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Alt 19-03-2004, 09:50   #27
OMI
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[ Donnerstag, 18.03.2004, 15:50
Angst ums Öl


Terror, OPEC, protzige Autos – das sind die Gründe, die den Preis für Rohöl in New York auf mehr als 38 Dollar gehievt haben, den höchsten Stand seit Oktober 1990. Damals marschierte ein machtbesessener irakischer Diktator mit seiner Armee in das kleine, aber strategisch wichtige Nachbarland Kuwait ein. Heute erweckt eine Kombination vermeintlich kleinerer Schrecken eine noch größere Angst.

Da wäre zum einen die stete Gefahr durch Terror-Attentate. Nach den fürchterlichen Anschlägen in Madrid droht Al Kaida mit weiteren Terror-Aktionen bei den "Verbündeten" der USA. Somit rücken erneut die wichtigen Öl-Bestände in Vorderasien, vor allem in Saudi-Arabien, ins Blicklicht. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) bleibt gleichzeitig starrköpfig und setzt die für den 1. April beschlossene Senkung ihrer Fördermenge um, obwohl der OPEC-Korbpreis bereits seit Dezember deutlich über dem angestrebten Preisband von 22 bis 28 Dollar/Barrel liegt. Die Abwertung des Dollar rechtfertige dies, meint die OPEC.

An den Energie-Märkten wird deshalb schon über einen Anstieg der Ölpreise auf mehr als 40 Dollar spekuliert. Gestützt werden diese Spekulationen von Berichten über sinkende Benzinlagerbestände in den USA vor dem Frühlingsanfang, wenn üblicherweise die Nachfrage steigt. Die frischpolierten Pick-Ups und Vans mit ihren 4-Liter-Motoren und mindestens 150 PS müssen gefüttert werden, mit den entsprechenden Konsequenzen für die Portemonnaies der Besitzer. Zwar sind die Amerikaner letztendlich selber schuld an der Energieverschwendung, doch das ist ein schwacher Trost. Geld, das für Benzin ausgegeben wird, fehlt den Konsumenten beim Kauf von Kleidung oder neuen Computern. Da das Wirtschaftswachstum der USA zu rund zwei Dritteln von den Ausgaben der privaten Haushalte bestimmt wird, schlummert hier eine Konjunkturbremse.

Noch größere Risiken gehen von der inflationären Wirkung der hohen Rohstoff- und Energiepreise aus, weil sie die Produktionskosten der Industrie erhöhen. So stiegen die aktuell veröffentlichten Erzeugerpreise im Monatsvergleich stärker als erwartet um 0,6 Prozent, Benzin verteuerte sich um 14,1 Prozent, der stärkste Preisanstieg seit Februar vergangenen Jahres. Obwohl die Zuwachsrate der Gesamtpreise noch tolerierbar ist, ist die Tendenz eindeutig: Der nächste Inflationsdruck wird von den Energiepreisen ausgehen. Das wird auch Notenbank-Chef Alan Greenspan Sorge bereiten. Er weiß, dass er im Falle anziehender Preise die Leitzinsen erhöhen müßte und damit Konjunktur, Aktienkurse und Immobilienmarkt ins Schwanken bringen würde.

Die USA müssen bereits Schlimmes ahnen, denn selbst zu den aktuellen Kursen füllen sie ihre strategischen Öl-Reserven weiter auf. Allerdings wächst Berichten zufolge der politische Druck auf die Regierung Bush, die strategischen Reserven doch lieber auf den Markt zu geben, um die Preise zu senken. Das bisher einzige Statement dazu kommt von Energieminister Abraham: Die USA würden nicht bei der OPEC um Öl bitten! Passt doch hervorragend zur gegenwärtigen US-Doktrin, lieber zu bluten, als ein wenig Diplomatie einzusetzen.


Dirk Harbecke ist Börsenexperte und Finanzkolumnist.
Quelle: instock

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