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Alt 30-07-2003, 17:56   #3
cade
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AnalystCorner: Sedlmayr Spaten Bräu für Übernahme bereit
Das Übernahme-Karussell in der Bierindustrie dreht sich immer schneller. Völlig unbemerkt hat sich ein weiteres Unternehmen für die Konsolidierung in der Branche gerüstet: Der Münchner Braukonzern Gabriel Sedlmayr Spaten-Franziskaner-Bräu KGaA.
Sedlmayr Spaten Bräu gehört mit ihren Marken Spaten, Löwenbräu und Franziskaner zu den zehn größten deutschen Braugruppen. Die traditionsreiche Brauerei hatte in der Vergangenheit stets ihre Eigenständigkeit betont, mittlerweile wird aber eine Kooperation mit einem anderen großen Braukonzern für möglich gehalten. Joachim Brunner, vormals Head of Research der VKB Bank und nun Geschäftsführer der österreichischen Vermögensverwaltung PORTFOLIO INVEST, kennt sich im Brauereisektor gut aus, und hatte in diesem Jahr bereits auf die große Übernahme-Wahrscheinlichkeit bei der BBAG/Brau Unions-Gruppe, die später von Heineken gekauft wurde, hingewiesen. AnalystCorner sprach mit dem Investmentexperten über die aktuellen Übernahmespekulationen.

AC: Herr Brunner, viele Anleger kennen die Sedlmayr Spaten Bräu nicht, obwohl es sich um eine der zehn größten Brauereien in Deutschland handelt. Könnten Sie das Unternehmen einmal vorstellen?

Brunner: Gern. Die großen Marken des Hauses, zu denen neben Spaten und Franziskaner auch Löwenbräu gehört, sind im Gegensatz zur zugehörigen Aktie wohl bekannt. Der in München ansässige Braukonzern ist eigentlich ein Synonym für bayerische Brautradition und Lebensart. Zudem mit über 600 Jahren eine der ältesten deutschen Brauereien überhaupt. Die Spaten-Gruppe zählt zu den bekanntesten Anbieter von Weizen- und Hellbieren weltweit. Besonders die jüngsten Verkaufserfolge in den USA und Asien sorgen für Fantasie. Löwenbräu hat 2001/02 in Asien-/Amerika um 5,1 % zugelegt. Auch Franziskaner trifft den Zeitgeist.

AC: Das Biergeschäft entwickelt sich also gut?

Brunner: Ja, nicht ohne Grund wird Spaten auch als „Perle im Biermarkt“ bezeichnet. In einem insgesamt rückläufigen Gesamtmarkt stieg der Ausstoß 2001/02 um 3,6 % auf 3,3 Mio. Hektoliter. Mit der Stuttgarter Brauerei Dinkelacker AG, an der man einen 70%-Anteil hält, liegt der Marktanteil bei knapp 4 %. Dabei wiegt besonders schwer, dass Spaten sich mit seinen Marken im margenträchtigen Premium-Segment sehr gut positioniert hat.

AC: Die Konsolidierung in der Brau-Industrie ist nun schon geraume Zeit im Gange. Warum hatte bislang niemand die Sedlmayr Spaten-Bräu auf der Agenda?

Brunner: Dafür gibt es verschiedene Gründe: Da wäre erstens die vergleichsweise seltene Form der KGaA, die eine Übernahme verhindern soll. Doch auch von Unternehmensseite wurde immer auf die Eigenständigkeit gesetzt. Außerdem ist das Unternehmen in der Vergangenheit eher öffentlichkeitsscheu gewesen und hat kaum Presse- oder Investor-Relation-Arbeit gemacht. Außerdem sorgte auch ein niedriger Streubesitz von weniger als 10% für das geringe Interesse am Markt.

AC: Nun haben sich aber die Vorzeichen etwas geändert.

Brunner: Das ist richtig. Es ist etwas Bewegung in das Unternehmen gekommen. So wurde die Umwandlung der Komplementäreinlage in Aktienkapital bereits beschlossen. Nun wird sie schrittweise umgesetzt. Besonders schwer wiegt, dass Spaten-Chef Kayser nun ebenfalls eine Kooperation nicht mehr ausschließt. Der Unternehmenslenker setzt besonders auf ein starkes internationales Unternehmen. Denn in den USA und Kanada gibt es nach dem Auslaufen einer Lizenzproduktion Potenziale. Aktuell werden rund 40.000 Hektoliter über den Vertriebspartner, die amerikanische Labatt-Brauerei, über den Atlantik geschickt.

AC: Die US-amerikanische Anheuser Bush hat jüngst Interesse an einem Einstieg in Deutschland gezeigt. Wäre das nicht ein passender Kooperationspartner?

