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Alt 21-09-2008, 01:15   #49
Benjamin
TBB Family
 
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Worum geht es bei diesem "Rettungsplan" zur Rettung des US-Finanzsystems und auf was wird das am Ende für uns hinauslaufen?

Zuerst einige Zahlen:


The size of the US economy/ gross domestic product (GDP) of the USA in 2007: ~US$14 trillion (13,843,825,000,000 US$)
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of..._GDP_(nominal)

The National Debt of the USA:
As of August 18, 2008, the total outstanding debt was $9.608 trillion, which is approximately 65% of U.S. Gross Domestic Product. This amounts to a share of over $31,000 per citizen.
The gross national debt can be divided into $5.435 trillion of publicly held debt (domestic and foreign), and $4.173 trillion of debt held by government accounts (trust funds), the largest of which is Social Security.
Because trust fund debt is a matter of internal governmental bookkeeping, economists focus on the publicly held debt. It is this number that reflects the impact of federal borrowing on the economy and the budget.
http://www.concordcoalition.org/learn/debt-facts

US-Federal Debt on August 18, 2008: $9,608,111,368,296.70 US-$. Das setze ich zu 100%.

500000000000 US-$ (500 billion , engl. Bezeichnung) soll das neue "Rettungsprogramm zur Sicherung des Finanzsystems" in etwa kosten. Das wären 5,2% der o. g. 100%-Summe, also dem US-Federal Debt on August 18, 2008. Die kämen jetzt auf einen Schlag drauf.

Setzt man nun das GDP zu 100%, dann wären die 500 billion, die man jetzt für die "Risiken" ansetzt, 3,6% davon. Das erscheint erst einmal nicht so schrecklich viel zu sein. Folglich werden die Politiker dem Plan zustimmen.

Das Problem ist aber folgendes: Addiert man zum bestehenden National Debt of the USA zum Stand von 2007 jene 500 billion und setzt sie in Beziehung zum gross domestic product (GDP) of the USA, dann erhält man etwas ziemlich beängstigendes: Das National Debt of the USA wird bei Umsetzung des vorgesehen Plans dann ~Ende 2008 rund 73% des gross domestic product (GDP) of the USA betragen.

Nun zu den Zinszahlungen auf diesen Schuldenberg "National Debt of the USA":
Die neue Schuldensumme lautet dann ~Ende 2008/Anfang 2009 neu 10100000000000 US-$.
1% (Zinsen) davon sind 101,000,000,000 US-$.
Die tatsächlich fälligen jährlichen Zinsen sind aber viel höher. Bei hier einmal grob und beispielhaft abgeschätzten durchschnittlichen 4 % sind 404,000,000,000 US-$ im Folgejahr 2009 fällig, zu deutsch ~404 Milliarden Dollar in 2009 allein für Zinsen. In 2009 kommen vermutlich noch neue zusätzliche Ausgaben hinzu: Die beiden US-Präsidentschaftskandidaten haben Steuererleichterungen und mancherlei Reformen versprochen. Zudem dürfte der Streit um Öl- und sonstige Rohstoff-Einflussgebiete (inkl. Irak), jene unsägliche Anti-Terrorismus-Kampagne sowie ein gesteigertes Muskelspiel gegenüber Russland und China weitere militärische bzw. "sicherheitspolitische" Ausgaben erfordern. Dazu kommen Hilfsprogramme für US-Klimawandelopfer in den Hurrikane-Regionen und der Zinseszinseffekt von einem Haushaltsjahr zum nächsten. Die Kosten für neue Schulden werden also massiv ansteigen und nur deshalb noch finanzierbar sein, weil Staatsanleihen zu recht niedrigen Renditen auf den Markt geworfen werden können.

