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Alt 31-12-2006, 14:42   #2
PC-Oldie-Udo
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Die Aufsteiger der Großen Koalition
Sigmar Gabriel - Volkspolitiker auf Umwegen
von Timm Krägenow
Bei Sigmar Gabriel hat die Große Koalition für einen unverhofften Karrieresprung gesorgt. Als Umweltminister arbeitet das SPD-Nachwuchstalent daran, Wirtschaft und Ökologie zu versöhnen.


Bundesumweltminister Sigmar GabrielDas Büfett ist abgegessen. Satt und zufrieden macht sich der Ministertross auf den Weg zum Bus. Nur Sigmar Gabriel ist plötzlich verschwunden. Es dauert ein paar Minuten, dann taucht der Umweltminister wieder auf - aus der Küchentür. Er hat sich beim Koch und dem Servierpersonal für das Essen bedankt.

Der Mann weiß, was gut ankommt beim Volk. Wenn der Shanty-Chor singt, schunkelt Gabriel in der ersten Reihe. Und wenn sein Diensthubschrauber auf dem Fußballplatz landet, lädt er die staunenden Kinder zur Besichtigung ein.


Meister des direkten Kontakts

Den direkten Kontakt zum Wähler beherrscht Gabriel wie nur ganz wenige in der SPD. Und deshalb gilt er - wieder - als Zukunftshoffnung der Sozialdemokratie. Fraktionsvorsitzender in der nächsten Legislaturperiode, Kanzlerkandidat bei der übernächsten Wahl, so lauten die parteiinternen Prognosen, auch weil es an Konkurrenz für den heute 47-Jährigen fehlt. In seiner Generation gibt es in der SPD kein vergleichbares politisches Talent.


ZUM THEMA
Die Aufsteiger der Großen Koalition: Horst Seehofer - Der Tiefstapler (http://www.ftd.de/politik/deutschland/144958.html)
Gabriel legt sich mit EU an (http://www.ftd.de/politik/europa/136491.html)
(€) Gabriel eröffnet Debatte über Kanzlerkandidaten (http://www.ftd.de/politik/deutschland/103474.html)
(€) Gabriel fordert höhere Sicherheitsstandards bei Atommeilern (http://www.ftd.de/politik/deutschland/103248.html)
(€) Gabriel misstraut Atomindustrie (http://www.ftd.de/politik/deutschland/102525.html)
(€) "Kohleminister" Gabriel (http://www.ftd.de/politik/deutschland/90382.html)
Diesen Artikel jetzt anhören Das wusste auch Franz Müntefering, als er im Herbst 2005 das Personaltableau der Sozialdemokraten für die Große Koalition zusammenstellte. In letzter Minute benannte er Gabriel als Umweltminister, was auch den Betroffenen selbst überraschte. Auf einmal war der gestandene Standortpolitiker und ehemalige niedersächsische Ministerpräsident der erste sozialdemokratische Bundesumweltminister in Deutschland.

In dieser neuen Rolle hat sich Gabriel von Anfang an einen Spagat vorgenommen. Einerseits will er ein guter Fachminister sein, der die Belange der Umwelt ernst nimmt. Andererseits soll klar bleiben, dass er das Gedeihen der Volkswirtschafts als Ganzes im Auge hat. Für den ersten Punkt hat Gabriel den Atomausstieg ausgesucht, an dem er Prinzipienfestigkeit zeigen will. Innerhalb der SPD stößt er damit auf breite Zustimmung.


Innovations- statt Umweltpolitik

Für seine Reputation als Wirtschaftspolitiker aber will Gabriel die Umwelt- zur Innovationspolitik machen, die neue Arbeitsplätze schafft. "Die Märkte der Zukunft sind grün", proklamierte der Minister im Oktober und präsentierte ein Memorandum für einen "New Deal" von Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung: "Umwelttechnik made in Germany bringt neue Märkte, neue Produkte, neue Beschäftigung."

Auf Nachfrage machte Gabriel dann allerdings selbst klar, dass die Formel vom New Deal sogar ihm ein bisschen groß vorkommt. Wahrscheinlich stammt sie aus der Feder seines beamteten Staatssekretärs Matthias Machnig, der bisher vor allem als hochtouriger Wahlkampfmanager und nicht als Umweltexperte aufgefallen ist. Machnig, so heißt es in Berlin, führe das Ministerium nach Tageslage und zeige nur wenig Standfestigkeit in Sachfragen.

Dabei ist Standfestigkeit das, was der ehrgeizige Gabriel am dringendsten für seinen weiteren politischen Aufstieg braucht. Anfang 2003 hatte er wegen des Gegenwinds aus Berlin und eigener Sprunghaftigkeit - unter anderem mit der Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer - sein Amt als niedersächsischer Ministerpräsident verloren. Seither galt er in der Partei als Filou, der kurzfristig die Positionen wechselt. Mit der vorübergehenden Ernennung zum Popbeauftragten der SPD erntete er Hohn.


Rechnung geht nicht auf

Derzeit muss Gabriel die Erfahrung machen, dass die Konzentration auf die beiden Gewinnerthemen Atomausstieg und Umweltinnovation nicht ganz so funktioniert wie geplant. Seit Monaten hat er sich mit Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und der EU-Kommission in einen Streit über den Emissionshandel verheddert, der viel schlechte Stimmung macht, ohne aber bei den Wählern zu punkten. Industrielobbyisten zürnen, weil sie zu wenig Emissionslizenzen geschenkt bekämen. Umweltschützer schimpfen, weil der Minister der dreckigen Stein- und Braunkohle eine Renaissance verschaffe und damit den Klimaschutz aushebele. Auch weil der Allokationsplan für die Emissionsrechte die im Markt vertretenen großen Konzerne bevorzugt, sei von der angekündigten "Effizienzrevolution" im Markt noch nicht viel angekommen, wird moniert. "Jenseits der Atompolitik hat Gabriel versucht, dem Konflikt mit der Energiewirtschaft auszuweichen", sagt Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe. "Diese Rechnung geht im Moment nicht auf."

Gravierender noch, dass die Union unter Gabriels Augen der SPD das Kleine-Leute-Thema Strompreise abjagen konnte. Während Wirtschaftsminister Glos den Energiekonzernen mit dem Kartellamt droht und überhöhte Gewinne untersagen will, bremst die SPD den Gesetzesvorstoß, hat aber kein eigenes Konzept. Dabei träumt gerade Gabriel in Interviews immer wieder davon, dass die SPD endlich wieder Politik für die kleinen Leute macht. Da hat er noch zu tun.

Nächste Folge: Ingolf Deubel, Finanzminister von Rheinland-Pfalz

http://www.ftd.de/politik/deutschland/145209.html
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Es grüßt euch
Udo

Sei immer ehrlich zu deinem Nächsten, auch wenn er es nicht gerne hört

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