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Alt 22-10-2004, 20:38   #57
crazy_coco
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Der märchenhafte Aufstieg der Google-Aktie

Manche Anleger wollen am Freitagmittag nichts vom Ölpreis hören, und auch der schwache Arbeitsmarkt trifft sie nicht. Im Gegenteil: Man feiert als gäbe es kein Morgen. Nach dem ersten Quartalsbericht überhaupt steigt Google um 25 Prozent auf einen aberwitzigen Kurs von 175 Dollar – und die Aktie soll noch höher hinaus.

Kaum einer läuft auf dem Parkett, der sich durch die Google-Rallye nicht an die großen Tage des Internet-Booms erinnert fühlt. Was Aktien von Amazon und Ebay, von Yahoo und AOL schon lange hinter sich haben, das holt Google jetzt nach: Hohe Erwartungen treiben die Aktie von einem Rekord zum nächsten, und interessanterweise spielen die Analysten das Spiel mit.

Bei Charles Schwab schraubt man das Kursziel auf 180 Dollar, bei Prudential auf dicke 200 Dollar – solche Zahlen kennt die Wall Street sonst nur von Henry Blodget, dem mittlerweile gefallenen Hightech-Guru von Merrill Lynch. Der hatte seinerzeit auf der Höhe der Internet-Spekulation die Aktie von Amazon auf 400 Dollar gesetzt – wenig später begann der Online-Händler seinen Sinkflug von seinem historischen Hoch bei 113 Dollar auf bis zu 6 Dollar.

Auffallender noch als die hohen Kursziele – die bei einem Blick auf die Notierung ja nicht so unsinnig scheinen – ist, dass zahlreiche Analysten Google noch immer auf „Kaufen“ oder „Übergewichten“ sehen. Angesichts eines völlig unglaublichen KGV von weit über 200 ist das ebenso gewagt wie im Hinblick darauf, das Google keine weitreichende Performance-Geschichte vorzuweisen hat.

Sicher, die Bilanz der Suchmaschine reicht bis vor das IPO zurück. Doch sind die Vergleichszahlen dennoch nicht so stabil wie bei Unternehmen, die sich auf mehrere Jahre Umsatz- und Gewinnentwicklung aus öffentlich zugänglichen Papieren beziehen können. Auch ist es den Google-Boys Larry Paige und Sergej Brin bekanntlich nicht gelungen, bei ihrer Roadshow vor dem Börsengang mit Zahlen oder Daten wirklich aufzutrumpfen.

Auch die Zukunftsstrategien des Unternehmens begeisterten noch vor zwei Monaten keinen. Immerhin musste Google seinen IPO-Kurs von zunächst bis zu 135 Dollar auf letztlich 80 Dollar absenken, so gering schien die Nachfrage nach Papieren. Aus heutiger Sicht scheint der ursprünglich angepeilte Startkurs fast nachvollziehbar.

Woher kommt also die Euphorie, die an der Wall Street eine seit Jahren nicht mehr gesehene Kaufkraft freigesetzt hat? Einerseits profitiert Google sicherlich von der Schwäche anderer Hightech- und Internetwerte, deren jüngste Zahlen Umschichtungen in vielen Portfolios erleichtert haben. Andererseits scheinen sich viele Anleger nach vier eher drögen Handelsjahren einfach nach einem Märchen zu sehnen. Fragt sich, wie viele rechtzeitig mit einem „Happy End“ wieder rauskommen.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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