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Alt 04-08-2003, 22:41   #12
cade
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Die Stärke der heimlichen Autobauer (EuramS)

Jahrelang standen Aktien der Zulieferer im Schatten der großen Hersteller. Doch steigende Umsätze trotz Autoflaute und eine gute Portion Übernahme-Phantasie lassen die Kurse steigen. Welche Titel noch lohnen.
von Stephan Bauer /Euro am Sonntag

Auf den ersten Blick wirkt das neue Wirtschaftswunder der deutschen Autoindustrie, als ob man einen alten Opel Kapitän mit Turbo und Direkt-einspritzung getunt hätte: Autozulieferer sind die Börsenstars der Saison. Der Elektronik-Ausrüster Leoni läuft mit rund 60 Prozent Plus im Jahr 2003 wie ein Rennmotor. Die Aktie des Dichtungsherstellers ElringKlinger beschleunigte seit der EURO-Empfehlung Mitte April um rund 60 Prozent. Der Zulieferer und Reifenhersteller Continental dreht auf Drei-Jahres-Hoch. Heiligs Blechle, da wundert sich so mancher Aktienfreund: Wie kann eine Branche, die im Abgas der krisengeschüttelten Autobranche fährt, wachsende Umsätze einfahren? Und wie kriegen die Schlosser unter dem Preisdruck marktmächtiger Konzerne wie DaimlerChrysler, GM, Ford oder Volkswagen ordentliche Gewinne hin?Fakt ist: Die Autokonjunktur läuft lange nicht unter Voll-Last. „Der inländische Autoabsatz droht 2003 erneut zu schrumpfen“, warnt Simone Gromer, Auto-Analystin bei der Deutschen Bank. Zudem liefern sich die großen Konzerne in den USA eine Rabattschlacht auf Kosten ihrer Gewinne.

Doch die jüngsten Zahlen von Continental zeigen deutlich: Zulieferer verzeichnen satte Zuwächse. Der MDAX-Wert aus Hannover steigerte den Nettogewinn im ersten Halbjahr um knapp 20 Prozent auf 195 Millionen Euro, Analysten hatten im Schnitt mit 175 Millionen Euro gerechnet. Und beim Umsatz blieben die Niedersachsen trotz negativer Währungsentwicklung auf dem Vorjahresniveau von 5,65 Milliarden Euro. Ein Grund: Statt wie früher mit Schmiere und Schraubenschlüssel arbeiten die Betriebe immer mehr mit Hightech. Trotz sinkender Autostückzahlen steigt die Zahl der elektronischen Komponenten pro Fahrzeug. Die Conti-Sparte Automotive Systems etwa, zu der die Töchter Teves und Temic gehören, fuhr im ersten Halbjahr mit Fahr- und Bremshilfen wie ESP und ABS ein Plus beim Umsatz ein. „Insofern gehen wir jetzt davon aus, 2003 ein operatives Ergebnis von mehr als 700 Millionen Euro zu erzielen“, erhöhte Conti-Chef Manfred Wennemer seine Jahresprognose.

Zulieferer profitieren vom Boom bei den Extras. Komfort- und Sicherheitsausrüstung wie Airbags, Klimaanlagen oder ABS kosten auch bei Kleinwagen nicht mehr extra, sondern sind Teil der Serienausstattung. Die bessere Ausrüstung der gewöhnlichen „Volkswagen“ lässt sich am Fahrzeuggewicht ablesen: Trotz leichterer Karosserien erhöhte sich dieser Wert seit 1990 im Schnitt um 250 Kilo. Das Beispiel CLK Cabrio (siehe Grafik) zeigt: Fast das komplette Innenleben moderner Autos wird beim Hersteller angeliefert.

Zudem findet immer mehr Entwicklung und Produktion außerhalb der Autokonzerne statt. Magna-Steyr in Graz etwa testet Motoren für fast alle großen Hersteller, baut gar komplette Modelle wie die Gelände-Limousine X3 für BMW. Der Grund: „Die Modellvielfalt und kürzere Entwicklungszyklen überfordern die Entwicklungskapazitäten der Hersteller“, sagt Thorsten Zimmermann, Analyst bei HSBC Trinkaus&Burkhardt. Volkswagen baute 1950 drei Modelle: den Käfer, das Käfer-Cabrio und den Transporter LT. Im Jahr 2002 hatten die Wolfsburger bereits 19 Varianten im Programm.

Die Umsätze der Zulieferer steigen deshalb kräftig: Von 1990 bis 2001 kletterte der Branchenumsatz laut Zahlen des Branchenverbandes VDA von 26,8 auf 56,8 Milliarden Euro. Zudem beweisen etwa die Conti-Zahlen, dass trotz harten Preiskampfs der Gewinn nicht auf der Strecke bleiben muss.

