS.



Für deutsche Anleger hatte der Euroanstieg seine Schattenseiten. Gut 30 Prozent Währungsverluste seit Mitte vergangenen Jahres mussten durch die Kursgewinne ihrer US-Titel kompensiert werden. Experten gehen indes davon aus, dass das Anstiegspotenzial des Euro inzwischen geringer wird.


Ganz vorne bei den Eurogewinnern sind große Techs wie IBM, die Software-Unternehmen Oracle und BEA sowie Computer- und Druckerhersteller Hewlett-Packard. „Alle mit Umsatzanteilen in Europa, die größer sind als 30 Prozent“, sagt Kraft. Insbesondere Hewlett-Packard gefällt zurzeit vielen Anlageprofis. Umsatz und Gewinn lagen im ersten Quartal auch dank Dollarschwäche über den Erwartungen. Chefin Carly Fiorina erklärte, dass sie weitere Kostensenkungen realisieren werde. „Eine gelungene Turnaround-Story“, findet auch Deka-Experte Perkmann.


Aus dem harten Wettbewerb gingen die Großen als Sieger hervor. PC-Hersteller Dell hat die kürzesten Durchlaufzeiten der Branche vom Bestelleingang bis zur Lieferung. Die Texaner gewinnen so in dem extrem preisintensiven Wettbewerb ständig Marktanteile – laut Boss Michael Dell rund drei Prozent pro Jahr. Auch Cisco, ein Hersteller von Netzwerktechnik, ist so ein Hecht im Karpfenteich, der in der Krise der Konkurrenz Anteile abjagt. Diese Stärke zieht an: „Wir setzen auf Marktanteilsgewinner“, erläutert Deka-Fondsmanager Martino Perkmann.



Ein weiteres Argument, das für große US-Techs spricht: Bei ihren Hightech-Bestellungen bevorzugen Unternehmen starke Lieferanten. Partner, die mit Sicherheit auch in fünf oder zehn Jahren noch Service bieten. „Unternehmen konzentrieren ihre Investitionen zunehmend auf einige wenige Ausrüster“, sagt DWS-Mann Kraft. Echtes Wachstum über Marktanteilsgewinne hinaus verzeichnen hingegen die Internet-Werte. Die Auslese war am härtesten, die Zahl der Pleiten am höchsten. Entsprechend gut aufgestellt sind die Unternehmen, die den für viele tödlichen Abwärtssog überlebten. Und: Das Web gewinnt als Vertriebs- und Informationskanal ständig an Bedeutung.


Mit einem wachstumsträchtigen Geschäftsmodell glänzt etwa das weltgrößte Internet-Auktionshaus Ebay: Der Gewinn im ersten Quartal verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr, beim Umsatz legten die Kalifornier um stolze 94 Prozent zu. Inzwischen hat die Aktie allerdings wieder ein Niveau wie zu den Boomzeiten des Jahres 2000 erreicht. Zudem belastet ein Patentstreit um eine Web-Technik, die rund 26 Prozent des Ebay-Handelsvolumens trägt. Die Kalifornier wurden deshalb jüngst zu 35 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt.


Das Internet-Portal Yahoo profitiert unterdessen von steigenden Werbeeinnahmen im Web. Chef Terry Semel schaffte das vierte Quartal in Folge mit steigendem Gewinn. Der Umsatz stieg um beinahe 50 Prozent, es blieb ein Gewinn von rund 47 Millionen Dollar – im Vorjahr waren noch 54 Millionen Verlust angefallen.


Doch Web-Werte sind wieder extrem teuer: Amazon kommt auf ein 2004er-KGV von über 50, bei Yahoo beträgt es gar 60. Fragt sich, wie lange die zweite Internet-Hausse dauert. „Das Interesse wird anhalten, bis in anderen Sektoren Wachstum spürbar wird“, glaubt Tech-Kenner Carsten Jansing von Hornblower Fischer. Anleger sollten deshalb nur vorsichtig einsteigen.


Hersteller von Web- und Telekom-Equipment sind besonders stark unter die Räder gekommen. „Irgendwann müssen auch die Telekoms wieder mehr investieren, sonst veraltet die Technik“, ist Jansing überzeugt. Springt der Markt an, dürfte etwa Nortel Networks profitieren. Die Kanadier bauten ihre Belegschaft von in der Spitze 95000 auf 36000 Mitarbeiter ab. Inzwischen stabilisiert sich der Umsatz, die Radikalkur trägt Früchte: Im ersten Quartal schrieb Nortel wieder einen Gewinn. Mit rund vier Milliarden Dollar in der Kasse stehen die Kanadier solide da.


Auch das Beispiel Nortel zeigt: In vielen Bereichen sind die Untiefen der Tech-Baisse umschifft. Und der Nasdaq-Leuchtturm strahlt so hell wie seit Jahren nicht.

Quelle: finance-online
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