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Alt 20-01-2003, 01:33   #53
Stefano
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hola,

"Heutzutage zählt nur noch das Alter, nicht mehr die Konstanz"
Jens Keller freut sich, dass er es als Abwehrchef der Eintracht noch mal allen Kritikern gezeigt hat, und fordert den Nachwuchs zu "mehr Biss" auf


FR:Herr Keller, wie hat Ihnen die Woche am Mittelmeer gefallen ?

Jens Keller: Wie Trainingslager so sind: Man steht mit Schmerzen auf und geht mit Schmerzen ins Bett. Wir konnten hier gut arbeiten und uns optimal auf die Rückrunde vorbereiten.

Warum klappt es bislang so gut bei Ihnen und der Eintracht ?

Das liegt daran, dass Trainer Willi Reimann darauf geachtet hat, charakterlich gute Spieler zu verpflichten. Alle Neuen haben sofort versucht, sich in die Mannschaft zu integrieren, und passen auch menschlich gut ins Team. Man muss dem Trainer ein großes Kompliment machen, dass es ihm gelungen ist, eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzubauen.

Was zeichnet Reimann noch aus ?

Die korrekte Arbeit. Jeder Spieler weiß bei ihm, was er zu tun und was er zu lassen hat, obwohl Reimann nicht so viel redet. Jeder weiß, er muss sich in den Dienst der Mannschaft stellen, sonst kriegt er Ärger. Wenn einer dies nicht tut, wird er knallhart bestraft. Reimann redet nicht nur von Disziplin, sondern er setzt sie auch klar um. Gerade die jungen Spieler brauchen manchmal die harte Hand. Sie müssen wissen, wo die Grenze ist. Bei Reimann versuchen die meisten erst gar nicht, die gesteckten Grenzen zu überschreiten.

Muss die Zielsetzung nach oben verändert werden ?

Wenn man Zweiter ist, und das nicht durch Glück, sondern weil wir fast jedes Spiel dominiert haben, muss man das Ziel haben, da oben zu bleiben. Was die Mannschaft bisher geleistet hat, kann nicht genug gewürdigt werden. Wir haben in jedem Spiel alles gegeben, viele Verletzungen gut weggesteckt und werden auch den Abgang von Rolf-Christel Guie-Mien verkraften. Vielleicht hilft uns Markus Beierle sogar noch einen Tick mehr als Rolf.

Sie haben das Wort Aufstieg vermieden.

Nein. Wer nach der Hälfte auf Rang zwei steht, kann nicht sagen: ,Wir wollen nicht aufsteigen.' Allerdings braucht man für den Aufstieg das nötige Glück, das Köln bisher hatte, und muss von Verletzungen verschont bleiben. Wenn man diese Chance hat, muss man versuchen, sie mit allen Mitteln zu nutzen. Ich möchte nicht, dass es nachher heißt: ,Hätten wir doch...'

Der Trainer hat unlängst die jungen Spieler kritisiert, weil sie keine echte Konkurrenz für die erfahrenen Akteure sind. Gibt es tatsächlich eine Kluft im Kader ?

Unsere jungen Spieler müssen umdenken. Wir haben viele talentierte Spieler, aber Talent reicht nicht aus. Da gehört auch die richtige Einstellung dazu. Bei uns sind viele schon zufrieden, hier dabei zu sein. Wenn ich mich an meine Anfänge als Profi beim VfB Stuttgart erinnere, da wollte im Training keiner gegen mich spielen, weil ich gekämpft und gekratzt habe. Das sehe ich bei unseren jungen Spielern nicht. Ich habe deshalb schon dem ein oder anderen gesagt, dass er mehr Gas geben muss, denn die Jungen müssen zeigen, dass sie da sind. Sie müssen viel mehr Biss zeigen.

Nach Meinung von Trainer Reimann fehlt dieser Pawel Kryszalowicz.

Wir erwarten alle mehr von ihm.

Haben Sie darüber mit ihm gesprochen ?

Ja, sogar oft. Wir haben den gleichen Berater und verstehen uns gut. Ich habe ihm meinen Standpunkt klar gemacht, der dem des Trainers ähnelt. Pawel sieht das ein bisschen anders.

Das heißt, Sie erwarten, dass Kryszalowicz bei Verletzungen auf die Zähne beißt ?