Die Voraussetzung hierfür allerdings sind technische Hochleistungen und internationale Aufstellung. Der heiße DAX-Kandidat Conti (die Entscheidung fällt am 19. August) etwa gehört mit seinen Bremssystemen weltweit zu den Marktführern. MDAX-Kollege Beru ist mit einem Anteil von 45 Prozent Weltmarktführer bei Diesel-Glühkerzen. Der Trend zum drehmomentstarken und verbrauchsarmen Dieselmotor brachte den Ludwigsburgern im abgelaufenen Geschäftsjahr eine Marge von über 16 Prozent ein.

Nach einer Wachstumspause wegen ausgelaufener (und margenschwacher) Verträge im abgelaufenen Geschäftsjahr will Beru-Vorstand Marco von Maltzan im laufenden Jahr 15 Prozent Umsatzwachstum schaffen. Der Ebit-Gewinn soll laut HSBC-Analyst Zimmermann um etwa acht Prozent auf über 53 Millionen Euro steigen. Hoffnungsträger ist der neue Golf von Volkswagen, der ab Herbst zu den Händlern kommt. Beru liefert das Sofort-Startsystem für den bei Diesel-Fans beliebten Kompakten.

Dank Diesel-Boom ist das Unternehmen besonders konjunkturfest. Auch deshalb haben die Ludwigsburger eine sehr solide Bilanz. Das Verhältnis von Nettoschulden zum Eigenkapital – das Gearing, eine viel beachtete Kennziffer – liegt bei etwa zehn Prozent. „Der Branchenschnitt ist viel schlechter, liegt bei etwa 90 Prozent“, weiß Analyst Stilian Boiadjiev von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Die Schwäche der Branche: hohe Schuldenstände. Besonders hoch verschuldet ist Conti: Am Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres hatten die Hannoveraner fast doppelt so viel Nettoschulden wie Eigenkapital. Dazu beigetragen haben auch Contis defizitäre Reifenwerke in den USA. Doch mit der Misere soll bald Schluss sein. Bis Ende 2003 will Conti-Chef Maltzan das Gearing auf 100 Prozent zurückfahren.

Trotz der guten Zahlen bleibt ein typisches Branchenrisiko: die Abhängigkeit der Zulieferer von ihren Großkunden. So können die Hersteller die Investitionsrisiken und die damit verbundenden Finanzlasten weiterreichen. Beispiel Leoni: Um die Nachfolger der Opel-Modelle Astra und Zafira mit Bordnetzen zu beliefern, steckten die Nürnberger in den vergangenen Monaten 40 Millionen Euro in den Aufbau eines neuen Werks in der Ukraine. Die Bilanz ist entsprechend angespannt: Die Nettoverschuldung steigt im laufenden Jahr voraussichtlich von 223 auf 263 Millionen Euro, das Gearing damit auf über 100 Prozent.Laufen die Opel-Modelle sowie die 1er-Reihe von BMW, für die Leoni ebenfalls liefert, dann wird der Börsenstar im kommenden Jahr die Früchte einfahren. HSBC-Analyst Zimmermann rechnet für 2004 mit einem Umsatzwachstum von 20 Prozent und einem Plus beim Ebit von 55 Prozent.

Neben dem Gewinnwachstum treibt Übernahmephantasie die Kurse. Inzwischen sind zahlreiche Investoren auf die immer noch günstigen und wachstumsstarken Aktien aufmerksam geworden. Die Zulieferer W.E.T. Automotive und Edscha sind bereits größtenteils aufgekauft. Bei Beru ist die amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Carlyle mit einem 35-Prozent-Anteil investiert. Weitere Aufstockungen sind, wie beim Ingenieursdienstleister Bertrandt, an dem Porsche mit 25 Prozent beteiligt ist, durchaus denkbar.

Dies dürfte auch dann gelten, wenn, wie Audi-Chef Martin Winterkorn jüngst äußerte, der Trend zum Outsourcing in der Auto-Industrie seinen Höhepunkt überschritten hat. „Auch dann wird es für Auto-Häuser wie Porsche interessant, etwa mit einer höheren Beteiligung an Bertrandt Entwicklungs-Kapazitäten zu binden“, stellt LBBW-Analyst Boiadjiev fest. Sieht so aus, als könnte der Kursturbo in der Zulieferindustrie noch ein wenig höher drehen.

Wertpapiere des Artikels:
GENL MOTORS DL 1,666
LEONI AG NA O.N.
CONTINENTAL AG O.N.
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viele grüsse

cade
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