Brunner: Das wäre der Weltmarktführer auf jeden Fall. Allerdings bezog sich das Interesse zunächst auf Holsten. Dabei ist Deutschland insgesamt ein weißer Fleck auf der Bier-Landkarte der internationalen Multis. Bei einer Expansion der Amerikaner nach Deutschland wäre Spaten-Bräu eine ideale Ergänzung zu dem projizierten Engagements in die Holsten AG.

AC: Können Sie das näher erläutern?

Brunner: Während Holsten primär in Mittel- und Norddeutschland aktiv ist, liegt der Spatenbräu-Schwerpunkt klar im Süden. Die Unternehmen arbeiten bereits eng zusammen, Holsten ist langjähriger Vertriebspartner für Norddeutschland.

AC: Der niedrige Streubesitz ist aber doch ein Hindernis!

Brunner: Nicht unbedingt, denn auch bei den Anteilsverhältnissen hat es einige Veränderungen gegeben, die durchaus Spekulationen zulassen. Bereits im Mai hat die Gründerfamilie ihren Einfluss im Unternehmen vergrößert. Die Familie Sedlmayr stockte ihren Anteil am Grundkapital auf 30,1% auf und verdrängte damit die Custodia-Zwischengesellschaften des Ex-Löwenbräu-Eigners und Milliardärs August von Finck von der Mehrheitsposition. Die HypoVereinsbank verkaufte zudem ihren Anteil von gut 13% an einen Stimmenpool um den Augsburger Papierunternehmer Haindl. Damit könnte eine Übernahme nun vergleichsweise schnell abgewickelt werden, das Einverständnis der beteiligten Parteien vorausgesetzt. Da wäre dann der niedrige Streubesitz sogar von Vorteil.

AC: Die Sedlmayr AG verfügt aber auch noch über einen umfangreichen Immobilienbesitz.

Brunner: Richtig. Die Spaten-Gruppe hielt 2001/02 im Bestand insgesamt 162 bebaute Immobilien mit 1.274 Wohnungen, 215 Gewerbeeinheiten, 125 Gastronomieobjekten, 1.231 Garagen und Betriebsgrundstücke mit 140.000 qm Fläche. Die Gesamtgrundstücksfläche aller Immobilien beträgt 620.926 qm! Die Wohnungen liegen u.a. in Schwabing, Bogenhausen, München Zentrum, Nymphenburg. Geschäftshäuser in 1a-Premiumlage von München und garantieren damit hohe Mieterlöse. Weitere große Immobilienbestände - teilweise in Top-Lagen- hält die Gruppe über die Dinkelacker AG in Stuttgart und anderen Ecken Baden-Württembergs.

AC: Nun wird die Trennung von Immobilien- und reinem Brauereigeschäft vorangetrieben. Wie bewerten Sie das?

Brunner: Die Trennung von Brauerei- und Immobiliengeschäft nährt ebenfalls Spekulationen einer möglichen Verkaufsabsicht für die Brauereisparte. Auf der letzten Hauptversammlung wurde die Übertragung von Brauereigrundstücken auf eine Konzerntochter genehmigt. Ähnlich wurde auch bei der Brau-Holding verfahren. Durch eine solche Trennung würde der Verkauf des reinen Brauereigeschäfts erheblich vereinfacht.

AC: Wie hoch schätzen Sie den Wert der Immobilien ein?

Brunner: Ich persönlich möchte hier keine Schätzungen abgeben, der Immobilienmarkt ist schwer einzuschätzen. Für die Bestandsimmobilien spricht aber häufig die sehr gute Lage. Der Marktwert wird von Spezialisten zwischen 750 Mio. bis 1 Mrd. Euro alleine für die bayerischen Immobilienbestände eingestuft. Damit bleibt bei dem Bewertungsspielraum noch Luft nach oben.

AC: Bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 800 Mio. Euro erhielte ein Investor das Brauereigeschäft dann ja praktisch als Zugabe?

Brunner: So könnte man es sehen. Aber ich würde eher darauf abstellen, dass damit ein Engagement nach unten abgesichert ist.

AC: Halten Sie ein Engagement in diesem Wert für interessant?

Brunner: Wie gesagt, nach unten sorgt das „Immobilien-Netz“ für eine Absicherung und wie schnell die Kurse im Fall eines Angebots steigen, hat insbesondere die Gilde-Brauerei gezeigt. Deren Kurs nach Bekanntgabe schnell von zuvor 400 auf über 1.1000 Euro sprang. Daher sollte auch der hohe nominelle Preis einer Sedlmayer-Aktie von aktuell 2.000 Euro nicht abschrecken. In einem Übernahme-Szenario halte ich Kurse von 3.000 Euro durchaus für möglich. Allerdings ist bislang noch kein konkreter Interessent aufgetaucht, wenn er kommt, ist es aber für ein Investment meist schon zu spät.

Das Gespräch führte Robert Burschik
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viele grüsse

cade
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