Das Damokles-Schwert würde jedoch immer über der US-Regierung schweben: Mit jedem einen zusätzlichen Prozentpunkt bei den Zinsen für Treasuries kämen weitere ~101 Milliarden Dollar für Zinszahlungen jährlich zum Schuldenberg dazu. Das Defizit im Staatshaushalt der USA steuert aber allein schon in diesem Fiskaljahr 2008 - noch vor Berücksichtigung der zusätzlichen 500 Milliarden für den neuen "Rettungsplan" - auf einen Rekord von 400 Milliarden Dollar zu. Der gesamte US-Staatshaushalt beträgt in 2008 bislang bereits rund 3,1 Billionen US-$ (3.1 trillion dollars), was bislang also bereits weniger als ein Drittel des nationalen Schuldenbergs ausmachte.

Das macht deutlich, worum es bei diesem Plan zur Rettung des Finanzsystems geht: Es ist der letzte Pfeil, den die Regierung im Köcher hat! Dieser Pfeil ist überhaupt nur deshalb noch da, weil im Moment eine Phase fallender Zinsen bei den US-Staatsanleihen läuft. Hier der Chart der Renditen der U.S. Treasury (10 Year):

Die Fortsetzung dieses laufenden Trends bei den US-Staatsanleihen bis ~2010 wird zwar von fast allen Profi-Analysten leider bezweifelt, aber ich ziemlich sicher, dass es so kommen wird.

Von mir erwartete Folge: Der jetzt bereits laufende Trend fallender Anleiherenditen und vor allem der nun anbrechende Trend steigender Aktienkurse werden den Anlegern bis 2010 das Gefühl vermitteln, alles sei gerettet, die Welt ist schön, es geht alles ewig so weiter, Bäume wachsen in den Himmel. Ein Bullentraum bis ~2010!

Aber (spätestens) ab ~2010 werden die Zinsen der US-Staatsanleihen aus mehreren Gründen beginnen zu steigen. Dann werden die jetzt vom US-Steuerzahler - vertreten durch seine Regierung - übernommenen "Risiken" immer noch da sein - sie wurden ja nur verlagert, nicht ausgelöscht. Die US-Bundesregierung wird dann keinen Pfeil mehr im Köcher haben, weil die ansteigenden Zinszahlungen auf die US-Treasuries ihr jeglichen Freiraum nehmen werden.

Der logisch zwingende Schluss: Nachdem das Reservior der Steuern über das National Dept trockengelaufen sein wird (drohender Staatsbankrott der USA) wird es nur noch eine letzte Talsperre geben, die man anzapfen kann: Die Spar- und sonstigen Kapitaleinlagen der kleinen Leute. Das technische Verfahren zum Anzapfen dieser Gelder: Eine Währungsreform in den USA. Durch die Abwertung all dieser Gelder wird all das in der Vergangenheit künstlich geschaffene Geld vernichtet werden. Da wird also nicht im landläufigen Sinne irgend etwas über einen Geldtransfer "bezahlt", sondern der Kaufkraftwert all dieser Einlagen wird fast vollständig vernichtet werden. Danach sind die Risiken nicht mehr da, weil die dahinterliegenden "Werte" im Preis massiv reduziert (teilweise wohl auch zu Null gesetzt) worden sein werden. Damit ist im finanztechnischen Sinn das Problem der "Risiken" gelöst. Allerdings nagen dann viele Leute am Hungertuch!



Man kann also beobachten, wie eine logische Kaskade von Eskalationsstufen abgearbeitet wird. Die "Risiken" werden im Zeitverlauf immer größer und wie eine heiße Kartoffel nach unten durchgereicht:

1. Zuerst überheben sich die Banken und drohen schließlich unterzugehen:
Die mussten die "Risiken" nun zurück in ihre Bilanzen übernehmen, was sie als Unternehmen überforderte. Es drohte eine Flut von Bankzusammenbrüchen. Das offensichtliche Merkmal des Endes dieser Phase waren die zuletzt fast senkrecht fallenden Bankaktien. Es droht ein Kollaps des Finanzsystems. Diese Phase haben wir bis letzte Woche gehabt, sie ist nun abgeschlossen.