Na klar, ich habe am Saisonanfang auch Schmerzen gehabt, konnte kaum laufen und habe aber trotzdem jedes Spiel gemacht.

Wie groß wäre die Enttäuschung bei Ihnen im Falle des Nichtaufstiegs ?

Das hängt von den Gründen ab. Wenn man Vierter wird, weil man viele Verletzte hat, kann man nichts machen. Wenn man aber Vierter wird, weil man nachlässig war, wäre die Enttäuschung riesengroß.

Ihr Vertrag, der bis 2004 läuft, gilt nur für die zweite Liga. Die Eintracht dürfte aber ein großes Interesse haben, Sie auch beim Aufstieg zu halten.

Das denke ich auch.

Wieso haben Sie keinen Vertrag für die erste Liga ?

Das war kein schlechter Schachzug von meinem Berater und mir. Ich bin von meiner Klasse überzeugt und habe gesagt, wenn wir aufsteigen sollten, werde ich sicherlich großen Anteil daran haben, und dann will mich der Verein auf jeden Fall halten.

Wie groß ist die Möglichkeit, dass Ihr Vertrag bald auch für die erste Liga gilt ?

Ich möchte auf jeden Fall hier bleiben. Bei einem anderen Bundesligisten müsste ich mit 32 Jahren wieder bei Null anfangen. Nur gewisse Dinge müssten honoriert werden. Der Verein muss wissen, was er an mir hat. Einen anderen Spieler meiner Klasse zu holen, kostet auch ein paar Euro. Natürlich bin ich nicht bereit, um jeden Preis hier zu spielen, aber ich glaube, das wird nicht das Problem sein. Ich kann mir auch vorstellen, ein paar tausend Euro weniger zu verdienen, wenn es dafür eine Perspektive nach der Fußball-Karriere für mich gibt. Ich kann mir vorstellen, längerfristig für Eintracht Frankfurt tätig zu sein.

Sie waren vor etwas mehr als sechs Monaten arbeitslos..

Das war eine beschissene Situation. Ich hatte die letzten Jahre nur Bundesliga gespielt und war überall Führungsspieler, und plötzlich kam kein Angebot mehr. Das war sehr deprimierend. Da zweifelt man schon an sich selbst und fragt sich: ,Überschätzt du dich, oder sind die anderen so blind ?' Deshalb bin ich umso glücklicher, dass ich nun als bester Abwehrspieler der zweiten Liga gelte. Das beweist, dass ich locker in der ersten Liga hätte weiterspielen können. Damals aber galt ich als zu alt. Deshalb bin ich stolz darauf, dass ich das Gegenteil bewiesen habe, obwohl ich mir nichts mehr beweisen muss, denn ich weiß, was ich kann.

Was haben Sie aus diesen Erfahrungen gelernt ?

Dass heutzutage nur noch das Alter, nicht mehr die Konstanz zählt. Ab 30 bist du nichts mehr wert. Heute muss man keine konstante Leistung mehr bringen, um in den Himmel gehoben zu werden. Als ich noch ein junger Spieler war, musste man schon ein bis zwei Jahre gut spielen, um überhaupt einen Gedanken an die Nationalmannschaft zu verschwenden. Wenn du heute jung bist, kriegst du nach zwei Spielen bereits Millionenangebote. Wenn ich daran denke, wie lange Mehmet Scholl beim KSC schon überragend gespielt hatte, bevor von der Nationalmannschaft die Rede war, und das mit Benny Lauth von 1860 München vergleiche, der nach fünf Spielen schon als das Sturmtalent und unser Hoffnungsträger für die Weltmeisterschaft 2006 gilt, finde ich diese Entwicklung erschreckend.

Letzte Frage: In welchem Zustand war die Mannschaft der Eintracht eigentlich, als Sie verpflichtet wurden?

Man hat richtig gesehen, dass die Mannschaft nach einem Spieler lechzte, der sich traut, etwas zu sagen und den anderen in den Arsch zu treten. Die anderen Führungsspieler hier sind eher ruhiger. Sie haben den ganzen Scheiß mitbekommen, der vorher in Frankfurt abgelaufen ist. So etwas erzeugt Frust. Ich denke, dass sie deshalb nicht mehr die Energie hatten, das Wort zu führen. q: e-hp
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Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
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