2. Dann übernimmt der Steuerzahler die "Risiken" über die Verpfändung der zukünftigen Steuereinnahmen. Ein Bullentraum beginnt...
Das läuft jetzt mit dem in Arbeit befindlichen "Rettungsplan" an und wird bis ~2010 nach Bedarf angewendet werden. Die Banken und alle übrigen kreditsuchenden Unternehmen fühlen sich von einem Mühlstein befreit und stürmen an der Börse grandios nach oben. An den Börsen bricht ein - letzter - Bullentraum an mit steigenden Aktien und Anleihenkursen, dessen Startpunkt jetzt in diesen Tagen ist. Dieser Bullentraum wird uns auf ganz neue All-time-highs führen.

3. Vom All-time-high zum drohenden Staatsbankrott:
So um ~2010 werden wir das Top bei den Aktien- und Anleihekursen erreichen, und zwar in Form von neuen all-time-highs. Das offensichtliche Merkmal des Endes dieses letzten Bullentraums und des Beginns einer ganz neuen Ära werden vor allem die fallenden Kurse der Staatsanleihen sein (deren Zinsen bzw. Renditen werden also steigen).

Ab ~2010 wird deutlich werden, dass der Steuerzahler (bzw. seine Regierung) mit den "üblichen" Einnahmen (Steuern + neue Schulden) nicht mehr klarkommt. Denn die Ausgaben (vor allem die jährlich fälligen Zinszahlungen auf das Schuldengebirge) laufen nach oben davon. Die Konjunktur bricht immer stärker ein, Anleger verlangen immer höhere Risikoprämien auf Aktien wie auf Anleihen. Folge: Die "Risiken" sind aus dem Steuerhaushalt nicht mehr ausreichend abgedeckt, so wie vorher die Bilanzen der Banken dafür nicht ausreichten. Die Regierung wird kaum die Gehälter der Bundesangestellten bezahlen können, nicht zu reden von den inzwischen noch höher gewordenen "Risiken".

Die Anleger beginnen nun also zunehmend, die Schuldenrückzahlungsfähigkeit der USA in Zweifel zu ziehen. Folge: Die Kurse von Dollar, Staatsanleihen und Aktien fallen - mit zunehmender Geschwindigkeit, bis sie fast senkrecht nach unten fallen - ganz analog zu den Aktienkursen der großen Banken aus Phase 1, welche sich in der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung rückblickend wie ein Kindergeburtstag ausnehmen dürfte im Vergleich zu dem, was ~2014 los sein wird!

Ein Beispiel aus der Vergangenheit:
Das deutsche Vorbild - Der Crash der Reichsmark

Die Situation ist eher vergleichbar mit den Verhältnissen in Deutschland kurz vor dem Verschwinden der Reichsmark in der damaligen Währungsreform, als damals deutlich wurde, dass Deutschland nicht in der Lage sein würde, seinen Zahlungsverpflichtungen gerecht zu werden.

Nach der langen Kriegsunterbrechung startete der Handel mit US-Dollar an der Berliner Börse im Februar 1920. Der hier gepostete Chart gibt die Monatsschlusskurse an den betreffenden Monaten wieder, nicht die Tageskurse im betreffenden Monat.
Erläuterung: 1 E+13 bedeutet eine 1 mit 13 "Nullen", also 10'000'000'000'000, hier: so viele Reichsmark für einen einzigen US-Dollar.

Man beachte: Die Kursachse (Y-Achse) ist bereits logarithmiert - und trotzdem steigen die Kurse quasi "noch einmal logarithmisch" an! In linearer Skalierung erhält man für den Kursverlauf der Reichmark zum US-Dollar nur einen nahezu waagerechten Strich parallel zur Zeitachse, der dann plötzlich beinahe kerzengerade nach oben schießt.

Ab etwa Mai 1922 nahm die Anstiegsgeschwindigkeit zu: Es wurde in der Zeit immer deutlicher, dass Deutschland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht würde nachkommen können.
In etwa den letzten ~1,5 Jahren fand daher der größte Teil der Entwertung statt.

Zurück zur Zukunft: Nach dem Bullentraum von 2008 - ~2010 (steigende Aktien u. Anleihen, leicht erstarkender Dollar) folgt nun also ein Bullenalptraum von ~2010 bis 2014: Aktien, Anleihen und der Dollar fallen mit immer größerer Geschwindigkeit ab.

Keine Illusion an dieser Stelle: Es wird nicht möglich sein, über Shorts oder Puts aus dieser Entwicklung Profit zu schlagen: Derivative Instrumente wie eben Shorts und Puts dürften per Gesetz in dieser Zeit verboten werden; Beispiele dafür haben wir ja in der - vergleichsweise harmlosen - Phase 1 gesehen, als die USA und die UK das Shortselling von Bankaktien verboten. Die Anzahl dieser handelbaren derivativen Produkte wird ebenso gegen Null gehen wie die Kurse an den Börsen. Mein persönliches Kriterium: Oberhalb von Kursen für EUR/USD von ~2,500 wird es wirklich gefährlich werden! Man wird ab dann vermutlich besser alles Geld aus Hebelprodukten abziehen und in Sachwerten und Gebrauchsgegenständen sein Heil suchen, um in den Folgejahren - in denen man kaum etwas für sein Geld bekommen dürfte oder Unsummen dafür bezahlen müsste - möglichst wenig kaufen zu müssen.

Es droht also ~4 Jahre (grobe Schätzung) nach ~2010 der Staatsbankrott der USA. Die Regierung ist mit der Situation völlig überfordert und sucht verzweifelt nach Lösungen. Sie findet letztlich nur noch eine einzige, die Abhilfe verspricht: Die "Endlösung". Zusammen mit einem Notfinanzierungsprogramm der Regierung soll so der bevorstehende Staatsbankrott abgewendet werden.

4. Die "Endlösung": Der kleine Mann auf der Straße übernimmt und bezahlt zwangsweise die "Risiken" über eine Währungsreform in den USA:
Die Regierung übergibt die "Risiken" an die einzelnen kleinen Leute selbst, weil nur noch dort, im gesammelten Vermögen aller US-Bürger, genügend Kapital liegt, um die "Risiken" quasi zu bezahlen. Die Leute werden mit allem "bezahlen", was sie überhaupt an Kapital besitzen - indem eine "Wertberichtigung" dieser Kapitalmenge in Richtung "nahe Null" vollzogen werden wird. Das bedeutet eine Währungsreform in den USA, nichts anderes! Und nicht nur das: Eine Depression der Wirtschaft, Auswirkungen von Peak Oil und des Klimawandels sowie eine zunehmende Anzahl kriegerischer Auseinandersetzungen in der Welt werden wohl über viele Jahrzehnte den Entwicklungstrend allgemein nach unten gerichtet halten. Sorry, keine rosigen Aussichten!

Hier ein Blick auf den historischen Chart des S&P 500 mit der von mir erwarteten künftigen Entwicklung:



Das bedeutet, dass wir zwar einerseits nun einen Bullentraum bis ca. 2010 erleben werden, aber andererseits gleichzeitig auf der oben beschriebenen Kaskade der Eskalationsstufen hin zum drohenden US-Staatsbankrott, einer US-Währungsreform und einer Depression der US-Wirtschaft weiterlaufen.
Und selbstverständlich wird das alles auch Auswirkungen auf die übrige Welt, auf Europa und Deutschland haben. Man sollte sich da nichts vormachen!

(Posting auch bei WO: http://www.wallstreet-online.de/disk...des-us-finanzs
und noch hier: http://www.stock-channel.net/stock-b....php3?t=101486)

Geändert von Benjamin (23-09-2008 um 07:41 Uhr)
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